Ernährungskultur heute – Unsere Ernährung als Kreislauf (1)

Florian Reistle Koch, Diätassistent und Heilpraktiker, Weilheim

Florian Reistle
Koch, Diätassistent und Heilpraktiker, Weilheim

Die großartige und völlig kostenlose Arbeit der Natur

Die Ernährung verhält sich wie ein Chamäleon: je nach Blickwinkel schillert sie in den unterschiedlichsten Farben. Eine Vielzahl an Unstimmigkeiten, entgegengesetzten Meinungen und verschiedensten Empfehlungen begegnen uns hier. Diverse Diäten überbieten sich mit den unterschiedlichsten Gesundheitsempfehlungen und Abnehm-Erfolgen. Unter diesem Gesichtspunkt werden Lebensmittel meist in »gut« und »schlecht« eingeteilt. Es entsteht daraus ein einschränkendes und rigides Bild der Ernährung. Unbeachtet bleiben aber oft viele weitere Aspekte. Auch gesundheitliche, soziale, ökologische, koch-künstlerische, ethische und geschmackliche Gesichtspunkte können hinzugenommen werden. Jedoch türmt sich schlussendlich alles zu einer Frage auf, zu der jeder eine eigene Antwort finden muss: Was soll ich nun essen?

Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, können wir unsere »Chamäleon: Ernährung« als einen Kreislauf mit verschiedenen Stationen betrachten. Er beginnt mit Anbau, Aufzucht und Ernte des Produktes. Es folgen der Transport bzw. die Weiterverarbeitung der Waren. Daraufhin erfolgt der Verkauf der Waren. Nun kommen wir als Verbraucher ins Spiel. In der Schlacht an den Einkaufsregalen landet eine Auswahl an ausgesuchten Lebensmitteln im Käfig unseres Einkaufswagens. Innerhalb der Möglichkeiten unserer Kochkultur werden diese dann zu Hause zubereitet und in einem nächsten Schritt verzehrt. Anschließend bemerken wir an uns mehr oder weniger positive Wirkungen; fühlen uns erfrischt und voller Tatendrang oder eher müde und erschöpft. Im weiteren Verlauf übergeben wir die Überreste einer Toilette unseres Vertrauens. Mit dem Anbau beginnt alles wieder von vorne.

Der Blick auf diesen Kreislauf lässt vor unserem inneren Auge ein ganz anderes Bild entstehen, als es uns Diäten vorzaubern. Die Betrachtung der einzelnen »Ernährungs-Stationen« führt unsere Aufmerksamkeit zunächst einmal weg von uns selbst. Wir bemerken die großartige und völlig kostenlose Arbeit der Natur. Viele Tage des Wachstums und der Reife vergehen mit Sonnenschein, Wind und Regen. Die tatkräftige Begleitung dieses Werdens durch zahlreiche Mitmenschen ist dafür Voraussetzung. Wie viele Hände müssen sich rühren, bis eine Mahlzeit auf unseren Teller kommt?

Zu welchem Schluss können wir nun für unsere eigene Ernährung kommen? Für eine bewusste Ernährung ist die überlegte Lebensmittelauswahl zwar grundlegend wichtig, aber nicht das einzige Kriterium. Bewusste Ernährung wird hier mehr als eine innere Haltung verstanden. Nicht allein uns selbst und unsere Bedürfnisse können wir bemerken, sondern auch die vielfältige Vorarbeit unserer Mitmenschen und der Natur. Können wir diese natürliche Fülle bei unseren täglichen Mahlzeiten bemerken, ergibt sich eine heitere, lebensbejahende Ordnung.

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