Zur EHEC-Diskussion: Giftige Keime

„Stellen Sie sich mal vor, in deutschen Imbissbuden fingen sich jedes Jahr 500 bis 600.000 Menschen eine Infektion ein, und bis zu 15.000 der Betroffenen würden jedes Jahr daran versterben. Da müsste das Gesundheitsministerium doch dringend vor dem Besuch von Imbissbuden warnen. Oder?…

Die Boulevard-Presse würde sich überschlagen mit Meldungen über Imbiss-Vampire mit ihren Killer-Buletten, und Tag für Tag würden die größten Fritteusen-Ferkel und Frikadellen-Verseucher auf der Titelseite an den Pranger gestellt. Zum Glück ist ein solches Szenario völlig unrealistisch. Denn für Imbissbuden gibt es gesetzliche Hygienevorschriften, deren Einhaltung von staatlichen Kontrolleuren überprüft wird. Denn auf keinen Fall würde es die Öffentlichkeit hinnehmen, wenn sich jedes Jahr derart viele Menschen in ein- und derselben Einrichtung eine potenziell tödliche Infektion einfangen würden. Oder doch?

Kommt vielleicht auf die Einrichtung an. Um Sie mal kurz zu beunruhigen! Es gibt tatsächlich einen Ort in Deutschland, an dem sich seit Jahren jedes Jahr 5 bis 600.000 Menschen eine Infektion einfangen, die in bis zu 15.000 Fällen pro Jahr tödlich endet. Und nein, es sind nicht die Bahnhofstoiletten oder die Hinterzimmer von Fixerstuben – es sind die deutschen Krankenhäuser! Und ja, das Phänomen ist seit Jahren bekannt. Aber anders als bei Gurken und Sprossen kommt bei dem Thema seltsamerweise keine Panik auf. Wir reden immerhin von 40 Toten am Tag durch Keime, deren Herkunft und Brutstätten das Robert-Koch-Institut ganz genau kennt. Denn auch wenn man ein Leben wie Gott in Frankreich längst durch ein Leben wie Keime im Krankenhaus ersetzen müsste, kommt niemand auf den Gedanken, vor dem Besuch von Krankenhäusern zu warnen. Oder sagen wir mal so: Hätten die Gurkenbauer und Verkäufer einen Doktortitel und trügen weiße Kittel, hätte die Branche keine Absatzprobleme gehabt. Denn obwohl seit Jahren bekannt ist, dass sich ein Großteil der Krankenhaus-Infektionen verhindern ließe, wenn sich die Ärzte an einfachste Hygieneregeln hielten, gibt es keine reißerischen Artikel über das Chefarztferkel von der Todesstation oder den Handwaschmuffel auf Killervisite. Aber jetzt will die Regierung die Laufzeiten der Krankenhausbetreiber verkürzen. Letzte Woche hat sie ein Hygiene-Gesetz für deutsche Krankenhäuser beschlossen. Kein Scherz! Auch wenn es absolut unglaublich klingt. Der Gesundheitsminister sieht sich gezwungen, den deutschen Krankenhaus-Ärzten per Gesetz vorzuschreiben, sich an einfachste Hygiene-Regeln zu halten. Denselben Ärzten, die seit Jahren jammern, dass die angemessene Versorgung der Patienten bedroht ist, wenn die Arzthonorare nicht erhöht werden. Wie wäre es mit einer Handwasch-Prämie, liebe Regierung! Am besten gleich als Chefarzt-Zuschlag!“

VOLKER PISPERS am Dienstag, 14. Juni 2011 (aus der Kolumne »BIS NEULICH«)
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