Meine Zeit im Kreistag von 1990 bis 2020 (Teil 3)

Die letzte Amtsperiode von 2014 bis 2020

Von Hans Geisenberger, Sachsenried

Diese Amtsperiode war geprägt von den Themen »Abarbeiten des Sanierungsstaus«, weiterer Privatisierung, gigantischer Neuverschuldung und einer damit verbundenen exorbitant hohen Kreisumlage für unsere Gemeinden. Ich beschränke mich hier auf ein »Projekt«: Der Neubau der Berufsschule in Weilheim ist für mich exemplarisch dafür, wie in unserem Landkreis seit Jahrzehnten und parteiübergreifend mit Steuergeldern umgegangen wird.

Die Verwaltung untersuchte zunächst zwei Möglichkeiten: Sanierung der bisherigen Schule oder kompletter Neubau in Weilheim. Die Kosten für den Umbau und die Sanierung wurden mit ca. 35 Millionen Euro, ein Neubau auf ca. 30 Millionen Euro taxiert. Mit großer Mehrheit entschied sich daraufhin der Kreistag für einen Neubau.

Im Sommer 2015 wurde dann in einer Sitzung über die Entwürfe eines Architekturbüros beraten und auch gleich ein Beschluss gefasst. Zu meiner Verwunderung hat die Bauform kein gewähltes Gremium, sondern eine von der Verwaltung berufene Gruppe beschlossen – bestehend aus den Fraktionssprechern des Kreistags, Agenda-Mitgliedern aus Weilheim, dem Weilheimer Stadtbaumeister, der Landrätin und mehreren Mitarbeitern der Verwaltung des Landratsamtes. Eingangs der Sitzung bemängelte ich, dass der Kreisbaumeister und die Vertreter von der Energiewende Oberland (EWO) nicht (!) geladen waren. Die Architekten vom Büro KRUG GROSSMANN stellten ihre vier Entwürfe sehr detailliert vor. Ich will hier nun auf den mit Mehrheit beschlossenen Vorschlag eingehen, welcher unter dem Namen »Spange« diskutiert wurde und zitiere aus den Unterlagen des Architekturbüros:

»Konzept:
Das Gebäude weist eine expressive Form auf, die das Grundstück großzügig besetzt. (für mich: Extremer Flächenfraß).

Statik:
Vorteile: Bei den vorgesehenen Grundrissen lassen sich auch Gebäudeteile mit Wandscheiben gut aussteifen. Nachteile: … die konischen Flurzuschnitte führen zu unterschiedlichen Deckenspannweiten und benachteiligen etwas eine günstige Querschnittausnutzung … Ablauftechnisch ist eine Einteilung in Bauabschnitte nur bedingt möglich … Die Anordnung von Fugen ist bei der komplexen Geometrie nicht ganz einfach, aber möglich.

Lebenszykluskosten:
Vorteile: Aus Sicht der LZK lassen sich auf Basis der Bauform keine wesentlichen Vorteile identifizieren. Nachteile: … die Kosten für Betriebsführung, Instandhaltung und Sanierung sind aufgrund der komplexen inneren technischen Erschließung erhöht … zudem wird bei der Bauform das Erscheinungsbild und die Pflege der weit einsehbaren Dachflächen als Kostenrisiko identifiziert. … « (?)

Nochmals zur Verdeutlichung: Die im Sommer 2015 beschlossene »Spange« hatte ursprünglich über 30 Ecken. Nach heftigen Diskussionen wurde dann ein 23-Eck gebaut. Von den 23 Ecken sind ganze 4 (in Worten: vier) im rechten Winkel. Nicht nur wegen diesem futuristischen Grundriss gab es dann bei der ersten Debatte zu diesem Thema im Kreistag eine »lebhafte« Diskussion. Einige hatten wegen der Bauform Bedenken und bezweifelten deshalb die Einhaltung der prognostizierten Baukosten. So auch ein Kreisrat und Bürgermeister aus Wildsteig, der mit einem Brief an alle Kreisräte und Bürgermeister nachlegte. Hier einige Auszüge daraus: „Ich habe leider den Eindruck, dass das Kreistagsgremium zunehmend erlahmt und zu sehr der Landkreisverwaltung vertraut … ich muss in dem Punkt klar widersprechen, dass ein asymmetrisches Gebäude in dieser Größenordnung keine Mehrkosten verursacht … und sehenden Auges den Landkreis mit samt den Städten und Gemeinden finanziell an die Wand fahren … Ich frage mich, wo die mahnende Hand unseres Kreiskämmerers Norbert Merk bleibt …“ – soweit J. Taffertshofer. Doch zügig gingen die Planer ans Werk und genauso zügig explodierten die Kosten: von 30 Millionen € ging es rasant auf 45, um dann nach einem halben Jahr Planung bei rund 80 Millionen € (inklusive Bauplatz, PV-Anlage, Stellenmehrungen u. a.) zu landen. Inzwischen jedoch hatte unser besagter Kreisrat und Bürgermeister auf wundersame Weise die Seiten gewechselt und rechtfertigte sich wieder schriftlich: „ … der große Wermutstropfen der Kostensteigerung hat sich durch entsprechende Nachverhandlungen schon erheblich relativiert, da sich die Zuschussquote von ehemals 34 % auf aktuell 55 % erhöht hat.“ Unerklärlicherweise wird halt manchmal ein Paulus zum Saulus, denn auch Zuschüsse sind Steuergelder!

Vier Jahre lang versuchte ich mit meiner Fraktion dagegenzuhalten. Vor allem mein Freund und damaliger Bürgermeister von Wessobrunn, Helmut Dinter, unterstützte mich enorm. So hatten wir gleich zu Planungsbeginn unsere wesentlichen Forderungen als Antrag eingereicht: schulische Anforderungen sind zentral, einfacher Baukörper mit klaren Linien, konventionelle Massiv- bzw. Holzständer-Bauweise, Ziegeldach statt Flachdach, hoher energetischer Standard (Vorbildfunktion), Lebenszykluskosten, Flächenfraß minimieren, Erweiterbarkeit berücksichtigen etc. Diesen Punkten wurde im Kreistag zwar mit großer Mehrheit zugestimmt, aber in der Praxis in eine vollkommen andere Richtung weitergeplant. Genauso erging es uns mit dem Antrag, eine Baukostenobergrenze von 46 Millionen Euro festzuschreiben. Diesem wurde sogar einstimmig zugestimmt, doch »die Karawane« zog weiter. 80 Millionen stehen inzwischen zu Buche, der Beschluss wurde nie aufgehoben, „ist halt so!“? Mein politischer Ansatz war immer: Nicht bloß kritisieren um der Kritik willen, sondern dann auch Lösungsvorschläge liefern. Oft hilft ein Blick über den Gartenzaun.

Und eine Alternative zum absehbaren Weilheimer Debakel in finanzieller und ökologischer Sicht fand Helmut Dinter in Dingolfing. Hier wurde für 28 Millionen eine gewerblich-technische Berufsschule gebaut, welche vom Pressesprecher des Landratsamtes Dingolfing als die modernste dieser Art in Deutschland bezeichnet wurde. Helmut Dinter organisierte einen Besichtigungstermin in Dingolfing und ich stellte im Kreistag gleich mal die neugebaute gewerblich-technische Berufsschule als Beispiel zur Diskussion. Sonderbarerweise hatten Herr Merk und Herr Steinbach von der Verwaltung sofort zwei Gegenargumente zur Hand. Die Schule in Dingolfing sei wahrscheinlich von BMW (hat eine große Produktionsstätte in Dingolfing) gesponsert und schon deshalb nicht mit unserer vergleichbar und in Wirklichkeit sei die Schule in Dingolfing teurer als unsere. Was blieb uns also anderes übrig, als nach Dingolfing zu fahren, um die dortige Schule zu besichtigen. In Begleitung von Annemarie Bösl (2. Bürgermeisterin, Wessobrunn) und Ludwig Höfler (Bauunternehmer und ehemaliger Kreisrat der UNABHÄNGIGEN) fuhren wir los. Und siehe da, die Schule steht zu den genannten Kosten, sie ist hoch modern, bis ins kleinste Detail durchdacht, klar strukturiert und laut Aussage eines Landkreisvertreters keineswegs von BMW gesponsert. Kein Zweifel, die Schule ist »erste Sahne«. Helmut fragte den Architekten, ob er bereit wäre, die Baupläne dem Landkreis WM-SOG zu verkaufen. Darüber könne man reden, meinte dieser.

Der Architekt der Dingolfinger Schule erklärte uns seine Vorgehensweise: der Werkstattplaner sei der erste und wichtigste Akteur. Er habe einen Werkstattplan mit allen schulischen Anforderungen erstellen lassen und dazu habe er dann die Bauhülle geplant. Obwohl wir in Weilheim mitten in der Planungsphase waren, hatte ich bezüglich eines Werkstattplaners nur gehört, dass man kürzlich die »Firma KSK« beauftragt habe. Ich googelte »KSK« und fand nur die Homepage eines Küchenplanungsstudios. Ungläubig fragte ich in der nächsten Sitzung, wie und wo man etwas über unseren Werkstattplaner »KSK« finden könne. Bei mir scheine immer nur ein Küchenplaner auf. Nach einigem Herumgedruckse wurde mir von der Frau Landrätin bestätigt, dass der KSK-Küchenplaner unser Werkstattplaner sei!!! Ein paar Sitzungen später teilte uns die Verwaltung den Wechsel bei den Werkstattplanern mit. KSK sei nicht mehr unser Partner. Ein Vorgang, eigentlich zum totlachen, wenn da nicht die verbrannten Euros gewesen wären. Unserem Vizelandrat Grehl von den GRÜNEN waren die verbrannten Euros anscheinend egal. Er verteidigte die Landrätin, denn man müsse schließlich „auch mal einem Neueinsteiger eine Chance geben“. Nach unserer Erkundungsfahrt nach Dingolfing habe ich den Kreistag aufgefordert, er möge sich selbst ein Bild machen und die neue Berufsschule besichtigen. Die Verwaltung empfahl, das nicht zu tun, weil sonst unsere zeitlichen Vorgaben nicht einzuhalten seien. So blieb den Kreisräten der »Blick über den Zaun« erspart.

Eine Alternative wäre sicher gewesen, das Bauprojekt „schlüsselfertig zu vergeben“. Doch dieser Vorschlag einer Festvergabe von mir wurde umgehend vom Kreisausschuss vom Tisch gewischt: „Da kommen dann unsere heimischen Handwerksbetriebe nicht zum Zug, wenn wir einen Generalunternehmer haben“, empörte sich Kreishandwerksmeister und CSU-Kreisrat Stefan Zirngibel. Und Kreisrat W. Taffertshofer wiederholte seinen Standardappell, doch „bitte der Verwaltung zu vertrauen und nicht vom beschlossenen Weg abzuweichen“. Kürzlich konnte ich den Schongauer Nachrichten entnehmen, dass es Verzögerungen beim Baufortschritt gebe, da die finnische Dachdeckerfirma mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen habe. Das Edelstahlblech für die Dacheindeckung komme aus Brasilien und sei immer noch nicht geliefert worden. Da hat der Kreishandwerksmeister den Kreis wohl sehr weit gezogen. Ich jedenfalls zähle Finnland und Brasilien nicht unbedingt zum Einzugsbereich für unser heimisches Handwerk. Angemerkt sei noch, dass andere Kommunen und Landkreise durchaus sehr positive Erfahrungen mit einer »Festvergabe« machten, so z. B. der Landkreis Ostallgäu mit dem Gymnasiumbau in Buchloe.

Es wird also eine Berufsschule errichtet, bei der vor allem die Optik im Mittelpunkt der Planung stand. Keine Rolle spielt der exorbitante Flächenfraß. Keine Rolle spielte die Ökologie: Beton/Glas statt Ziegel oder Holz. Flachdach statt Satteldach: die hohen Sanierungskosten vom »Pfusch am Bau« aus den 1970er und 1980er Jahren sollten eigentlich eine Warnung sein. Die Vorgaben der Energieeinsparverordnung werden gerade so eingehalten, aber sicher nicht wegen der Beton/Glashülle, sondern weil das Dach mit einer PV-Anlage belegt wird. Dadurch kann eine Kompensation verrechnet werden. Niedrigenergiestandard sollte bei öffentlichen Gebäuden schön langsam selbstverständlich sein.

Ein ganzes Buch könnte man schreiben über Daten, Fakten, Begebenheiten, Machtspielchen, Geschichten – und auch Märchen. Wer mehr wissen will, kann sich gerne bei mir melden. Auch wenn die neue Berufsschule in keiner Weise dem heutigen ökologischen Standard und Klimaschutz entspricht und wenn die völlig aus dem Ruder gelaufenen Baukosten das finanzpolitische Desaster, auf welches der Landkreis zusteuert, noch verschlimmern wird: Den Lehrkräften und künftigen Schülern wünsche ich viel Erfolg beim Lernen für den Beruf und fürs Leben! Das Duale System von Schule und Berufsausbildung ist für mich nämlich weiterhin der »Königsweg« in der Berufsausbildung.

Hans Geisenberger, Sachsenried

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