Kreistag entscheidet sich gegen TTIP / CETA / TiSA

Foto: E. Gronau

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Resolution zu den Freihandelsabkommen im Landkreis Weilheim-Schongau

Am 12. Dezember 2014 befasste sich der Kreistag Weilheim-Schongau mit einer Resolution zu den geplanten Freihandelsabkommen TTIP (EU-USA) und CETA (EU-Kanada), sowie mit dem Dienstleistungsabkommen TiSA.

Damit ist unser Kreistag einer der ersten in ganz Bayern, die sich mit den Auswirkungen dieser Abkommen auf die Kommunal- und Regionalpolitik direkt beschäftigt haben. Kommunale Spitzenverbände wie der bayerische Städte- und Gemeindetag haben ja schon länger auf mögliche Gefahren hingewiesen.

In dieser Resolution wird u. a. eindeutig ein Ausschluss von Eingriffen in die kommunale Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge (Privatisierung von z. B. Wasserversorgung, Verkehrs-, Sozial- und Gesundheitsbereichen) gefordert. Ferner wird die strikte Einhaltung von Umwelt- und Verbraucherschutzstandards angemahnt (wie z. B. bei gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und Fracking).

Und neben umfassender Transparenz wird dann völliger Verzicht von privaten Schiedsstellen für Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten gefordert.

Abschließend wird in dieser 9-Punkte Resolution gefordert: „Sollten die o. g. Punkte keine Berücksichtigung finden, sind die Abkommen TTIP, CETA und TiSA in den zuständigen Gremien von den bayerischen Vertreterinnen und Vertreter abzulehnen.“

Bei dieser klaren Stellungnahme war eine kontroverse Diskussion zu erwarten, so forderte das letzte FDP-Kreistagsmitglied Klaus Breil, die Schiedsstellen-Verzichtsforderung wegzulassen. Sein Argument, dass diese besser als eventuell befangene öffentliche Gericht wären, ging dann aber auch anderen Skeptikern zu weit!

Der Kreisobmann des Bauernverbandes Wolfgang Scholz von der CSU wiederum sprach sich gegen die Resolution aus, weil er die Hoffnung hat, dass hohe landwirtschaftliche Standards harmonisiert werden könnten.

In der Diskussion wurden diese beiden Meinungen dann aber eher in die Bereiche von Lobbyismus und Naivität verortet.

Klar für diese Resolution positionierten sich vor allem Alfred Honisch, Karl-Heinz Grehl (GRÜNE), Hans Geisenberger (Unabhängige/ ÖDP), Josef Taffertshofer (BFL), dem die Resolution noch weiter hätte gehen können und für die SPD der Peitinger Bürgermeister Michael Asam, der in der Kritik über die Bundespolitik – über so einen „Quatsch“ – seine Partei ausdrücklich miteinbezog.

Das Kreistagsmitglied Alexander Dobrindt war entschuldigt. Es wäre schon interessant gewesen, wie er abgestimmt hätte.

Der Kreistag hat dieser Resolution mit großer Mehrheit (50 : 6) zugestimmt.

Bei dieser Entscheidung waren auch Vertreter des Organisationsbündnisses gegen diese Abkommen (u. a. ABL, Attac, BDM (Milchbauern), BUND, DGB, Gemeinwohl-Ökonomie-Gruppe WM, Greenpeace, KAB, Slow Food und UIP) anwesend. Da bei einer Demonstration im Oktober in Weilheim die Beschäftigung der kommunalen Landkreisgremien mit den Gefahren dieser Abkommen gefordert wurde, war die Bewertung ausgesprochen positiv. So wurde das Ergebnis und das Engagement der Landrätin, der Landratsamtsverwaltung und des Kreistags begrüßt, denn viele Bundespolitiker wie Angela Merkel und Sigmar Gabriel drängen immer deutlicher für diese Abkommen und die bayerische Politikspitze kann sich halt mal wieder nicht festlegen. Diese Resolution zu TTIP/CETA/TiSA kann jedenfalls nach Verhandlungsstand dieser Abkommen als klare Ablehnung gewertet werden!

Manfred Unger, Peißenberg

 

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Resolution des Kreistages des Landkreises Weilheim-Schongau zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und weitere Freihandelsabkommen

Präambel:

Das Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und weitere Freihandelsabkommen verfolgen primär das positive Ziel, durch den Abbau von Handelshemmnissen und die Verbesserung der Investitionsbedingungen die Schaffung von Arbeitsplätzen zu befördern. Freihandelsabkommen bergen jedoch auch erhebliche Risiken für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die durch die Kommunen und ihre Unternehmen verantwortet und erbracht werden. Beeinträchtigungen dieser, für die Bürgerinnen und Bürger wichtigen Dienstleistungen durch Freihandelsabkommen müssen ausgeschlossen werden.

Des Weiteren sind sämtlichen Marktzugangsverpflichtungen im Rahmen von Freihandelsabkommen entgegenzuwirken, die geeignet sind, die kommunale Organisationsfreiheit auszuhöhlen. Sollten typische kommunale Dienstleistungen wie die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser oder die Kultur Regeln der Liberalisierung unterworfen werden, würde die derzeit garantierte umfassende Organisationsentscheidung von Kommunalvertretern durch rein am Wettbewerbsgedanken ausgerichtete einheitliche Verfahren ersetzt werden.

Der Kreistag des Landkreises Weilheim-Schongau fordert die auf europäischer und nationaler Ebene für die Verhandlungsführung und die letztendliche Zustimmung zu Freihandelsabkommen politisch Verantwortlichen deshalb auf, sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass

  1. über die Verhandlungen der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten (TTIP) in Kanada (CETA) sowie über ein Folgeabkommen zum WTO-Dienstleistungsabkommen GATS (TiSA) transparent informiert wird. Eine permanente parlamentarische Begleitung und Kontrolle der Ergebnisse eines möglichen Abkommens wird gefordert;
  2. die kommunale Daseinsvorsorge von den Marktzugangsverpflichtungen im TTIP und allen weiteren Freihandelsabkommen ausgenommen wird. Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung sowie in die kommunale Organisationsautonomie werden ausgeschlossen;
  3. die geltenden Bestimmungen für Inhouse-Vergaben und interkommunale Zusammenarbeit sowie Bereichsausnahmen für Rettungsdienste und Wasserwirtschaft nicht durch Freihandelsabkommen auch nur ansatzweise in Frage gestellt werden;
  4. im TTIP und den übrigen derzeit in Verhandlung befindlichen Abkommen auf spezielle Investitionsschutzregelungen verzichtet wird;
  5. die Einführung von privaten Schiedsstellen über Streitigkeiten zwischen Investoren und den beteiligten Staaten zu Lasten des Gemeinwohls verhindert wird;
  6. national geltende Standards auf keinen Fall mit einem vorrangigen Ziel des Abbaus von Handelshemmnissen reduziert werden dürfen. Dies gilt insbesondere für den Umwelt- und Verbraucherschutz (keine Lockerung der EU-Regeln für gentechnisch veränderte Produkte und Nutzpflanzen sowie wirksame Schutzvereinbarungen für Fleisch- und Milchprodukte);
  7. der Abbau von Bodenschätzen weiter ausschließlich der deutschen Gesetzgebung und Aufsicht unterliegt und sog. Fracking nicht über ein Handelsabkommen erzwungen werden kann;
  8. die Einberufung eines Beirates beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für TTIP unter Beteiligung der Kommunen unterstützt wird. Darüber hinaus wird eine Beteiligung der kommunalen Ebene und der öffentlichen Dienstleistungen in die bei der EU-Kommission bestehenden Beratergruppen gefordert;
  9. für das TiSA-Abkommen ist eine breitere Einbindung der betroffenen Öffentlichkeit, die Verfolgung eines Positivlistenansatzes sowie die Wahrung des geltenden Vergaberechts sicherzustellen.

Sollten die o. g. Punkte keine Berücksichtigung finden, sind die Abkommen TTIP, CETA und TiSA in den zuständigen Gremien von den bayerischen Vertreterinnen und Vertreter abzulehnen.

Im Übrigen wird auf das gemeinsame Positionspapier von kommunalen Spitzenverbänden und VKU zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen vom Oktober 2014 verwiesen.

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2 Kommentare

    • Peter Ostenrieder auf 5. Februar 2015 bei 09:25
    • Antworten

    Liebes oha-Team, die Überschrift des Artikels ist nicht richtig. Der Kreistag entschied sich nicht gegen TTIP etc., das stünde ihm gar nicht zu. Er verfasste eine Resolution, die die Forderungen des Kreistags an die Teilnehmer der Verhandlungen formuliert. Hier wäre ein gutes Maß an korrekter Formulierung schon wichtig im Sinne einer objektiven Information für die Bürgerinnen und Bürger.

    1. Lieber Peter,
      wir haben uns über deine kritische Anmerkung gefreut, weil sie zeigt, dass man – besonders auch bei Überschriften – höchst aufmerksam sein muss. »Kreistag übt Kritik an …« oder so ähnlich, wäre wohl angemessen gewesen. Unsere Anmoderation zum Artikel (Druckausgabe, Seite 1, linke Spalte) mit der Überschrift »Resolution zu den Freihandelsabkommen TTIP/CETA/TiSA« dürfte aber ohne Beanstandung durchgehen.
      Sigi Müller, OHA-Redaktion

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