Neoliberale Lobbyisten machen Schulpolitik

Der Bundesverband Deutscher Arbeitgeber (BDA) erreicht ein Verbot des Buches »Ökonomie & Gesellschaft« der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)

Was der Arbeitgeberlobby (BDA) in diesem Sammelband der Bundeszentrale besonders sauer aufstößt, ist das Kapitel zum Thema Lobbyismus. In seinem Brief, der zum Vertriebsverbot durch das Innenministerium – vorerst(!) – geführt hat, übt BDA-Geschäftsführer Peter Clever heftige Kritik. In diesem Kapitel werde ein „monströses Gesamtbild von intransparenter und eigennütziger Einflussnahme der Wirtschaft auf Politik und Schule gezeichnet“, schreibt er.

Dabei geht es wohlgemerkt nicht darum, dass die Schüler lernen, was Soll und Haben sind, wie ein Kredit funktioniert oder welche Aufgaben die EZB hat. Es geht vielmehr darum, wie diese Fragen gedeutet werden. Wem eingebläut wird, dass der Mindestlohn Arbeitslosigkeit befördert, wird auch keine Partei wählen, die den Mindestlohn erhöhen will. Wer permanent hört, dass der Staat einen effizienten Markt durch Regulierungen verhindert, wird Liberalisierung und Privatisierungen fordern. Und wenn die Lehrkraft sagt, dass niedrige Zinsen die Inflation hochtreiben, dann wird der Chor derer verstärkt, die die EZB zu einer Zinserhöhung drängen wollen. Oder zugespitzt: Wer in der Schule mit neoliberaler Propaganda indoktriniert wird, funktioniert auch im späteren Leben genau so, wie sich die neoliberalen Vordenker das wünschen.

Vor diesem Hintergrund überrascht die Härte, mit der der BDA im Schulterschluss mit dem Bundesinnenministerium gegen die kritische Publikation der bdp vorgeht, nicht mehr. Die Wirtschaftslobbyisten haben zum Kampf um die Deutungshoheit in den Köpfen unserer Kinder geblasen. Genau die neoliberale Propaganda, die uns ja auch tagaus tagein in den Medien präsentiert wird, soll nun auch Schulstoff werden. Und da rege sich noch jemand über den Einfluss der Kirchen in den Schulen auf.

Quelle: NACHDENKSEITEN vom 27. Oktober 2015

[notice]NACHTRAG:
Augfrund massiver Proteste – u.a. von verschiedenen Verbänden – hat das Innenministerium das Vertriebsverbot des obigen Sammelbandes inzwischen aufgehoben.[/notice]

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