
Personen: Simon Mayer (68) und Hans Hornung (71) beim sonntäglichen Frühschoppen im Gasthof Stern in Peißenberg
H: Grüß dich, Simon.
S: (schaut von einer Zeitung auf) Ja grüß dich, Hans. Spät bist dran, hast verschlafen?
H: Na, aber wie ich auf unsere Straß hinausgeh, kommt die Nachbarin gelaufen und sagt, dass sie sich ausgesperrt hat.
S: Du hast also helfen können.
H: Ja, es hat aber gedauert, Simon. Dir war ja Gott sei Dank nicht langweilig, wie ich seh, du hast ja was zum Lesen.
S: Die Frankfurter Allgemeine von gestern, die lag da drüben auf der Bank. Du, und im Wirtschaftsteil bin ich auf einen ganz extrigen Artikel gestoßen. „Wohin dreht unser Kompass?“ ist er überschrieben.
H: (nachdem er sich ein Weizen bestellt hat) Geht es in dem Artikel um unsere Wirtschaft oder ums ganze Land?
S: Du, der Gastkommentator hat fast die ganze Welt im Auge und meint, dass die Menschheit seit Langem in die verkehrte Richtung läuft, und dass ihr Kompass, respektive seine Nadel, demnächst einen Mordsschwenk hinlegen wird.
H: Mich laust der Affe, Simon. Sowas in der Frankfurter Allgemeinen, du, da bin ich aber platt.
S: Ich auch. Wir zwei, Hans, denken und reden von falscher Richtung ja schon lange, aber dass diese Zeitung (legt sie zusammen) so daherkommt, das ist schon erstaunlich.
H: Du, in welche Richtung lässt denn der gute Mann die Nadel drehen?
S: Er sagt gleich am Anfang, dass die Natur für den Schwenk sorgen wird und meint, dass der Mensch mitgehen und sich ihr beugen wird.
H: Herrje Simon, dieser Kommentator erwartet wohl ein Wunder.
S: Sieht ganz so aus, Hans. Wir sind Teil der Natur, denkt er unverkennbar, und wir werden deshalb auch ihre Stimme vernehmen. Wir werden akzeptieren, dass wir uns in sie einfügen müssen, dass wir nicht die Krone der Schöpfung sind, sondern nur eins ihrer Glieder, dass wir uns deshalb entsprechend verhalten müssen, wenn wir mit ihr nicht gewaltig kollidieren wollen.
H: Du, wie sollen wir denn nach dessen Meinung in Zukunft leben?
S: Der Mensch, schreibt er, hat im Verlauf von mehr als einem Jahrhundert eine Pyramide aufgebaut, die er nun schnellstmöglich von oben her abtragen muss, damit ihr Fundament nicht zerbröselt. Und er muss in Zukunft in allen seinen Lebensbereichen erheblich kleinere Brötchen backen und darf nur mehr das elementar Notwendige für sein Leben anstreben.
H: Ja glaubt denn dieser Mann, dass die Menschheit überhaupt in der Lage ist, in so eine Richtung zu marschieren?
S: Du, diesbezüglich sagt er nichts. Er belässt es dabei, dass uns die Natur von unserem bisherigen Weg abbringen und in die ihr genehme Richtung lenken wird.
H: Aber Simon, ein Teil der Menschheit will ja die Pyramide aufstocken, will neue Techniken installieren und sogar den Weltraum erobern.
S: Offenbar nimmt er an, dass die Natur das abwürgen wird.
H: Herrgott, Simon! So weitgehend und so konsequent haben wir zwei noch nie gedacht und geredet.
Guggera



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