IMK untersucht Effekt der Steuerpolitik seit 1998

51 Milliarden Euro Mindereinnahmen durch Steuersenkungen

In den vergangenen zwölf Jahren sind die Steuern kräftig gesunken. Das trägt weitaus stärker zum Staatsdefizit bei als die Ausgabenentwicklung, zeigen Untersuchungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Über 51 Milliarden Euro – so viel würden Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr mehr an Steuern einnehmen, wenn noch die Steuergesetze von 1998 gälten. Das haben IMK-Steuerexperte Achim Truger und der Berliner Finanzwissenschaftler Dieter Teichmann errechnet. Trotz hoher Ausgaben durch die Wirtschaftskrise wäre das öffentliche Defizit also selbst 2010 überschaubar – wenn der Staat nicht in der vergangenen Dekade auf hohe Einnahmen verzichtet hätte.

Vor allem die rot-grüne Einkommensteuerreform mit deutlicher Senkung der Spitzensteuersätze hat durchgeschlagen, zeigen die Forscher in ihrer Steuerschätzung. So sehr, dass die Einnahmen selbst 2007, nachdem die Bundesregierung die Mehrwertsteuer erhöht hatte, um rund 20 Milliarden Euro unter dem Niveau von 1998 blieben. Die für Kapitaleigner günstige Abgeltungsteuer, die Unternehmensteuersenkung und die Entlastungen, welche die große und dann die schwarz-gelbe Koalition in der Krise beschlossen, haben den Abstand noch vergrößert. Dabei stimulierten die Steuersenkungen das Wachstum nur mäßig. Unter dem Strich blieb somit ein deutlicher Einnahmeausfall.

Kaum zu den finanziellen Problemen beigetragen hat hingegen die Entwicklung der Staatsausgaben, betonen die Forscher: Von 1998 bis zum Beginn der Finanzkrise 2008 erhöhten sich die gesamtstaatlichen Ausgaben im Jahresdurchschnitt nominal lediglich um 1,4 Prozent. Real, nach Abzug der Preissteigerung, schrumpften sie sogar um 0,2 Prozent pro Jahr. Damit sei Deutschland international „nach Japan »Vize-Weltmeister« in sparsamer Ausgabenpolitik“. Freilich eine Zurückhaltung mit ausgeprägten Nebenwirkungen, warnt das IMK. So sind die öffentlichen Investitionen in der Bundesrepublik auf nur noch etwa anderthalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken. Bei den Infrastrukturinvestitionen rangiert Deutschland im EU-Vergleich weit hinten.

Eine Haushaltskonsolidierung allein durch Ausgabenkürzung hält das IMK daher für aussichtslos, Steuererhöhungen seien unumgänglich. Die könnten aber verteilungs­politisch sinnvoll und für die Konjunktur weitgehend unschädlich gestaltet werden. Dazu empfehlen die Forscher eine Anhebung des Einkommensteuertarifs für hohe Einkommen, eine höhere Erbschaftsteuer, die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine Finanztransaktionssteuer, notfalls im nationalen Alleingang. Zudem könnten unsinnige Ermäßigungen bei der Mehrwertsteuer gestrichen werden, beispielsweise der kürzlich gesenkte Steuersatz für Hotelübernachtungen.

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