Neues vom Dobrindt: Oder Überlegungen zu einem Parteitagszitat

Alexander Dobrindt

Alexander Dobrindt

Mangelndes Fingerspitzengefühl stellte die Süddeutsche Zeitung am 5. November bei CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt fest. Denn in seiner Rede zu Beginn des CSU-Parteitags sagte Dobrindt wörtlich:

„Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie, heute gegen Stuttgart 21 demonstrieren, agitieren, die müssen sich dann auch nicht wundern, wenn sie übermorgen irgendwann ein Minarett im Garten stehen haben, meine Damen und Herren.“

Das Fazit des Journalisten Hans Holzhaider ob dieses unsäglich dummen Ausspruchs lautete in Anspielung an einen Kartoffelschälwettbewerb mit dem Sohn der Kreisbäuerin, den Dobrindt auf seiner Homepage veröffentlicht hatte:

„Dobrindt in den Kartoffelkeller!“

Eigentlich sollte man sich mit so einer niveaulosen Aussage wie der von Alexander Dobrindt erst gar nicht länger beschäftigen, sie unter Wahlkrampfgekläffe oder Generalsekretärswadlbeißen abhaken, in den Reißwolf geben und schleunigst wieder vergessen.

Aber dann beschäftigte die Aussage dummerweise doch die OHA-Redaktion und führte zu immer neuen Fragen.

Beim Kartoffelkeller stellte sich recht schnell die Assoziation zum Kartoffelkäfer ein, jenem gelbschwarzen Schädling, der unlängst in der Presse als Synonym für die Regierungskoalition in Berlin herhalten musste. Aber ist so ein Vergleich politisch korrekt? War die Aufregung nicht berechtigterweise groß, als einstmals Franz-Josef Strauß zu APO-Zeiten seine politischen Gegner als Ratten und Schmeißfliegen diskriminierte, die es auszumerzen gelte? So wird diskutiert.

Andererseits freuen wir uns doch immer wieder, wenn deftige Vergleiche und kreative Wortspiele den faden Politikbetrieb wenigstens manchmal etwas auflockern. Sehnen wir uns nicht nach Debattenrednern im Bundestag von der Qualität eines Herbert Wehners? Erinnern wir uns nicht gerne an solche Höhepunkte im Bundestag, als Wehner den CDU-Abgeordneten Wohlrabe in einem legendären Zwischenruf als „Übelkrähe“ beschimpfte?

Wir öffnen am Computerbildschirm das Pressephoto von Dobrindt. Die kleine Enkelin eines Redakteurs kommt ins Zimmer, zeigt auf das Bild und fragt: „Is’n das?“

„Herr Dobrindt“, antwortet einer von uns kommentarlos.

Später kommt das Kind noch einmal ins Zimmer, sieht das Bild des Politikers und ruft: „Doofblind! Herr Doofblind!“

Wir übergehen den Ausspruch, korrigieren nicht, denken, dass das auch ein typischer Wehner hätte sein können und freuen uns klammheimlich. Kindermund, so fällt einem von uns ein, tut Wahrheit kund. Aber darf man so etwas überhaupt denken, geschweige denn schreiben?

Da wirft einer ein: Auch Betrunkenen wird ähnlich wie dem Kindermund das Aussprechen von unangenehmen Wahrheiten zugeschrieben, und vor einiger Zeit musste man der Presse entnehmen, dass auch im Bundestag jede Menge Alkoholprobleme beheimatet seien. Sollen wir jetzt so lange Rotwein süffeln, bis uns das Kinderzitat ähnlich locker vom Munde geht wie dem Kind? Und ist die Aussage dann wahr, oder wenigstens nicht mehr anrüchig, sondern gar »wehnergeadelt«? Eine Rüge des Bundestagspräsidenten bleibt uns erspart, aber nicht die eines Redaktionsmitglieds.

Endlich wieder zuhause öffne ich jetzt eine Flasche Rotwein. Bald kommen mir die Minarette in den Sinn. Ob draußen im Rasen schon welche wachsen? Womöglich als gentechnisch verursachte Mutation von braunen Stinkmorcheln? Sollte man vorsichtshalber nicht doch öfter den Rasen mähen? Josef Heringer fällt mir ein, der mich schon in den achtziger Jahren an der bayerischen Naturschutzakademie mit der Feststellung überraschte, dass Rasenmähen doch irgendwie etwas mit Rassismus zu tun habe. Und was hat das alles jetzt mit der politischen Rasenpflege beim CSU-Generalsekretär zu tun?

Hans Schütz

Hans Schütz

Fragen über Fragen, die so ein doofes Zitat auslösen kann. Dem Dobrindt allerdings wird es ziemlich wurst sein, was unsereins da so hin und her überlegt. Der hat ja im Kreistag schon längst gegenüber der Grünenfraktion für Klarschiff gesorgt und festgestellt: „Die da hinten in der Ecke kann man sowieso nicht ernst nehmen!“, und in diese hinterste seiner Schubladen passt die OHA-Redaktion allemal auch noch hinein. Also gilt jetzt für mich: „Dobrindt in den Papierkorb verschieben!“

Hans Schütz
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