
Personen: Hilde und Martin Rassweiler und Richard Keller auf einer Bank am Philosophenweg hoch über Garmisch-Partenkirchen
R: Wenn man da hinunterschaut und sieht, wie sich der Autostrom Richtung Mittenwald und Fernpass teilt, dann könnte man doch glatt meinem Nachbarn Horner Recht geben, der beim letzten Stammtisch so nebenbei gemeint hat, dass zu viele Menschen die Erde bevölkern.
H: Da ist er nicht der Einzige, der so denkt und redet, Richard.
M: Soweit ich mich erinnere, kam dieser Gedanke schon in den siebziger Jahren auf, als wir gut ein Drittel weniger waren als heute.
R: Da hast du wohl Recht, Martin. Seither gelten zwei Kinder pro Paar als erstrebenswertes Ideal.
H: „Pro Paar“, das klingt hochgradig unsympathisch. Herrgott, Männer, wir können uns doch nicht in einen Rahmen pressen lassen!
R: Die halbe Welt hat sich ja auch nicht darum geschert, Hilde, und deswegen stehen wir heute bei etwa neun Milliarden.
M: Und so verhungern gegenwärtig mehr Menschen als je zuvor.
R: Dieses Drama spielt sich vor allem in Regionen ab, wo die Zeugung von Kindern unter unsagbar schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen, chaotischer politischer Führung und niedrigem Bildungsstand erfolgt.
H: Ja, Richard, das ist sicher ein gewichtiger Punkt, wenn man das Bevölkerungswachstum ins Auge fast. Doch ein zweiter ist, dass auch neun Milliarden Menschen gut auf unserer Erde leben können, wenn die Landwirtschaft bzw. die Lebensmittelproduktion umgestellt wird, wenn wir ein bescheideneres Leben anstreben, und wenn auf dem Globus der Schwerpunkt in der Wirtschaftswelt auf das gemeinsame Überleben von uns allen verlagert wird. So äußerte sich zumindest erst kürzlich ein Professor von der LMU München im Schloss Elmau.
R: Hilde, das passt gut zur Seminararbeit von meinem Enkel Samuel. »Insekten als Nahrungsmittel – eine Proteinquelle der Zukunft« hat er sie überschrieben. Auf der Basis von Forschungsarbeiten aus allen Erdteilen konnte Samuel belegen, dass man Insekten als ein äußerst nachhaltiges Nahrungsmittel sehen kann und dass sie darüber hinaus dem Fleisch in fast allen Belangen überlegen sind. Für zwei Milliarden Menschen sind Insekten schon heute tägliches Nahrungsmittel, schreibt er am Schluss.
M: Für mich wär’ das nix, Richard. Aber mir ist schon klar, dass wir unsere Ernährung allein aus Umweltgründen umstellen müssen, dass vor allem der Konsum und damit die Produktion von Fleisch deutlich reduziert werden muss.
H: Übrigens, während der Diskussion hat es der Professor gewagt darauf hinzuweisen, dass auch Überernährung und Bewegungsmangel – eine Folge des modernen Lebens – weite Teile der Welt kennzeichnen. In Elmau trifft sich ja immer unsere Topgesellschaft, die in aller Regel nicht zur Askese neigt, und so war die Erwähnung dieses Tatbestandes auch dort durchaus angebracht.
R: Angebracht sicher, Hilde, aber wahrscheinlich wirkungslos. Damit zeigst du aber auch auf, wie irr unsere Welt inzwischen läuft; auf der einen Seite der Hungertod, und auf der anderen Überernährung und Oberschichten im totalen Überfluss.
H: Ja, Richard, das ist wirklich irr. Und so freut es mich ganz besonders, dass dein Enkel und ein Professor von der LMU an einem Strang ziehen, dass der Schulterschluss zwischen Jung und Alt der Welt vielleicht bald eine neue Richtung geben könnte.
Guggera
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