Geothermie in unserer Region

Alfred Honisch

Alfred Honisch

Südbayern ist »Goldgräberland«

Auf der Suche nach dem Knackpunkt bei der Geothermie

Waldkraiburg, Schaftlach, Ismaning (hat seit 2008 eigenes Claimrecht), Bernried, Weilheim, Utting, Wessobrunn – Südbayern ist geothermisches Goldgräberland.

Quasi vor unserer Haustür wird beim Thema Energiewende, dem Klimaschutz, dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) und bei dem Ideal von der Unabhängigkeit bei der Versorgung mit Energie stets auch das Schlagwort Geothermie gebraucht. Und in der Tat hat die Natur Oberbayern mit dafür günstigen Verhältnissen gesegnet. Der Bayerische Geothermieatlas dehnt die mögliche Fündigkeit für heißes Wasser im Temperaturbereich von 80 bis 160 Grad Celsius zum Teil sogar auf ganz Bayern aus. Hierzu ein Zitat aus dem Teil A 3.1, Ausbau der Tiefengeo­thermie in Bayern: „Mit bis zu 600 m mächtigen Malmkarbonaten verfügt Bayern über ein Aquifer (= Wasserhohlraum), der … bei Bohrteufen (= Bohrtiefen) von 1.500 m bis 5.500 m über ausreichende Ergiebigkeiten von 30 – > 100 l/s verfügt, die einen flächendeckenden Einstieg in die geothermische Wärme – und ggf. Stromerzeugung ermöglichen.”

Kein Wunder also, dass bei solchen Aussichten kürzlich eine Zeitung aus dem ostbayerischen Raum mit der Schlagzeile titelte: „Macht Erdwärme Oberbayern zum Tomatenland?” Gleichwohl, hinter den Kulissen geht es bei der Erschließung bzw. Nutzung des geothermischen Schatzes auf bzw. unter einem Gemeindegebiet mit ziem­lich harten Bandagen zur Sache. Glück­lich nur die Gemeinden, die sich ihr Claimrecht (= Aufsuchungserlaubnis) selbst zu sichern vermochten. Auf welche Weise auch immer. Denn dieses, durchaus an die Goldgräberstimmung am Klondike (Alas­ka) erinnernde Bergrecht (vgl. Bundesberggesetz =BBergG) unterliegt grundsätzlich marktwirtschaftlichen Gesetzen! Das heißt, wer zuerst kommt, malt zuerst und erhält ein Recht auf fremdem Grund – wegen eines dort vermuteten Bodenschatzes (zum Beispiel Öl, Gas, Edelsteine oder heißes Wasser) – tätig werden zu dürfen! Denn, ein Bodenschatz gehört nicht dem Grundeigentümer und der Zugriff darauf erstreckt sich bis in die »ewige« Teufe (=Erdmittelpunkt).

Aber Vorsicht bei aller Euphorie. Die Gemeinde Ismaning wird als Inhaberin ihres Claims für die Realisierung von eigener Wärme mehr als 60 Millionen Euro verteilt auf die nächsten Jahre investieren müssen. Mit anderen Worten, selbst wenn eine Gemeinde die Aufsuchungserlaubnis ihr Eigen nennen könnte, wäre damit auf kommunaler Ebene ein Großprojekt mit zumeist utopisch hohen Investitionen verbunden! Trotzdem war und ist für viele Gemeinden im Oberland die Erkenntnis ärgerlich, dass ihnen so mancher clevere Investor mit geologischem Expertenwissen die Rechte innerhalb des eigenen Gemeindegebiets weggekauft hat. Selbst eine verwaltungsrechtliche Norm, wie etwa ein gemeindliches Vorkaufsrecht, greift nicht!

Kurz gesagt! Claimrecht weg, kommunale Einflussnahme weg!

Zur Verdeutlichung des Sachverhalts ein Zitat aus einem Bericht zur Geschäftstätigkeit von Daldrup & Söhne AG, Westfalen, eine Firma, die europaweit auf Bohrtechnik in Tiefen bis weit über 4000 Meter spezialisiert ist. Darin heißt es lapidar, „Wer das Claimrecht hat, schafft an!”

Hat man als Investor einmal das Claimrecht, dann gewährt einem das Bayerische Bergrecht relativ freie Hand. Denn der Aufsuchungserlaubnis folgt in aller Regel die Bewilligung, ist doch diese Form der erneuerbaren Energie eine Aufgabe von nationalem Rang, mit erklecklichen Förderanreizen pro Kilowattstunde Strom aus dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Die einzelnen Posten dazu lesen sich wie die Erfolgsmeldungen glorreich abge­schlos­sener Lobbytätigkeit. 16 Cent für die reine Stromerzeugung (bis 10 MW elektr. Leistung), sowie ein Bonus von 4 Cent für die Inbetriebnahme vor dem Jahr 2016, ein 3 Cent-Bonus für die Auskoppelung der Wärme in ein Wärmenetz und nochmals 4 Cent bei Nutzung einer bestimmten Fördertechnik, wohlgemerkt, für die Dauer von 20 Jahren! Diese Boni-Regelung soll voraussichtlich ab 1.1.2012 durch eine Pauschale von 25 Cent abgelöst werden.

Selbst wenn die Stadt Weilheim sich weigern würde, das Einvernehmen zu erteilen, müsste die obere Genehmigungsbehörde, nämlich das Landratsamt, die erforderliche Privilegierung aussprechen. Denn diese Behörde ist vor Ort zuständig für Industrieansiedlungen im Außenbereich (z. B. geothermischer Art), so auch am Hah­nen­bühel – zirka 3,5 Kilometer östlich von Weilheim gelegen – wo nun eines der größten 10 MW-Kraftwerke Deutschlands entstehen soll.

Stichwort Transparenz und die Frage, ob Bürgerinitiativen die Energiewende behindern

Die Weilheimer Bürgerinitiative »Verein zum Erhalt des Oberlandes« (kurz: BifO) ist mittlerweile die achte Initiative deutschlandweit, so das Internetportal „BV-BI-TG“ (Bundesverband Bürgerinitiativen Tiefe Geothermie).

Der Hauptanlass zur Gründung dieser BI war ursprünglich sicherlich die Angst vor sogenannter Seismizität (vulgo »Erdbeben«), in Anlehnung an die bereits »geleistete« Vorarbeit durch die BI »Höllenschlund«, im benachbarten Bernrieder Claim. Kein Wunder auch! Denn sogar der Bundesverband Geothermie (GtV) gesteht in seinem Positionspapier vom Juli 2010 auf Seite 8 ff. ein: „Dennoch hat die Geo­thermie durch die in Einzelfällen verspürte Seismizität ein erhebliches Akzeptanzproblem. Die natürliche Furcht vor ‘Erdbeben’ ist tief verankert, sie gelten als (und sind) unvorhersagbar und unbeherrschbar.“

Beim Weilheimer Geothermie-Vorhaben wurde zwischenzeitlich in mehreren öffentlich abgehaltenen Informationsveranstaltungen für beide Seiten klar, dass man es vor Ort bei dem sog. »Südbayerischen Malm« mit einer völlig andersartigen Formationen zu tun hat wie dem Oberen Rheingraben in Landau.

Bemerkenswert wird das Ansinnen der Bürgerinitiative jedoch wegen einer anderen Entwicklung! Der oft propagierte sogenannte »mündige Bürger« – als das zentrale Element bürgernaher Kommunalpolitik – besticht im Zusammenhang mit seinem Betroffensein von Planungen vor der eigenen Haustüre über ein Expertenwissen, das den gewählten Mandatsträgern als auch der Verwaltung in den Gemeinde- und Stadt­gremien den Schweiß auf die Stirn treibt. Zugegeben, ohne Unterstützung durch ge­eignete Fachanwälte geht auch bei Bürger­initiativen gar nichts! Beispielsweise riet in Rheinland-Pfalz eine Kanzlei gegen ein Geothermie-Projekt verfahrensrechtlich zu einem „Vereinfachten Raumordnungsverfahren mit integriertem Zielabweichungsverfahren“ (vgl. Gmd. Hassloch NR, Online-Zeitung für die Region, 19. August 2010)! Ein Winkelzug, der seinem Inhalt nach nur wenigen Gemeinderäten bekannt sein dürfte.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Versprechen nach umgehender Transparenz kommunalpolitischen Handelns vor Ort am Beispiel der Tiefengeothermie an seine Grenzen stößt und Bürgerinnen und Bürger eigeninitiativ werden lässt. Dies öffentlichkeitswirksam aufgedeckt und begründet dargestellt zu haben ist sicherlich ein Verdienst der Bürgerinitiative.

Die Erkenntnis für Geothermie-Projekte von solcher Tragweite muss sein:

  1. Die Forderung nach dringender Modernisierung eines de facto unumstößlichen Bergrechts wegen der Schutzgüter Mensch und Umwelt!
  2. Auf gemeindlicher Seite eine Öffentlichkeitsbeteiligung, die nicht erst bei der Behandlung fertig ausgearbeiteter Bauanträge in den Entscheidergremien beginnt. Professionelle Bürgerbeteiligung startet viel früher, nämlich mit der erstmaligen Kenntnis von Claimrechten in »fremder« Hand.
  3. Das Mittel eines Ratsbegehrens aus der Erkenntnis heraus, dass nach einer breiten Informationskampagne von Befürwortern und Gegnern die Entscheidungsverantwortung ohne Kompetenzverlusten an die Bürger delegiert werden kann, als Demokratie-Gewinn!

Weilheims Stadträte waren stets einstimmig für das Geothermie-Projekt der »Erdwärme Oberland GmbH, München«. Dennoch haben sie sich eine Denkpause von einem Monat ausbedungen. Nicht zuletzt ein Erfolg der Bürgerinitiative!

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