Die Spekulation mit Nahrungsmitteln geht weiter

Regulierungsentwurf mit Schlupflöchern

Seit mehr als einem Jahr kämpft foodwatch gegen die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln an den Rohstoffbörsen. Im foodwatch-Report »Die Hungermacher – wie Deutsche Bank, Goldman Sachs & Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren« wird dokumentiert, wie das Zocken mit Rohstoffen arme Menschen millionenfach in den Hungertod treiben kann. Diese Spekulation wurde nur möglich, weil die ursprünglich streng regulierten Rohstoffbörsen Anfang des Jahrtausends auch für reine Finanzanlagen geöffnet wurden. Josef Ackermann, der damalige Vorstandschef der Deutschen Bank, schrieb nach der Veröffentlichung des »Hungermacher-Reports« scheinbar einsichtig: „Kein Geschäft der Welt ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen“. Und zeigte damit, dass er immer noch nicht verstanden hatte. Es müsste nämlich heißen: „Kein Geschäft der Deutschen Bank ist es wert, ein Menschenleben aufs Spiel zu setzen“.

Gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen versucht foodwatch, die Verhandlungen zur Regulierung der Rohstoffbörsen zu beeinflussen. Leider gilt immer noch: Die übermächtige Finanzlobby stellt sich der Regulierung des unmoralischen Zockens und Spekulierens uneinsichtig entgegen – als ob es die große Finanzkrise 2008, die uns alle an den Rand einer wirtschaftlichen Katastrophe brachte, als ob es die hochheiligen Versprechen der Banker, sich zu ändern und als ob es die Schwüre der Politiker, ein solches Desaster in Zukunft zu verhindern, nicht gegeben hätte. Das Europaparlament hat zwar in einer ersten Abstimmung für die wichtigste Maßnahme gegen die Spekulation, nämlich für eine Begrenzung des Handelsvolumens an den Börsen (Positionsgrenzen) votiert – und das ist durchaus ein Erfolg. Doch Finanzlobby und Großkonzerne bekämpfen eine klare Regelung vehement, ihre gewieften Rechtsexperten bauen Schlupflöcher in die Gesetzestexte ein, wo immer es nur geht. Somit besteht die Gefahr, dass die Positionsgrenzen ausgehöhlt werden, weil sie nur für einzelne Händler gelten. Wenn also die Zahl der Händler wächst – was wahrscheinlich ist – wird die Spekulation in Zukunft sogar noch ansteigen.

Aus Brüssel kam noch im Dezember die Nachricht, dass der aktuelle Regulierungsentwurf des EU-Finanzministerrates tatsächlich Großkonzerne von den Positionsgrenzen ausnimmt!!! Über die Entscheidung, Wetten zu Nahrungsmitteln nicht zu begrenzen, kann man nur enttäuscht sein!

Kein geringerer als Bundespräsident Joachim Gauck hat jetzt die Exzesse bei Agrarspekulationen mitverantwortlich für Hunger und Armut gemacht. Wörtlich sagte der Bundespräsident in seiner Rede beim Festakt zum 50. Geburtstag der Welthungerhilfe am 14. Dezember 2012: „Heute treibt überschüssige Liquidität an globalen Märkten die Renditejagd selbst an den Märkten für Lebensmittel in immer gefährlicheres Terrain. Wenn dann schwankende Preise armen Menschen sprichwörtlich die Mittel zum Leben abschöpfen, ist Handeln aus politischer, sozialer und natürlich auch aus ethischer Notwendigkeit dringend geboten.“

Bereits im Oktober 2011 hatten 461 Wissenschaftler den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble und seine Fachkollegen aus den anderen G20-Staaten aufgefordert, im Kampf gegen weltweiten Hunger und Armut dringend gegen exzessive Agrarspekulationen vorzugehen. Doch bei den Verhandlungen zur Finanzmarktregulierung in Brüssel besorgen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine Kollegen wieder einmal das Geschäft der Finanzmarktlobby. Unzureichende Regeln und Schlupflöcher – wenn das jetzt in Brüssel auf dem Tisch liegende Regelwerk von den Finanzministern beschlossen wird, ändert sich nichts. Die Spekulation mit Agrarrohstoffen kann ungehindert weitergehen und Hungerkrisen verursachen, unter denen Millionen von Menschen leiden.

Quelle: foodwatch
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