Landkreis Weilheim-Schongau: Unruhe in der Kreispolitik

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Hans Schütz

Gut ein Jahr nach der letzten Kommunalwahl gibt es hinter den Kulissen der Kreispolitik immer mehr Unruhe, Unzufriedenheit und zum Teil ätzende Kritik. Vom Kreistag angefangen über die Ausschüsse bis hin zu den Bürgermeister-Dienstbesprechungen – überall wird mehr und mehr deutlich, dass sich seit der Wahl vieles ins Negative verändert hat.

Was kritische Stimmen schon vor der Wahl im Falle eines Sieges der CSU-Landratskandidatin befürchtet hatten, ist inzwischen eingetroffen. Es mangelt an einer klaren politischen Führung an der Landkreisspitze, und dieser Vorwurf wird inzwischen hinter vorgehaltener Hand auch von Mitgliedern der CSU-Fraktion bestätigt.

Besagte mangelnde politische Führung erzeugt ein Machtvakuum, das eine selbst- und machtbewusste Verwaltungsspitze im Landratsamt nur zu gerne füllt. Interessant ist dabei auch, dass die entsprechenden Akteure ihrerseits nahezu alle nicht nur ein und derselben Partei angehören, sondern in der CSU auch politisch aktiv sind. So usurpiert ein eigentlich ausführendes Organ, also die sogenannte Exekutive, entgegen der Spielregeln der Gewaltenteilung, mehr und mehr die Aufgaben der beschließenden Organe (Legislative) und degradiert diese vielfach zu einem „Abnick-Gremium“, wie es ein Kreisrat einmal zugespitzt formuliert hat.

Dazu kommt ein politisch schwacher Kreistag, der in seiner Mehrheit diese Problematik nicht erkennt und kritiklos hinnimmt, dass ihm immer mehr Entscheidungsbefugnisse weggenommen werden. Gipfel dieser Entwicklung ist dann eine Haushaltssitzung, in der über meinen Antrag zur Beibehaltung der Kreisumlage von 58 Prozentpunkten gegenüber dem Vorschlag von 56 Prozentpunkten des Kreiskämmerers erst gar nicht abgestimmt wird, weil die übergroße Mehrheit einem schnell dazwischen geschobenen Antrag von Michael Asam (SPD) auf Nichtbehandlung zustimmt, und der Kreistag sich somit seines wichtigsten Entscheidungsinstruments – nämlich der Haushaltsabstimmung – selber beraubt. Selbst aus den Reihen der früher einmal als besonders kritisch eingestuften Grünen gab es dafür interessanterweise eine Zustimmung. Politische Selbstkastration nannte das Hans Geisenberger (Unabhängige), eines der besonders kritisch eingestellten Mitglieder des Gremiums danach kopfschüttelnd.

Mittlerweile entwickelt die neue politische Führung im Kreistag, weitgehend unterstützt von den größten Fraktionen, immer ausgefeiltere Methoden, um das Heft nicht mehr aus der Hand geben zu müssen, wobei so manches durchaus auch schon im alten Kreistag teilweise zur Anwendung gekommen war.

  • Da ist zunächst einmal das Bestreben, möglichst viele anstehende Sachverhalte möglichst lange in den Schubladen zu lassen, um so längere politische Diskussionsphasen vor Entscheidungen, oder gar Transparenz den Wählerinnen und Wählern gegenüber, erst gar nicht entstehen zu lassen. Eine Vorgehensweise, die auch vielen Stadt- und Gemeindechefs durchaus bekannt vorkommen dürfte.
  • Um wichtige Entscheidungen im gewünschten Sinne vorzubereiten, gibt man auch oftmals sündteure Gutachten in Auftrag (zum Beispiel Schulgutachten, Sozialraumanalyse), wobei der Auftragnehmer selbstverständlich weiß, was letztlich im Sinne des Auftraggebers als Ergebnis festgestellt werden soll. Für Institute, die hier einmal den Fuß in der Türe haben, übrigens ein gefundenes Fressen. Und wer setzt sich dann mit den hunderten von Seiten, den zahlreichen Tabellen und Grafiken so intensiv auseinander, dass er gewollte oder ungewollte Fehler bzw. Fehlinterpretationen entdecken kann? Und wenn solche fundierte Kritik vorgetragen wird, wer kann ihr folgen, ja wer will sie überhaupt hören?
  • Vor Entscheidungen im Kreistag oder in den Ausschüssen werden auch immer häufiger langatmige juristische Stellungnahmen und Expertisen vorgetragen, die Sachverhalte so darstellen, dass angeblich keine Entscheidungsfreiheit mehr gegeben sei, und man alternativlos den Vorschlägen der Verwaltung zu folgen habe. Mitunter wird  auch die Zuständigkeit der Gremien a priori in Frage gestellt, um zum Beispiel unliebsame politische Stellungnahmen von vorne herein abwürgen zu können, oder gar der Teufel der finanziellen Haftung an die Wand gemalt. Dabei ist klar, dass die Kompetenzen eines Kreistages klar geregelt und somit begrenzt sind. Aber der Kreistag ist auch ein politisches Gremium, das selbstverständlich über den eigenen Wirkungskreis hinaus politische Resolutionen, Aufforderungen an übergeordnete Parlamente und Regierungen und politische Willenskundgebungen (zum Beispiel Resolution gegen TTIP) beschließen, veröffentlichen und weiterleiten kann.
  • Immer mehr Tagesordnungspunkte und somit auch Abstimmungen werden nichtöffentlich behandelt. Dabei gäbe es eigentlich ganz klare Voraussetzungen für nichtöffentlich zu behandelnde Inhalte (Personalfragen, Bauvergaben) und – im Zweifelsfalle immer der Nichtöffentlichkeit vorzuziehen – das demokratische Prinzip der größtmöglichen Transparenz dem Wahlvolk gegenüber.
  • Als äußerst problematisch stellt sich auch die Auslagerung von Zuständigkeitsbereichen in landkreiseigene Gesellschaften dar (Krankenhaus GmbH, EVA GmbH). Hier kann der Kreistag zum Beispiel beim Thema Kreiskrankenhäuser oftmals nur noch Entscheidungen des geheim tagenden Krankenhausaufsichtsrats zur Kenntnis nehmen, die er dazu noch meist aus der von wem auch immer besser informierten Presse entnehmen muss. Obwohl nicht, zu spät oder nicht sachgerecht informiert, werden Kreisrätinnen und Kreisräte zudem von Bürgerinnen und Bürgern angegangen, nach dem Motto: „Was habt jetzt ihr da wieder für einen Schmarrn beschlossen!“

Ähnliche Vorgehensweisen wie hier für den Kreistag beschrieben, werden auch immer häufiger von Teilnehmern der Bürgermeister-Dienstbesprechungen moniert. Auch hier wird über mangelnde politische Führung und über obrigkeitshörige, intransparente Vorgehensweisen (Beispiel Asylproblematik, G7-Gipfel) geklagt. Konkrete Beispiele für die hier vorgetragene Kritik gäbe es viele. Zwei davon seien hier noch stellvertretend erwähnt:

  • In Schongaus Papierfabrik sollten Verbrennungsversuche mit BauhM-Material der Erbenschwanger Restmüllkompostierungsanlage ohne öffentliche Diskussion und Transparenz durchgeführt werden. Eine entsprechende Intervention durch die Umweltinitiative Pfaffenwinkel und durch mich wurde zunächst empört als Anmaßung und unerwünschte Einmischung zurückgewiesen, ehe man dann doch ein bürgerfreundlicheres Vorgehen umsetzte, das dann im Übrigen zu aller Zufriedenheit ausgefallen ist.
  • Bei einer Bürgermeister-Dienstbesprechung im Vorfeld des G7-Gipfels wurden von der Landkreisverwaltung Anweisungen aus dem Innenministerium vorgetragen, wie man es den zu erwartenden Demonstranten besonders schwer machen oder Demonstrationen bzw. Demonstrantencamps ganz verhindern könne. Als ein Bürgermeister daraufhin an die Öffentlichkeit ging, kam es zu empörten Reaktionen.
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