Aus meinem Tagebuch 08/2010

Sigi Müller

Sigi Müller

Auch wenn ich sterben muss, will ich als Lebender kein (Mit-)Raucher sein

Wehe dem, der dem süchtigen Raucher die Rauch-Freiheit nimmt. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid gab es ja einen richtigen Raucher-Aufstand gegen die Sieger. Die Leserbriefflut in der Systempresse war gigantisch. Jetzt ab August nur noch draußen oder im Privatbereich qualmen? Nein, danke! Mit deftigen Beschimpfungen und den absurdesten Vergleichen fielen die Ra(u)chsüchtigen über die intoleranten Gesundheitsapostel her. Wer den giftigen Qualm nicht mitatmen will, macht den Süchtigen angeblich zum Sündenbock für seine schwer definierbare Genussunfähigkeit, raubt dem Genussfähigen sogar noch den kürzeren Lebensgenuss, merkt aber nicht, dass er als Nichtraucher auch nicht ewig lebt! So ein intoleranter »NR-Fundi« sollte sich nach Italien, Irland oder die USA davonmachen, wenn ihm die Liberalitas Bavariae nicht mehr passt! Dann hätte die schikanierte Minderheit der bayerischen Raucher endlich ihre Ruhe.

(… erweiterter Eintrag)

Fast am schönsten finde ich das in einigen Leserbriefen zur Stützung der Raucher-Argumentation immer wieder empört vorgetragene (und jetzt womöglich nach dem Nichtraucher-Volksentscheid) drohende öffentliche Biertrink-Verbot. Wer allerdings in meiner Nähe ein Bier trinkt, um seinen Durst zu löschen, beeinträchtigt mich natürlich in keinster Weise. Wenn er dazu raucht, finde ich es aber ziemlich lästig bis unerträglich. Vom Bier des Biertrinkers muss ich ja nicht trinken, wenn ich das nicht will. Der Belästigungszustand wäre beim Biertrinker für mich erst erreicht, wenn er mir immer eine gewisse Menge seines Biers ins Auge, in die Nase oder in den Mund schütten würde, und – noch schlimmer – wenn alle anderen Biertrinker in meiner Nähe ähnliche Spielchen mit mir treiben würden. Dabei hätte diese kulturell vielleicht hochstehende »Spritztechnik« im Normalfall nicht einmal einen schädigenden Effekt für Auge, Nase, Mund (oder gar die Lunge!). Ich könnte mir sogar zur Abwehr noch beide Hände vors Gesicht halten.

Im Gegensatz dazu bin ich bei den in der Luft sich grenzenlos ausbreitenden Rauchschwaden chancen- und wehrlos. Um mich dem unerwünschten Übel zu entziehen, muss ich da einfach das Feld räumen. Schließlich darf ich dem Raucher bzw. der Raucherin den Glimmstängel ja nicht wegnehmen und entsorgen.

Aber zurück zum Biertrinken! Wenn die Biertrinker nach der dritten oder vierten Halben ins Auto steigen und mir zufällig auf der Straße begegnen, dann kann es höchstwahrscheinlich doch für mich noch „gefährlich und tödlich“ werden.

Für mich ist und war das Rauchen immer schon eine üble Sucht, die in öffentlich zugänglichen Räumen nicht ausgelebt werden sollte. Was daran so attraktiv und bayerisch liberal sein soll, wenn man durch Rauchschwaden anderer sich im Gastronomiebereich stinkende Haare, Haut und Kleidung einhandelt, erschließt sich mir nicht. Gleichwohl hat der Volksentscheid nichts mit der Forderung eines generellen oder – als Kampfbegriff formuliert – »totalen« Rauchverbots zu tun. Zu Hause kann doch jede(r) seine Bude vollrauchen, wie er oder sie lustig ist. Wenn allerdings da noch Kinder rumspringen, wird man auch im eigenen Heim nicht umhinkommen, das eigene Suchtverhalten wenigstens mal zu hinterfragen. Verlangt man von Kindern etwa auch einfach nur ein bisschen Toleranz? Oder erklärt man den Kindern, dass Rauchen sogar für Steuereinnahmen sorgt und schließlich alle, auch ihr, liebe Kinder, irgendwann mal sterben müsst und Passivrauchen eigentlich für die allermeisten, gleichsam für die „überwältigende Mehrheit“, ungefährlich ist und keine Schäden anrichtet?

Mein Vater tat wenigstens das Gegenteil. Er war starker Raucher und hat mich stets vor den Folgen des Rauchens gewarnt. Das hätte er aber gar nicht tun müssen. Er überzeugte mich nicht nur durch den stinkenden Qualm, sondern noch deutlicher – vor allem frühmorgens – mit seinem schrecklichen Dauerhusten. Schon als junger Mensch kam ich damals quasi von alleine drauf, dass dieser Dauerhusten nichts mit einer normalen Erkältung zu tun haben konnte. Hinzu kommt noch, dass ich später als Musiker in einer Band sieben Jahre lang nicht nur Geld fürs Studium verdienen durfte, sondern dabei auch starker Passivraucher werden musste. Manch schöne Erinnerung daran wird heute noch bei dem Gedanken an den dichten Nebel im Lokal ziemlich getrübt.

Ein ziemlich langer Tagebuch-Eintrag diesmal, und ich hoffe, dass sich wenigstens meine Enkel später darüber amüsieren können. Sie werden sich dabei aber wahrscheinlich nicht totlachen! Die Warnung lautet ja nur: »Rauchen kann tödlich sein«! Lesen gilt ja zurzeit immer noch als relativ ungefährlich.

Sigi Müller, Schongau
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