Sind unsere Eliten schizophren oder »nur« kaputt?

Herwarth Stadler

Herwarth Stadler

Benedikt Herles hat mit seinem neuesten Buch »Die kaputten Eliten, ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen«, eine harsche Abrechnung mit den Eliten von BWL/VWL vorgelegt. Ich bin der Meinung, dass da eher ein Vergleich mit dem Krankheitsbild der Schizophrenie angestellt werden könnte:

Da wissen oder könnten die Eliteangehörigen seit vier Jahrzehnten wissen, dass das Ende der Fahnenstange »Wirtschaftswachstum« in vielen Einzelbereichen zu Beginn dieses 21. Jahrhunderts erreicht worden ist; wenn auch auf Grund der Preisgestaltung weitere Ressourcen-Lagerstätten dem Markt zugängig werden – am Gesamttrend hat sich dadurch nicht viel geändert. Auf Fachleute-Ebene werden international Reduzierungspläne erarbeitet und vertraglich vereinbart – und Frau Merkel, unsere »Mutti«-Kanzlerin, setzt zugunsten der uneinsichtigen profitgierigen deutschen Autolobby für diese Sonderregelungen in der EU durch. Da geistert im Kleingedruckten durch die Presse die Meldung, dass wir anstatt bei der notwendigen CO2-Reduzierung (unter die 1990er Menge) voranzukommen eine Ausweitung feststellen müssen. Unsere Presse bringt in Szenarien auch die Auswirkung/Folgen als kurzlebige Sensation und mit vielen Fragezeichen versehen unter das Volk; die Entscheider (Eliten) gehen fast kommentarlos drüber hinweg und fühlen sich nicht gezwungen, jeder in seinem Verantwortungsbereich endlich auch erste konkrete Schritte in Richtung Wende zu tun.

Da redet man sich heraus, es könnte Gewinne einbrechen lassen, vor allem aber koste es Arbeitsplätze – und schon knickt die Politik ein. Wie wäre es, wenn man per Gesetz festschreibt, dass die Regelarbeitszeit von 40 Stunden je Woche pro Kalenderjahr um 1 Stunde vermindert wird? Und Überstunden nicht ausbezahlt werden dürfen, sondern in Freizeit abgegolten werden müssen? In Erinnerung sei in diesem Zusammenhang gerufen, dass im gültigen Arbeitszeitgesetz seit Jahrzehnten immer noch die »48« steht.

Einer fehlinterpretierten Marktwirtschaftsideologie glaubt man schuldig zu sein, dass die Vermögenden 10 % unserer Gesellschaft ein Freilos für Gewinnmaximierung auf Kosten der Fleißigen 90 % abonniert hätten. Da glaubt man sogar, die Mathematik aushebeln zu können, indem man einfach nicht wahrhaben will und anerkennt, dass Zinseszins jede Geldordnung auf Dauer zu zerstören in der Lage ist und dass der Ruin der Mainstream-Wirtschaftsordnung bereits begonnen hat. Die weltweit über 400 Wirtschaftskrisen der vergangenen zwei Jahrzehnte betrachtet und analysiert man einfach getrennt voneinander – und schon lässt sich leugnen, dass es sich um die größte Wirtschaftskrise aller Zeiten handelt und dass das am etablierten (pseudo nobelpreiswürdigen?) Wirtschaftssystem liegen muss.

Da in unseren Bildungseinrichtungen (von der Hauptschule über die Gymnasien bis zu den Hochschulen und Universitäten) seit über 40 Jahren das selbständige kritische Denken nicht mehr verpflichtend gelehrt wird, der ökonomische Druck nur mehr Kurzausbildungszeiten (Bachelor und Master) belohnt, rennen unsere Eliten mit Scheuklappen durch den beruflichen Alltag. Die moderne Technik lässt keine Erholungszeiten bei den arbeitenden Menschen mehr zu, weil man auch nach Feierabend vom Arbeitgeber/Vorgesetzten erreichbar ist. Und wer traut sich schon – im Hinblick auf eigene Karrierechancen – das (Betriebs-)Handy rechtzeitig nach eigenen Bedürfnissen abzuschalten? Oder gar die Mittagspause »für ein halbes Stündchen in der Sonne sitzen, die Seele baumeln lassen« zu verlängern? Freiberufler könnten es, tun es jedoch nicht, auch wenn die Gesundheits-Fachleute nachweisen, dass man anschließend besser drauf ist und sogar die Gesamtlebenszeit in Gesundheit merkbar verlängert wird.

Ist das nun falsch ausgebildet beziehungsweise Ehrgeiz getrieben »kaputt« oder wider besseren Wissens »schizophren«?

Hört man sich um, dann finden viele Einzelne, „…dass es so nicht weitergehen kann!“, man aber kein Rezept hat, wie es besser gemacht werden könnte. Wegen der allgemeinen Ratlosigkeit gepaart mit der Hoffnung, dass es schon nicht so schlimm kommen werde, tut man nichts und lässt alles so falsch weiterlaufen, wie es ist: Zug der Lemminge in den Abgrund.

Ich bin der festen Überzeugung, wenn die vielen Einzelnen sich wirklich umdrehen würden und mit den eigenen Füßen eine neue Richtung einschlagen, in der sie lernend vorangehen (Versuch und Irrweg), dann würde das wie ein Signal wirken können und Nachahmer finden, die auch ihre eigene Zielrichtung ändern, Vorbilder abgeben und so letztendlich vor den Augen ihrer Nachkommen bestehen, weil sie es wenigstens mit mehr oder weniger Erfolg versucht haben, einen der vielen vorhandenen Zukunftspläne umzusetzen, um die heraufziehende Katastrophe zu mildern.

Herwarth Stadler
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