Gute Gründe gegen die StrABS – Gericht stimmt für Freistaat

„Darf eine Gemeinde auf Beiträge für den Straßenbau (StrABS) verzichten?“

Das war Thema der Verhandlung am 3.11.2016 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH)

Foto: Bernhard Maier

Bernhard Maier
Besucher der Gerichtsverhandlung
am 3. November 2016

Die Gemeinde Hohenbrunn hat die StrABS aufgehoben (also abgeschafft). Das Verwaltungsgericht München hat dem Landratsamt München in 1. Instanz Recht gegeben, dass die StrABS beibehalten werden muss.

Der VGH hat die Berufung zur Klärung der Frage zugelassen, unter welchen Umständen es das Kommunalabgabengesetz (KAG) ausnahmsweise zulässt, dass eine Gemeinde auf StrABS-Beiträge verzichtet.

Der Rechtsanwalt der Gemeinde Hohenbrunn, Prof. Dr. Kuchler führte folgende Argumente auf, die eine Abschaffung der StrABS rechtfertigen:

  • „Eine Ungerechtigkeit, dass von den 2056 bayerischen Kommunen (Stand 1.3.2015) 564 keine Satzung haben bzw. dies von den Aufsichtsbehörden unbeanstandet bleibt, wie auch weitere 500 Gemeinden, die zwar eine StrABS haben, jedoch nicht anwenden (Gde. Rednitzhembach u. a.) und die Abschaffung der StrABS in München nicht beanstandet wird, obwohl dort der Schuldenstand in Millionenhöhe besteht.“
  • Im Kommunalabgabengesetz (KAG) steht „die Gemeinden können Beiträge erheben“. Das heißt, „in der Regel“ kann das bestimmt werden. Das Wort „sollen“ ist zu verstehen als „müssen“, jedoch mit Ausnahmen.
  • Es ist eine willkürliche Maßnahme der Aufsichtsbehörde, wenn sie eine Gemeinde verpflichtet eine StrABS aufrechtzuerhalten, jedoch andere Gemeinden nicht zu einer Satzung verpflichtet werden.
  • Die Einnahmebeschaffung bestimmt die Rangfolge der Einnahmen, laut Gemeindeordnung (GO). Das heißt, dass bei solider Haushaltslage (Landratsamt: „überragend guter Haushaltslage“) keine Satzung erforderlich sei.
  • Die Gemeinde Hohenbrunn hat einen ausgeglichenen Haushalt mit dauernder Leistungsfähigkeit
  • Hohenbrunn hat eine außergewöhnlich gute Haushaltslage bei solider Einnahmebeschaffung.
  • Bedarfszuweisungen gibt es bei Notlagen der Gemeinden, laut Finanzausgleichsgesetz.
  • Die Wirtschaftskraft der Gemeinde Hohenbrunn ist höher als der objektive Finanzbedarf (siehe Art. 5, KAG)
  • Da die Gemeinde keine Schlüsselzuweisungen (seit dem Jahr 2000) nach dem FAG erhält muss es Sache der Gemeinde sein, eine StrABS zu erlassen bzw. diese abzuschaffen.
  • Hohenbrunn plant jährlich 5,5 Millionen Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer ein. Bei fast 9.000 Einwohnern ergibt das 611 Euro je Einwohner und liegt damit knapp unter dem Landesdurchschnitt von 633 Euro je Einwohner bei vergleichbaren Gemeinden zwischen 5.000 bis 10.000 Einwohnern.“
    Nach der bayerischen Verfassung besteht Finanzhoheit der Gemeinden, die vom Landratsamt nicht verletzt werden darf. Dies wäre ein unzulässiger Eingriff. Auch das Bundesverfassungsgericht hat 2007 festgestellt, dass bei Beschaffungsmaßnahmen der Gemeinden Einzelfallbetrachtungen maßgebend sind.

Aus all diesen Gründen erscheint der Urteilsspruch des VGH vom 9.11.2016 unangemessen und ungerecht. Es wurde keine Revision zugelassen. Interessant ist jetzt, ob die Gemeinde Hohenbrunn Beschwerde gegen die Nichtzulassung beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegt.

Bernhard Maier
Besucher der Gerichtsverhandlung am 3. November 2016

 

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Hintergrund-Informationen zur Erhebung von Beiträgen, Abgaben und Steuern

1. Bayerisches Kommunalabgabengesetz (KAG), Artikel 5: Beiträge

(1) Die Gemeinden und Landkreise können zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.

Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a zu erheben sind.

(1a) Die Gemeinden und Landkreise sollen die voraussichtlich Beitragspflichtigen möglichst frühzeitig über beabsichtigte beitragsfähige Vorhaben und das Verfahren der Beitragserhebung einschließlich in Betracht kommender Billigkeitsmaßnahmen informieren.

2. Gemeindeordnung Freistaat Bayern (GO), Art. 62: Grundsätze der Einnahmebeschaffung

(1) Die Gemeinde erhebt Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften.

(2) Sie hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen

1. soweit vertretbar und geboten aus besonderen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen,

2. im Übrigen aus Steuern

zu beschaffen, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen.

(3) Die Gemeinde darf Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre.

3. Finanzausgleichsgesetz (FAG)

Art. 1 (1) Der Staat gewährt den Gemeinden und Landkreisen im Rahmen des allgemeinen Steuerverbunds in jedem Haushaltsjahr (Finanzausgleichsjahr) 12,75 Prozent (Anteilmasse) des Istaufkommens der Landesanteile der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und der Gewerbesteuerumlage (Verbundmasse), die ihm im Zeitraum vom 1. Oktober des vorvorhergehenden Jahres bis zum 30. September des vorhergehenden Jahres (Verbundzeitraum) zugeflossen sind.

(2)  Der Anteilmasse sind die Schlüsselmasse, die Mittel für die Verstärkungsbeträge für Zuwendungen nach Art. 10, für Bedarfszuweisungen nach Art. 11, für die Investitionspauschalen nach Art. 12 und für Leistungen nach Art. 15 (Verbundleistungen) zu entnehmen. Für die Höhe der einzelnen Verbundleistungen ist die Bewilligung im Staatshaushaltsplan maßgebend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3)  Die Schlüsselmasse wird über die Schlüsselzuweisungen dergestalt an die Gemeinden und Landkreise verteilt, dass die Gemeinden 64 Prozent und die Landkreise 36 Prozent der Schlüsselmasse erhalten

4. Bayerische Verfassung, Art. 77: Organisation der Verwaltung

(1)  Die Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung, die Regelung der Zuständigkeiten und der Art der Bestellung der staatlichen Organe erfolgen durch Gesetz. Die Einrichtung der Behörden im Einzelnen obliegt der Staatsregierung und auf Grund der von ihr erteilten Ermächtigung den einzelnen Staatsministerien.

(2) Für die Organisation der Behörden und die Regelung ihres Verfahrens hat als Richtschnur zu dienen, dass unter Wahrung der notwendigen Einheitlichkeit der Verwaltung alle entbehrliche Zentralisation vermieden, die Entschlusskraft und die Selbstverantwortung der Organe gehoben wird und die Rechte der Einzelperson genügend gewahrt werden.

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