Interreligiöser Dialog in der Krise?

Vortrag im evangelischen Gemeindehaus in Schongau

Kirchenrat Rainer Oechslen hinterfragte in seinem Vortrag auch die vorschnell gefassten Überzeugungen in einer schnelllebigen Zeit.

Rainer Oechslen, der für den interreligiösen Dialog und Islamfragen in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayerns zuständig ist, kam am 10. Oktober zu einem Vortrag nach Schongau. Er sprach zu der Frage, ob der interreligiöse Dialog zwischen Christen und Muslimen aktuell in einer Krise sei. Eingeladen hatte die Initiative Integration, der Förderverein Asyl im Oberland und die evangelische Gemeinde Schongau.

Da das Thema allem Anschein nach viele Menschen bewegt, kamen etwa 80 interessierte Zuhörer in das evangelische Gemeindehaus nach Schongau.

Kirchenrat Oechslen begann mit einem persönlichen Einstieg in das Thema. Er betrachtete zunächst die Zeit seiner Kindheit und Jugend in einem kleinen, mittelfränkischen Ort in den 1960er Jahren. Die Welt schien übersichtlich und eindeutig: Die Leute sprachen Dialekt, im Urlaub fuhr man höchstens zu Verwandten, die Religion war lutherisch-konservativ und man wählte CSU.

Diese Selbstverständlichkeiten, so führte Rainer Oechslen weiter aus, gebe es heute nicht mehr, weder sprachlich, noch politisch oder religiös. Die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die durch die Globalisierung eine ungeheure Dynamik erhalten hätten, veränderten alle Lebensbereiche.

Wie diese Entwicklung nach seiner Beobachtung auf die Menschen wirke, fasste der Kirchenrat folgendermaßen zusammen: In der Angst über das Tempo des gesellschaftlichen Wandels und in der Angst „abgehängt“ zu werden, sehnten sich die Menschen nach der Einheitlichkeit und Eindeutigkeit der alten Welt, nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, nach alten Selbstverständlichkeiten. Gleichzeitig möchte aber niemand auf sein Smartphone, den PC oder das Reisen in ferne Länder verzichten. Dass die technischen Veränderungen eng gekoppelt seien an gesellschaftliche Veränderungen, werde den Menschen immer deutlicher bewusst.

Die Reaktion sei eine Rückbesinnung auf die Bewahrung dessen, was einem selbst als wichtig erscheine. Man wolle sich selbst treu bleiben. Die Frage sei nur: Wie gelingt es, sich selbst treu zu bleiben?

Wer an dieser Stelle zu schnell und einfach Antworten auf die Probleme unserer Zeit fände, würde zum Fundamentalisten werden, so Rainer Oechslen. Und weiter: „Fundamentalismus hat nach meiner Überzeugung damit zu tun, dass man eine Wahrheit nicht erarbeitet und im Gespräch findet, sondern nur behauptet.“

An dieser Stelle betonte Rainer Oechslen die Notwendigkeit des Dialogs als Haltung der Offenheit und des Verstehenwollens. Im Dialog ließen sich die Gesprächspartner aufeinander ein, versuchten den anderen zu verstehen und beurteilten vom anderen her die eigenen Sichtweisen.

Ob sich diese Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung momentan in einer Krise befände, insbesondere im Dialog zwischen Christen und Muslimen, überließ der Kirchenrat dem Urteil der Zuhörer.

Thomas Stalter, Schwabsoien

 

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