Big Brother auf dem Vormarsch – und die Gesundheit geht dabei auch noch vor die Hunde!

Schild: Achtung FunkTagein und tagaus hört man derzeit das Hohe Lied von der Digitalisierung. Jeder versteht darunter etwas anderes, oft auch gar nichts oder zumindest sehr wenig. Hauptsache, man redet mit! Und selbstverständlich ist man begeistert, wenn wieder einmal ein Teilbereich unseres täglichen Lebens entsprechend modernisiert werden soll.

Ein Beispiel sind die geplanten funktechnischen Erfassungen des Wasser-, Gas- bzw. Stromverbrauchs in unseren Haushalten. Um funkende Wasserzähler einführen zu können, müsste aber zunächst einmal die rechtliche Grundlage dafür durch eine Änderung der Bayerischen Gemeindeordnung geschaffen werden. Ein entsprechender Entwurf liegt auch schon vor. Die Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V. hat zu diesem Entwurf eine bemerkenswerte Stellungnahme abgegeben, da sie auf gut gesicherter wissenschaftlicher Grundlage davon ausgeht, dass die in Frage stehenden Funkwasserzähler die Bevölkerung gleich von zwei Seiten bedrohen und gefährden. Einerseits durch eine Aushebelung des Datenschutzes und andererseits durch mögliche gesundheitliche Folgen. Beides führe somit zu entsprechenden Verletzungen wichtiger Menschenrechte.

Wir drucken die von Professor Dr. Klaus Buchner und Professor Dr. Karl Richter unterzeichnete Stellungnahme leicht gekürzt zur Information der OHA-Leser hiermit ab.

Hans Schütz

 

Stellungnahme

Der vorliegende Entwurf zur Änderung der Bayerischen Gemeindeordnung zielt nach unserem Urteil auf eine technokratische Grundrechtsbeschneidung, um funkende Wasserzähler durchzusetzen. Offenbar sollen wir dem industriefreundlichen politischen Ideal des gläsernen Verbrauchers und Bürgers wieder ein gutes Stück näher gebracht werden.

Dem ist entschieden entgegenzutreten. Der namhafte deutsche Staats- und Verwaltungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde, einst Richter des Bundesverfassungsgerichts, hat schon vor Jahren auf eine bedenkliche Tendenz in unserer Gesellschaft hingewiesen: „Die Menschen erfahren und erleben sich zunehmend als Rollenträger und partiell Betroffene, eingefügt in Arbeits- und Systemabläufe, die über sie Macht gewinnen, die sie aber nicht selbst beherrschen und gestalten können.“ Demgemäß liegen mittlerweile in der Rechtsordnung „zwei Arten von Rechten nebeneinander und zum Teil ineinander verschränkt: das alte personenbezogene, Rechte und Pflichten regelnde Recht und das neue »Recht« zweckrationaler, streng funktionsbezogener Ablaufnormen. Aber die Formen sekundärer Systeme haben die Tendenz, sich auszubreiten. Wenn sie sich jedoch weiter ausbreiten und zunehmend für die gesamte rechtlich geregelte Lebensordnung bestimmend werden, stellt sich eine neue Frage: Kann der Mensch so leben?“

Nicht zufällig sind die Rechte, die der Gesetzesentwurf einschränken will, im juristischen Sinne Schutzrechte. Der in Frage stehende Entwurf schützt nicht die Menschen als Verbraucher in ihren Haushalten – denen dann auch keinerlei Mitspracherecht mehr eingeräumt werden soll –, sondern höchst einseitig die Interessen der Industrie. Hier ist offenkundig keine Verhältnismäßigkeit mehr gewahrt. Unseren Protest gegen diese Entwicklung können wir mit unserer heutigen Stellungnahme nicht ausführlich begründen, wollen im Folgenden aber doch wenigstens einige wichtige und uns zentral erscheinende Einwände geltend machen.

I. Wasserzähldaten (wie analog Daten zu Strom- und Gasverbrauch) über ein Funkmodul weiterzuleiten, mag eine technisch bequeme Lösung sein. Und man hätte sicher weniger dagegen einzuwenden, wenn die Übertragung einmal täglich erfolgen würde. Sie soll aber über 24 Stunden hinweg alle paar Sekunden stattfinden. Der Gesetzesentwurf ermöglicht rechtlich sogar im Prinzip eine Übertragung in Echtzeit und in jeder beliebigen Stärke! Die elektromagnetischen Impulse sind dabei keineswegs pauschal als so schwach einzustufen, dass sie rundweg vernachlässigt werden könnten.

Zwar bleibt die Strahlung unterhalb der offiziellen Grenzwerte, weshalb gesundheitliche Verträglichkeit gern undifferenziert behauptet wird. Doch zum ersten sind diese Grenzwerte selbst umstritten, weil sie sich wenig für biologische Effekte interessieren. Zum zweiten liegt die Strahlung einer Probemessung zufolge z. B. bei 1,5 m Sichtabstand weit über dem vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND e. V.) bestimmten Gefahrenabwehrstandard von 100 μW/m², und deutlich über dem BUND-Mindest-Vorsorgestandard von 1 μW/m², wie eine Messung heuer gezeigt hat (von Dr. Moldan, Umweltanalytik). Vor allem dort, wo Menschen auf derselben Stockwerk-Ebene mit solchem Funkmodul übernachten müssen, dürften sie von den Wirkungen auch am deutlichsten betroffen sein.

II. Die Forschungslage zu den biologischen Risiken einer wachsenden Bandbreite von Funktechnologien wird bekanntlich kontrovers beurteilt. Doch schon z. B. die monumentalen Forschungsberichte der BioInitiative Working Group, die Resolution Nr. 1815 des Europarates (2011) und Position 46 des BUND, der Internationale Ärzte-Appell von 2012 sowie der Internationale Wissenschaftler-Appell von 2015 kommen angesichts der vorliegenden Fülle an drei wissenschaftlichen Hinweisen auf gravierende Schädigungen von Mensch und Natur zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung in ihrer gegenwärtigen Tendenz nicht zukunftsfähig ist. In dieser Situation im Wesentlichen nur jenen Teil der Forschung zur Kenntnis zu nehmen, der wirtschaftlichen Interessen nicht widerspricht, und sich gleichzeitig auf Grenzwerte zu stützen, deren zweifelhafte Geschichte und Begründung gut dokumentiert sind, scheint uns ein Weg ebenso politischer Selbsttäuschung wie einer Täuschung der Öffentlichkeit. Nicht von ungefähr hat einer der weltweit größten Rückversicherer, die Swiss Re, Mobilfunk in die höchste von mehreren potenziellen Risikostufen eingruppiert.

In einem Artikel der Bayerischen Staatszeitung vom 13. Oktober 2017 war z. B. von Schlafproblemen einer Dame nach dem Einbau eines Funkwasserzählers die Rede. Zahlreiche internationale Proteste in Frankreich, Norwegen, USA, Australien, Österreich und anderswo untermauern diese Risiken wegen gesundheitlicher Auswirkungen durch Funk oder Powerline basierte Zähler. Bereits 2012 entschied das Finanzgericht Köln, dass Abschirmkosten vor Elektrosmog bei Elektrosensibilität steuerlich absetzbar sind – unabhängig davon, ob Grenzwerte eingehalten werden! Wenn Funkmodule in einer abgeschirmten Wohnung häufig funken, werden sie zudem durch die Schirmung noch reflektiert – und das bei Menschen, die bereits oft viel Geld in eine Schirmung investiert haben. Nein, eine pauschale Duldung von Funkgeräten in Privaträumen darf unmöglich gesetzlich erzwungen werden!

III. Vielmehr ist das Bedürfnis von Menschen nach Vorsorge in dieser Hinsicht vollkommen legitim. Wer seine Wohnung von Funkgeräten jeder Art frei halten möchte, muss das im Sinne von Art. 13 GG tun können. Bereits in Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es, niemand dürfe willkürlichen Eingriffen in seiner Wohnung ausgesetzt werden. Der aktuelle Gesetzesentwurf sucht nun diesen grundrechtlichen Schutz bzw. das Bedürfnis danach zu torpedieren. Dabei steht das technische Firmeninteresse an einer ganz bestimmten Form von Datenübermittlung in keinem Verhältnis zum Schutz der eigenen Wohnung und Gesundheit. Satzungen von Kommunen dürfen ebenso wenig wie Parlamentsgesetze einfach Regelungen in Kraft setzen, die dieses Grundrecht in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen.

IV. Insbesondere ist unter dem Gesichtspunkt auch einer humanen wie demokratiekonformen Ethik Rücksichtnahme auf die Minderheit elektrosensibler Menschen angesagt. Laut den Forderungen der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union genießen „besonders schutzbedürftige Personen in der digitalen Welt speziellen Schutz“ (Art. 19). Dass die bekannte amtliche Sprachregelung, die Elektrosensible zu eingebildeten Kranken stempelt und an den Psychiater verweist, nicht dem Stand ärztlicher und wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, hat jüngst u. a. die Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten samt beigefügtem Forschungsüberblick mit aller Deutlichkeit festgestellt.

Wir wollen keinen Staat, der den Robusten wirtschaftlichen Interessen zuliebe zur gewünschten Norm erhebt! Bitte bedenken Sie deshalb: Elektronische Zähler- und Mess-Systeme können Daten auch ohne den E-Smog von Funk oder Powerline übertragen. Der Gesetzesentwurf sollte deshalb unbedingt verpflichtend auch das Angebot alternativer Lösungen wie Ethernet-Lan, Festnetz-DSL oder Glasfaser für die Verbraucher vorschreiben.

 

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1 Kommentar

    • Stephan Schall auf 11. Oktober 2018 bei 16:52
    • Antworten

    Das Problem der sogenannten Kompetenzinitiative ist, sie hat keinerlei Fachkompetenz in technischen Fragen der Funktechnik. Und weil diese Kompetenzinitiative noch dazu offizieller Netzwerkpartner eines Baubiologen-Verbandes ist, also Partner von Profiteuren der Angst vor Elektrosmog, darf man sich nicht wundern, wenn diese Initiative befremdliche Außenseiterstandpunkte vertritt, die zwar gut fürs Geschäft von Baubiologen sind, bei Fachleuten und Entscheidern hingegen freundliches Schmunzeln auslösen.

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