Ernährungskultur heute: Von Supermärkten und Farben – »Bewusstes Einkaufen« einmal anders gedacht (4)

Florian Reistle Koch, Diätassistent und Heilpraktiker, Weilheim

Florian Reistle
Koch, Diätassistent und Heilpraktiker, Weilheim

Auf einer Urlaubsfahrt zum Gardasee hatte ich auf der Autobahn eine Reifenpanne. Auf der Fahrt in die nächste Werkstatt mit dem Abschleppwagen entwickelte sich ein interessantes Gespräch mit dem Fahrer. Er erzählte, dass er bis vor 2 Jahren ein Gemüsegärtner mit beachtlichen Anbauflächen gewesen war. Nun habe er den Beruf allerdings an den Nagel gehängt, weil die Arbeitsbedingungen auf diesem Gebiet nicht mehr akzeptabel seien. Ein Kilo Weißkraut für 35 Cent, eine 5-Kilo-Kiste junge Zucchini für 5 € – wobei ihn die Holzkiste allein 1,40 € kostet usw. … Dann die monatelang hinauszögernde Zahlungsmoral der Abnehmer sowie deren unnachgiebiges Preisdiktat hatten diesem Gemüsegärtner die eigentlich freudige Arbeit vermiest.

Unsere hiesigen Supermärkte sind an diesem Preisdiktat sicher nicht unschuldig. Kleinere aber dafür regionale Gemüsegärtner haben es schwer, mit agrarindustrieller Produktion zu konkurrieren. Dabei spielt gerade das Gemüse und das Obst in den Supermärkten eine sehr wichtige Rolle. Betritt man einen solchen nämlich, wird man meistens als erstes von der bunten Farbenpracht begrüßt. So wie wir uns mit Sprache begrüßen und miteinander kommunizieren, so begrüßen uns Obst und Gemüse mit ihren lebendigen Farben und Formen. Lenken Sie beim nächsten Einkauf einmal ihre Aufmerksamkeit darauf, wie das Obst- und Gemüse-Farbenmeer auf Sie wirkt: macht es Sie müde, antriebslos, missgestimmt? Oder wirkt es eher sanft stimmungsaufhellend, beschwingend, erfrischend?

Auf jeden Fall können wir feststellen, dass der Obst- und Gemüsebereich eines Supermarktes der natürlichste und farbenprächtigste ist. Die Farben in den darauf folgenden Regalen entstehen in der Regel durch  bunte Verpackungen der Lebensmittelindustrie. Wie »sprechen« nun diese Farben im Vergleich zur Obst- und Gemüseabteilung zu uns?

Welche Motive bewegen wohl die Lebensmittelkonzerne, ein Produkt mit dieser oder jener Farbe anzubieten? Geht es dabei wirklich um den Mensch und seine gesundheitlichen Bedürfnisse? Geht es dabei darum, ein ökologisches und sozial verträgliches Produkt anzubieten, oder ist es der Profit und seine Maximierung, die an erster Stelle stehen?

Wie schon in den vorangehenden Artikeln ausgeführt, schenken unsere Lebensmittel uns auf sehr angenehme Weise lebensnotwendige Lebenskraft. Diese Lebenskraft wird von Lebensfreude getragen. Und in den Farben eines Gerichtes leuchtet uns diese Lebensfreude wieder entgegen. (Interessanterweise wird ein Fast-Food-Menü, das man aus seiner bunten Verpackung auf einen Teller legt, überraschend einfarbig!) Will man also eine der Quellen unserer Lebenskraft und Lebensfreude kennenlernen, bieten sich die verschiedenen Farben der Obst- und Gemüsepflanzen an, sie untereinander zu vergleichen und unbefangen auf sich wirken zu lassen. Und wer weiß: vielleicht beginnt auf diese Weise ja ein im Sinne der goetheschen Fantasie hochinteressanter Dialog (siehe Artikel 3):

„Stets habe ich mich gefragt, bin ich es oder ist es der Gegenstand, der sich in meiner Seele ausdrückt.“

Florian Reistle
Koch, Diätassistent und Heilpraktiker
Weilheim

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