„Konzentrieren wir uns endlich wieder auf die Hauptprobleme“

Jürgen Arnold, Oberhausen

Das dachte ich mir, als ich den letzten OHA gelesen hatte. Einmal mehr die diffusen Ängste vor Einschränkungen der Demokratie, weil man Kinder zu Vorbeugung gegen schwere Krankheiten impfen muss (Sarah Michel), das prominenteste Opfer der Covid-19-Pandemie die Demokratie sein könnte (Irmgard Deml), oder das Misstrauen gegenüber den Leitmedien (Sigi Müller).

Sorry, ich fühle mich gut informiert mit Abo von täglich taz, und am Wochenende SZ und monatlich vom OHA. Sorry, mir sind Masken lästig, aber sie erscheinen mir notwendig, um die Pandemie klein zu halten. Sorry, mir sind die Clowns mit hohem Unterhaltungswert, die die Pandemie leugnen, wie anfangs Johnson oder Bolsonaro, oder sie heldenhaft besiegten – wie der tägliche Alleinunterhalter Trump – keine Vorbilder, die für demokratische Werte eintreten, indem sie Masken ablehnen oder Maskenträger als Feiglinge abqualifizieren – eher bauen sie unter dem Deckmantel persönlicher Freiheiten Demokratie ab. Sorry, für mich ist Drosten kein Wissenschaftler der Regierung, sondern ein ernsthafter Wissenschaftler, der um die Wahrheit ringt und immer dann, wenn bisherige Thesen widerlegt sind, seine eigenen Empfehlungen variiert. Kritiker und Besserwisser ändern ihre Meinung offenbar nie. Robert Kennedy jun., der mit dem großen Namen seines Großonkels um Aufmerksamkeit ringt, verbreitet – sorry Sigi – auch jenseits der Leitmedien zitiert, ziemlich wirres Zeug und bei David Claudio Siber ist es nicht viel anders.

Aber wollen wir ehrlich sein, auch die konfusen Theorien selbsternannter Expert*innen, die OHA schwerpunktmäßig meint verbreiten zu müssen (danke Jessica Grimm, dein Artikel ist der Lichtblick des letzten OHA), kreisen teilweise, aber zu diffus um den Hauptwiderspruch, der unsere Demokratie wirklich bedroht: die immer krasser auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich, die widerwärtigen Profitinteressen, die ihre Lobbyisten mitten in der Regierung haben. Die Automobilindustrie schlägt ihren Pfosten in Form von Scheuer, die industrielle Landwirtschaft in Form von Glöckner direkt in die vom Volk gewählte Regierung und gefährden die Demokratie mehr als die von den Schreiber*innen bejammerten Corona-Maßnahmen. Für die Pharma- und Waffenlobby sowie viele andere Lobbyinteressen der Industrie gilt das Gleiche. Bill Gates pflanzt uns keine Chips beim Impfen ein, er ist auch nicht zu kritisieren, weil er 12,12 % des Etats der WHO finanziert, sehr wohl aber, weil er und seine Kumpane Großverdiener von Google, Amazon und Apple keine Steuern bezahlen.

Bedroht wird die Demokratie allenthalben durch diese widerwärtige Macht- und Finanzinteressen, nicht durch ein paar einschränkende Maßnahmen gegen eine weltumspannende Pandemie: Umweltzerstörung, Abbrennen des Regenwaldes, Vermüllung der Ozeane, die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Nord und Süd, das sind die Probleme. Am Zwergenaufstand in zweifelhafter Begleitung (Attila Hildmann!) gegen vernünftige Maßnahmen teilzunehmen, lenkt, meine ich, von den wirklichen Problemen ab.

Jürgen Arnold, Oberhausen

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1 Kommentar

    • Renata Bergfeld, 87650 Baisweil auf 10. März 2021 bei 15:00
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    Sehr gut formuliert, Herr Arnold – ich kann Ihnen voll und ganz beipflichten! Einigen in Wirtschaft und Politik kommt es sicher sehr gelegen, dass die Menschen sich mit Corona-Maßnahmen beschäftigen müssen und sich in ideologischen Grabenkämpfen rund um die Pandemie verzetteln, wobei wirklich drängende Probleme wie Klimaschutz aus dem Focus geraten. Hoffentlich gibt es nicht ein böses Erwachen nach Abklingen der Pandemie!

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