Honduranische Volksseele (31)

Kriegerische Worte für deutsche Fußballer zeigen ein Gemisch von Bewunderung und Furcht

Teutonische Panzer beerdigt …
(nach dem Serbien-Spiel)

Was die honduranische Volksseele von ihren deutschen Kollegen hält, war bei der vergangenen Fußball-WM wunderbar zu beobachten.

Nicht nur schrieben die hiesigen »BILD«-Zeitungen (also fast alle) vom Blitzkrieg gegen die englischen Kicker, sondern titulierten in sehr kriegerischen Worten unsere Fußball-Youngsters: teutonische Kampfmaschinen, grausame Panzer, gnadenlose Artillerie…

Durch fast täglich zu sehende Kriegsgeschichten aus Hitler-Zeiten hat sich ein sonderbares Gemisch von Bewunderung für und Furcht vor Deutschland breitgemacht, das zu Fußball-Zeiten massiv an die Oberfläche schwappt.

Taxifahrer bekommen auf einmal glänzende Augen und beginnen von den deutschen Kardinaltugenden zu schwärmen – gestehen dann auch mal, dass sie von Anfang an für Deutschland waren.

Auch Fernsehkommentatoren und Zeitungsschreiberlinge betonten fast gleichlautend diese Kardinaltugenden der „teutonischen Panzer“: Sie geben nie auf, auch wenn sie am Boden liegen, kämpfen bis zum letzten Atemzug – und das diszipliniert bis zum letzten…

Da wunderte es mich dann doch, dass mir gleich zwei Kolleginnen mit einem leichten Schleier in den Augen gestanden, dass sie Philipp Lahm respektive Sebastian „Sweinsteiker“ (ist wirklich schwierig für spanische Zungen) einfach ganz toll fänden.

Dengue

Fast unbekannt ist das Dengue-Fieber in Deutschland – obwohl es hier immer mehr Menschen befällt. Wie Malaria wird es von Mücken übertragen: Impfung oder Prophylaxe gibt es nicht. Einzig Einschmieren oder Mückennetze helfen etwas. Bei einem von 10 bis 20 Fällen liegt auch Dengue hemorragico vor, eine besonders tückische Variante, die durch innere Blutungen ohne Hilfe schnell zum Tod führen kann.

Durch die massiven und lang andauernden Regenfälle hat sich die Lage hier drastisch verschlechtert: Die Hospitäler sind übervoll, die Medikamente gehen aus.

Nun soll doch tatsächlich etwas gegen die Plage unternommen werden: Fumigacion sprich Ausräuchern. Wird aber wohl nix werden – denn dafür ist auch kein Geld da. Also bleibt es wohl bei den wohlgemeinten Aufrufen in der Presse, kein Wasser als Brutbecken der Mücken stehen zu lassen.

Letztlich werden sich die Todesraten in den ärmeren Stadtteilen häufen, denn die haben nicht die notwendigen Mittel – von Schutzcremes bis zu Moskitonetzen – um sich zu schützen. Dazu kommt häufig noch die Mangelernährung – es werden wohl noch einige Hunderte dran glauben müssen.

Sequestro …

… heißt Entführung auf spanisch: normalerweise ganz weit weg.

Doch vor 2 Wochen kam Zenia, unsere Personalchefin mit Tränen in den Augen in die Arbeit. Ihr Primo (Cousin) Miguelito, neun Jahre alt, sei entführt worden. In Cantaranas, einem kleinen Ort etwa 50 km nördlich von Tegucigalpa. 3 Millionen Lempiras (etwa 125.000 Euro) sei die Lösegeldforderung, meinte sie. Alle Familienmitglieder seien unterwegs, um Geld zu sammeln, teilweise auf der Straße, meist in der Familie.

Gestern dann kam der kleine Miguelito unbeschadet frei: es seien wohl 600.000 Lemps bezahlt worden, von den Entführern keine Spur.

Ob denn die Familie irgendwie bekannt gewesen sei, oder auffällig, fragte ich Zenia. Nein, ganz normale Verhältnisse, nicht ganz arm, Mittelklasse.

Mir zeigt es, dass ich auf mein Töchterchen noch ein wenig besser aufpassen muss als gedacht …

Reinhard Böttger,
Tegucigalpa, Honduras
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