Geflüchtet. Angekommen. Und wie weiter?

Flüchtlinge: Sie haben sich unauffällig ins Gemeindeleben eingefügt. (Zeichnungen: Hubert Pfeffer)

Flüchtlinge: Sie haben sich unauffällig ins Gemeindeleben eingefügt. (Zeichnungen: Hubert Pfeffer)

Über Peitings erste Flüchtlinge

Im Frühjahr 2011 entwickelte sich aus Demonstrationen gegen die syrische Regierung ein verheerender Bürgerkrieg, der bislang 160.000 Todesopfer forderte. Forciert wurde der Konflikt von westlichen Ländern mit Waffen und von den Ölstaaten mit Geld, womit auch viele Söldner ins Land geschleust wurden. Von 21 Millionen Syrern sind 7,6 Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht vor Krieg und Gewalt, weitere 3,9 Millionen Menschen konnten das Land verlassen. Die meisten flohen in die angrenzenden Staaten: Libanon, Jordanien, Türkei und Ägypten. Rund 210.000 sind nach Europa geflüchtet, davon etwa die Hälfte nach Deutschland.

Ende 2014 befand sich nur noch die Hälfte des Landes unter der Kontrolle syrischer Regierungstruppen, gut ein Drittel wird von der Terrororganisation IS und islamistischen Milizen besetzt. Der Rest wird von anderen Rebellen – u. a. der Freien Syrischen Armee – und kurdischen Milizen kontrolliert.

Ein winziger Teil der Flüchtlinge, nämlich 16 Männer, leben inzwischen in Peiting; kaum bemerkt von der Bevölkerung, weil sie sich unauffällig ins Gemeindeleben eingefügt haben. Es handelt sich überwiegend um Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge, die den Status einer Duldung nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten haben; aufgeteilt in zwei Wohngruppen mit je acht Leuten. Den anerkannten Flüchtlingen ist es gestattet, eine Arbeit aufzunehmen und ihre Familien nachkommen zu lassen, was allerdings bisher noch nicht gelang.
Wir wollten diese Menschen kennenlernen und haben sie besucht. Wir wurden sehr freundlich begrüßt und aufgenommen, sofort wurden Sitzplätze und Tee angeboten. Auf unsere Bitte hin haben sie uns über ihr Leben vor dem Krieg, von der Flucht in diverse Notunterkünfte u. a. in Jordanien, Türkei, Libanon u.s.w. und von der Flucht nach Europa berichtet.

In den Notunterkünften leben ihre Familien unter menschenunwürdigen Umständen, meist ohne Strom, ohne sauberes Wasser und ohne ausreichenden Schutz vor der Witterung, doch zumindest in vorläufiger Sicherheit vor dem Bürgerkrieg.

Einige dieser Männer möchten wir Ihnen in dieser und den nächsten Ausgaben vorstellen:

»Omar«, anerkannter Flüchtling, 44 Jahre jung, ein fröhlicher, aufgeschlossener Mann mit viel positiver Energie. Er ist verheiratet, hat vier Töchter mit 3, 6, 10 und 13 Jahren, die derzeit mit seiner Ehefrau in Jordanien bei der Schwägerin leben. Mohammed ist Schweißer und hat an Pipelines und Boilern gearbeitet; 12 Stunden täglich und an 6 Tagen in der Woche. Was ein freies Wochenende oder gar Urlaub ist, hat er erst in Deutschland erfahren. Soweit ihm neben seiner Arbeit noch Freizeit blieb, verbrachte er diese am liebsten mit seinen Kindern, besuchte mit ihnen den Zoo und schaute sich gerne Fußballspiele an, seine Lieblingsclubs sind Bayern und Barcelona.

Mit seiner Familie erreichte Omar zunächst ein palästinensisches Flüchtlingslager, in dem sie zwei Jahre ohne Strom und Wasser lebten. Nachdem auch das Flüchtlingslager mehrfach bombardiert wurde, brachte er seine Familie in die vorläufige Sicherheit Jordaniens. Seine Flucht führte ihn dann weiter über die Türkei, Griechenland, Albanien, Montenegro, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland. Einen großen Teil davon legte er zu Fuß zurück, immer in Angst vor Gefangennahme und Abschiebung.

Omar lernt derzeit fleißig die deutsche Sprache, um hier sehr bald einen Arbeitsplatz zu finden. Möglichst schnell will er so das nötige Geld verdienen, um Frau und Kinder hierher zu holen, von denen er schon so lange getrennt ist.

»Tafik«, 30 Jahre jung, ledig und Asylbewerber – ein fröhlicher, hilfsbereiter, pfiffiger und aufgeschlossener Mann. Tafik ist Elektroingenieur und arbeitete für die Regierung in der Wasserversorgung im IT-Bereich; er liebt Fußball, sein Lieblingsverein ist Real Madrid.

Tafik spricht neben seiner Muttersprache Arabisch noch Englisch und Kurdisch, zur Zeit lernt er mit schnellen Fortschritten Deutsch. Aufgrund staatlicher Verfolgung war er gezwungen seine Eltern und Geschwister zu verlassen. In Rücksichtnahme auf das laufende Asylverfahren werden keine Details über seine Flucht veröffentlicht. Er möchte anerkannt werden, um hier arbeiten und studieren zu können. Seine größte Hoffnung ist jedoch, dass sich die Situation in seinem Heimatland so weit verbessert, dass er zurückkehren und seine Familie wiedersehen kann.

Erika Schönenborn
Reinhard Böttger
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