Reflexionen zum 13. August 1961

Hans Hahn

Hans Hahn

Während die steinerne Mauer seit zwei Jahrzehnten abgetragen ist, wachsen in manchen Köpfen mentale Mauern weiter.

Aus der Sicht des Jahres 2011 – und nicht zuletzt vor dem Hintergrund zahlreicher Dokumente aus der Zeit des »kalten Krieges« – könnte der Mauerbau vor 50 Jahren heute objektiv beurteilt werden. Nun muss man sich nicht gleich bei den DDR-Grenzschützern bedanken, wie das die Zeitung Junge Welt am 13. August provokativ getan hat. Aber derartige Provokationen kann man 50 Jahre danach aushalten und den »Gedenktag« tatsächlich zum Nachdenken nutzen.

Welche realistischen Alternativen hatten Walter Ulbricht & Co. 1961? Tatsächlich ist die Entscheidung ohnehin nicht in Berlin, sondern in Moskau gefallen. Die DDR war bekanntlich ein Satrap der UdSSR, wie alle anderen Ostblockstaaten. So wie auch in der BRD damals keine wichtige politische Entscheidung ohne die Zustimmung der Westalliierten, insbesondere der USA, getroffen wurde.

Fünf Jahre vor dem Mauerbau wurde hierzulande die KPD verboten und hunderte Kommunisten wanderten ins Gefängnis. Darunter nicht wenige, welche erst wenige Jahre vorher aus den NS-Gefängnissen und KZ-Lagern entlassen worden waren.

Klar war von Anfang an, dass die UdSSR niemals auf den von ihr besetzten Teil Deutschlands verzichten würde. Der 17. Juni 1953 war ein klarer Beweis dafür.

Chruschtschows Versuch, die vermeintliche Unerfahrenheit Kennedys auszunutzen und den Westteil Berlins der DDR zuzuschlagen, ging schief. Die Amerikaner betrachteten diesen Stachel im Fleisch der DDR als Symbol. Es folgten Blockade und Luftbrücke und ein paar Tage stand die Welt vor einem 3. Weltkrieg, als sich die Panzer der beiden Großmächte in Berlin gegenüber standen.

Die westdeutsche Regierung unter Konrad Adenauer zeigte im Übrigen wenig Interesse an den Landsleuten im Osten und in der Mitte Deutschlands, auch wenn in dieser Zeit ständig von der Wiedervereinigung die Rede war.

Eine »ös­ter­reichische« Lösung kam für Adenauer nicht in Frage, obwohl es dafür gute Chancen gegeben hätte. Allerdings ist es den Österreichern auch gelungen, sich als quasi erstes Opfer ihres Landsmannes Hitler darzustellen.[1] Trotz Neutralität war Österreich aber immer Teil des Westens. Welche Entwicklung das zehnmal größere Deutschland unter diesen Bedingungen genommen hätte, kann nur Spekulation bleiben. Dabei muss insbesondere gefragt werden, ob es einen Mar­shallplan und damit das »Wirtschaftswunder« gegeben hätte.

„Wir wählen die Freiheit“, sagte Konrad Adenauer einmal im Bonner Bundestag, und allgemein wurde angenommen, dass auch die Abertausenden Flüchtlinge aus der DDR diese Wahl getroffen haben. Die große Mehrheit hat aber wohl eher den Wohlstand in der BRD gewählt, was auch nicht verwerflich ist. Die Arbeitskräfte waren in der BRD hochwillkommen. Aber natürlich fehlten diese Fachkräfte „beim Aufbau des Sozialismus“, wozu die meisten wohl auch keine Lust hatten. Auch in der DDR waren nach 1945 nicht plötzlich lauter Sozialisten und Kommunisten.

West-Berlin, das große Loch in der Staatsgrenze, war also ein existenzielles Problem nicht nur der DDR, sondern des gesamten Ostblocks. Schließlich waren auch die Westgrenzen der Tschechoslowakei und Ungarns, ebenso der baltischen Staaten undurchlässig.

Zweifellos sind der sog. »Eiserne Vorhang« und die Mauer Folgen des 2. Weltkrieges und der danach (eigentlich schon vorher) folgenden Blockbildung. Eine »Was wäre gewesen, wenn«-Diskussion mag spannend sein, führt aber zu keinem Ergebnis.

Die Fluchtbewegung wurde (und wird) als Ergebnis der Überlegenheit des kapitalistischen Systems interpretiert. Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass die schwer angeschlagene UdSSR nicht in der Lage war, einen Marshallplan aufzulegen, und die wirtschaftliche Entwicklung des gesamten Ostblocks von den Kriegsfolgen gehemmt war. Damit sollen nicht die dramatischen Folgen der Diktatur Stalins und seiner Statthalter verharmlost werden.

Unter dem Strich bleibt meiner Meinung nach, dass die Zeit 1961 für eine andere Lösung nicht reif war und die Mauer – so tragisch das für die Opfer ist – auch für Frieden sorgte.

 

Quellenangaben / Hinweise


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  1. Evan Burr Bukey: „Hitlers Österreich – Eine Bewegung und ein Volk“ , Europa-Verlag Hamburg-Wien (ISBN 3-203-75575-0)
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