Was ist aus unserer Gesellschaft geworden?

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Herwarth Stadler

Lethargisch dümpelt sie im heutigen Geschehen vor sich hin, von nichts aufzuregen oder gar aufgerüttelt zu werden. Da können die Ereignisse noch so tiefgreifende Veränderungen aufdecken, die Skandale zum Himmel schreiende Ungerechtigkeiten betreffen – die Umfragen ergeben höchstens, dass die Partei der Nicht-Wähler die meisten Stimmen erhalten wird bei den Wahlen im September. Bei den öffentlichen Partei-Versammlungen werden kaum Fragen an die Kandidaten, die uns in den nächsten vier Jahren im Parlament vertreten wollen, gestellt beziehungsweise sind die Anwesenden mit billigen Plakatantworten zufrieden.

Dabei fühlen wir, dass die Regierung Merkel/Brüderle keine Rezepte hat, den Tanker Deutschland aus der Gefahrenzone zu navigieren, das wird immer deutlicher. Die Frau Bundeskanzlerin versucht gerne die Probleme auszusitzen, um ja keinen Fehler beim Pokern um den Machterhalt zu machen und handelt dann fremdbestimmt (Bankenkrise: Rettungsschirme für das Großkapital auf Kosten der kommenden Generationen). Der andere, weil er bestrebt ist, ideologisch (mittels Neoliberalismus) verblendet unsere Volksgemeinschaft zu zerstören, die bis vor drei Jahrzehnten das Wunder des Wiederaufbaus aus dem Chaos, das der Zweite Weltkrieg hinterlassen hat, unter Bedingungen geschafft hat, die einem jeden, der fleißig war, eine auskömmliche Existenz sicherte. Heute müssen die fleißigen 90 Prozent die dreistelligen Milliarden-Beträge des jährlichen Vermögenszuwachses der Reichen 10 Prozent erwirtschaften, oft ohne ausreichendes eigenes Einkommen.

Zugleich zwingt uns die Billionen €uro-Schuldenlast der Bankenrettung insgesamt in die Schuldknechtschaft des großen Geldes, weil die privatisierten ehemaligen Staatsbanken (EZB, FED usw.) mit der irrsinnigen Geldschöpfung auf Kreditbasis uns in den Schuldenturm zwingen werden. Dabei hätten wir es in der Hand, am Wahltag andere Mehrheiten zustande zu bringen. Das große Aber muss ich gleich dazusetzen: Im Moment haben die regierenden Eliten das nicht nur in meinen Augen falsche Ökonomiemodell im Kopf, das uns in den letzten drei Jahrzehnten mehr als 400 Wirtschafts-/Banken-/Staatskrisen beschert hat. Deren Ursachen werden wissenschaftlich bewusst jeweils nur einzeln isoliert untersucht und beurteilt, nicht jedoch nach Ursachen-Gemeinsamkeiten bewertet. Bayern plant sogar schon Rückzahlung von Schuldentiteln in den nächsten Haushaltsjahren (sehr löblich!); vergisst jedoch, durch entsprechende Steuermaßnahmen, dafür zu sorgen, das mindestens das gleichgroße Geldkapital-Volumen aus dem Finanzmarkt-Kreislauf zu entfernen (Vermögenssteuer). So fehlt auf der einen Seite der Milliardenbetrag im volkswirtschaftlichen Realkreislauf (durch Einsparungen im öffentlichen Haushalt) und wird dadurch der unteren Hälfte aller Bürger abgezwackt werden. Den Reichen tut es nicht weh, denn bei denen ist es sowieso nur ein geringer Teil des überschüssigen, nicht lebenswichtigen Einkommens. Zumindest bei der unteren Einkommens-Hälfte der Erwerbspersonen wird dies schmerzhafte Einschnitte im Konsum verursachen, weil Transfer-Leistungen gekürzt werden, und auch der so genannte Mittelstand wird es spüren, weil zum Beispiel Töpfe für Fördermittel, von denen sie immer profitierten, reduziert werden.

Die Eliten bieten heute kaum zukunftsweisende Leitbilder an. Häufig werden Reformbestrebungen anderer zynisch abgewertet. Der publizierte Mainstream verweigert sich der ihm in Demokratien aufgegebenen Informationspflicht; wohl, weil Veränderungen die eigene Bequemlichkeit stören könnten und der Aufbruch in die Zukunft immer mit Unwägbarkeiten verbunden ist. Leichtfertig malt man diese als Bedrohungen aus und manipuliert dadurch die Mehrheiten, die sowieso gern im Wunschdenken des nostalgischen sich Zurück-Sehnens verhaftet bleiben und dem Gehabten nachtrauern.

Raustreten aus dem breiten Zug der Lemminge in den Abgrund! Neue Wege aktiv ausprobieren, Zukunft gestaltend selbst in die Hand nehmen, das ist angesagt! Sich informieren,[1] eine eigene Meinung bilden und Gleichgesinnte aufsuchen. Gemeinsam neue Wege einschlagen, selbstkritisch, um Sackgassen rasch zu erkennen und nach Umkehr etwas Neues ausprobieren; im Netz Kontakte halten und pflegen, damit auch andere, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben, die eigenen Erfahrungen nutzen können und wir im Gegenzug deren positive Entwicklungen nachvollziehen können.

Das Wir in den Vordergrund stellen! Ein echtes „Yes, we can!“ mit deutscher Gründlichkeit umsetzen und unverzagt erleben, dass eine zukunftsgläubige Gemeinschaft nicht nur Berge versetzen kann.

Herwarth Stadler

 

Quellenangaben / Hinweise


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  1. BUND, Brot für die Welt (Hg., Wuppertalinstitut für Klima, Umwelt, Energie), Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt, (4) 2012
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