Entwicklung der NATO: „Von der Verteidigungsallianz zum Angriffsbündnis“

Aus den NachDenkSeiten: Auszüge aus einem Gespräch zwischen Albrecht Müller und Willy Wimmer

„Wir haben etwa bis Mitte der 1990er Jahre geglaubt, dass uns die neuen Länder, also die ehemalige DDR, um die Ohren fliegen werden. (…) Und dann haben wir eine Entwicklung vermutlich verschlafen, nicht mitbekommen oder einige haben sie auch gezielt angesteuert. Wir haben aus der Verteidigungsallianz NATO – und nur der hat ja der Deutsche Bundestag in dieser Verteidigungsfunktion zugestimmt – schleichend eine global agierende Angriffsformation bekommen. Und was noch erschwerend hinzukommt: Wir waren ja damit einverstanden – und ich habe ja die Denkschrift für den Bundeskanzler Helmut Kohl über die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO des wiedervereinigten Deutschlands geschrieben. Und diese Denkschrift ist in die 2 plus 4 Verträge eingegangen ohne Wenn und Aber. Wir haben aufgrund der Entscheidung, in der NATO zu bleiben, den Alliierten gestattet, in Deutschland weiter Truppen zu unterhalten. Das war aber gebunden an den Verteidigungscharakter der NATO. Und die haben bei Nacht und Nebel aus diesem Verteidigungscharakter eine Angriffsformation gemacht. Die hier in Deutschland bis heute stationierten Truppen sind eigentlich unter ganz anderen Gesichtspunkten mit der Erlaubnis ausgestattet gewesen, hier zu bleiben. Das heißt: Wir haben eine qualitative Veränderung bekommen, die sich bis heute in der deutschen Politik niederschlägt.“ (…)

Zum »Friedensgebot« im Grundgesetz sagt Wimmer: „Deutschland soll einen Beitrag zum Frieden in der Welt liefern. Und wir dürfen uns einer solchen Organisation wie der NATO nur anschließen, wenn diese Organisation im Rahmen der Charta der Vereinigten Nationen tätig wird. Die Charta der Vereinten Nationen ist bewusst im Zusammenhang mit dem Jugoslawienkrieg verletzt worden. (…) Man hat durch diese Entscheidung die Charta der Vereinten Nation und die gesamte Anbindung an die Charta der Vereinten Nationen bewusst beseitigen wollen, um amerikanische Vorstellungen globaler Herrschaft ausüben zu können. Wie widersinnig das ist, das haben die Linksfraktion, Peter Gauweiler und ich mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht 2007 wegen des Tornado
angriffs in Afghanistan gesehen. (…)

Nach der Verfassung der Charta der Vereinten Nationen, NATO-Vertrag usw. geht das nicht, dass wir ohne Rücksicht auf diese Verträge unsere Truppen im Ausland einsetzen. Und dann hat das Bundesverfassungsgericht – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – gesagt: ein Vertrag kann auch weiterentwickelt werden. (…)

Wenn aber in unserem Rechtsverständnis der Bruch eines Vertragszweckes eine Weiterentwicklung ist, dann muss man sich in Anbetracht einer solchen Rechtssprechung eines Verfassungsgerichts nicht wundern, wenn im deutschen Volk jedes Verständnis für Recht abhanden kommt.“

Willy Wimmer, CDU
Mitglied des Bundestages
von 1976 bis 2009
davon 4 Jahre Staatssekretär im Verteidigungsministerium

 

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