»Essen machen« – ein primäres Bedürfnis (11)

Auf Kreyol lautet der Begriff für das Bebauen des Ackers mit den Hauptkulturen Mais, Bohnen, Kartoffeln und Weizen »fè manje«, also »Essen machen«. Gemüse dagegen wird vorwiegend für den Verkauf produziert. Und so besteht das warme Essen, das bei Versammlungen, die länger als zwei Stunden dauern, obligatorisch ist, kaum aus Gemüse. Dafür aber aus ein paar Streifen Fleisch, oder ein paar Stückchen Dosenfisch auf Reis oder Spaghetti – mit ausreichend Maggi!

Doch die kulinarische Seite dieses Ausdrucks soll nicht das eigentliche Thema im heutigen Stück aus Haiti sein. Mit der Verlängerung meines Vertrags um ein drittes Jahr im »Foret des Pins« bekomme ich die Chance, mich neuen, für mich wirklich interessanten Themen zu widmen.

Aufforstung in der Pufferzone des »Foret des Pins« mit dem Ziel, die gepflanzten Bäume auch nutzen zu dürfen, ist einer meiner vier künftigen Schwerpunkte. Und da komme ich schon zum Titel »Essen machen«. Denn Bedingung von erfolgreichen Forstpflanzungen ist, dass sie nicht in Konkurrenz zu den Kulturen stehen, die die Grundnahrungsmittel liefern. Wenn sie das tun, bestehen sie nicht lange.

Meine Ausgangsidee war, dass die Bauern, wenn sie eigene kleine Forstparzellen haben, nicht mehr in den geschützten Wald ziehen müssen, um sich mit Holz zu versorgen. Nebenbei könnten sie Holz legal schlagen, da sie es zuvor angebaut haben. Doch sie müssten lernen, wie man es pflanzt und pflegt.

Foto Haiti

Essensausgabe bei einer Fortbildung

Meine Kollegen rieten mir, ich solle die Bäume in Mischung mit den landwirtschaftlichen Kulturen pflanzen, also in Agroforstkultur. Das ist ein viel bemühtes und teilweise auch praktiziertes Modell. Das würden die Bauern kennen und besser akzeptieren als meine Idee von kleinen separaten Gruppen von Waldbäumen zur Holzproduktion.

Mein Gefühl dagegen sagte mir, dass das ja irgendwie doch nicht funktioniert. Trotz bereits praktizierter Agroforstkulturen gibt es allerorten enorme Erosion und weite, baumlose Zonen. Ich war also nicht sofort einverstanden mit dem Rat, beim bekannten Agroforstmodell zu bleiben. Mit viel Grübeln und Beobachten habe ich entdeckt, dass meinen Agro-Kollegen im Projekt noch nicht bewusst war, dass Waldbäume zu hoch werden und eine zu große Konkurrenz zu Mais und Kartoffeln bilden – und deswegen ganz zu Recht von den Bauern nach ein paar Jahren wieder entfernt werden.

Viele Menschen in der Gegend müssen ihre Großfamilien auf einer Fläche von ein bis zwei Hektar ernähren – und das bei degradierten Böden, ohne Möglichkeit Dünger zu kaufen. Und für sie, das ist klar, hat »Essen machen« Vorrang vor »Bäume pflanzen«.

Für diejenigen, die mehr als zwei Hektar Land bewirtschaften, sind die Flächen aber noch lang nicht übrig oder gar wertlos. Denn wenn es darum geht, mit dem späteren Ertrag aus dem Holzverkauf eventuell den Schulbesuch der Kinder zu ermöglichen, ist maximaler Ertrag, und das in einer absehbaren Zeit, die oberste Maxime. So suche ich jetzt unter anderem schnellwachsende Baumarten für tropisches Bergklima auf Karstböden.

Weitere Themen werden u. a. ein Einstieg in die Umweltbildung für Lehrer, für die lokalen Autoritäten oder für die Forstwächter sein. Auch, um damit potenziellen Besuchern etwas an Wissen über das Schutzgebiet bieten zu können. Was aber, wenn die Besucher nicht kreyol sprechen, und die Bevölkerung keine einzige weitere Sprache? Dolmetscher mitschicken oder Sprachkurse für die Bauern???

Neben solchen fachlichen Herausforderungen habe ich immer wieder auch Mühe mit meinen Kollegen. Nicht nur die Bauern, auch sie, können Neues nicht leicht aufnehmen, und geben in ihren Fortbildungen in meinen Augen nur eine sehr begrenzte Menge an Informationen weiter. Selbst sie haben vermutlich wenig wirklich guten Schulunterricht genossen. Was da versäumt wurde, kann auch ein abgeschlossenes Studium nicht mehr ganz aufholen.

Heute war ein Kollege, der gerade seine Familie zu Besuch hier oben hat, bei mir. Ein 20-teiliges Puzzle, das ich für die Kinder als Beschäftigung herausgezogen habe, hat sich als mittlere Herausforderung für die beiden Eltern erwiesen. Wie dieses Spiel, das Puzzle auf Französisch heißt, wusste ich dann allerdings nicht. Doch helfen konnte ich zumindest insofern, als ich ihnen sagen konnte, wo sie es finden können in Port au Prince.

 

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Weltweit ist mehr als die Hälfte aller nutzbaren Ackerflächen degradiert

Landwirtschaft, Waldrodung und industrielle Umweltverschmutzung sind die wichtigsten Gründe für die weltweite Degradation der Böden. Auch in Europa blockieren die großen Staaten wirksame Bodenschutz-Richtlinien. Ein Boden gilt als degradiert, wenn er einen Teil seiner vielfältigen Funktionen eingebüßt hat; also etwa die Fähigkeit, Pflanzen zu ernähren, Wasser zu filtern und eine große Artenvielfalt zu beherbergen. Etwa 1964 Milliarden Hektar Land sind weltweit von leichter bis schwerster Degradation betroffen – das ist mehr als die Hälfte aller nutzbaren Ackerflächen. Hervorgerufen durch ausgelaugte Böden sind Wasser- und Winderosion die Hauptarten der Degradation.

Quelle: naturefund

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