Schongau: Erschließungssatzung vorerst nicht angepasst

In diesen Zeiten des Umbruchs will der Stadtrat die aktuelle Entwicklung abwarten

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Irmgard Schreiber-Buhl

Die momentan gültige Erschließungsbeitragssatzung der Stadt Schongau wurde letztmals am 20.12.1988 geändert. Der Erschließungsbeitrag ist eine vom Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigten oder Gebäudeeigentümer zu entrichtende Kommunalabgabe, mit der die Kommune die Erschließung eines Grundstücks, insbesondere eines Bau­grundstücks, finanziert. Erschließungsbeiträge werden vom Grundstückseigentümer erhoben, wenn sein Grundstück zum ersten Mal von einer fertiggestellten Straße erschlossen wird.

Bundesweit – und daher auch in Bayern – gehen die Kommunen mittlerweile aufgrund einer Rechtslücke im Baugesetzbuch (BauGB) dazu über, auch solche Straßenanlieger mit so genannten „fiktiven Erschließungsmaßnahmen“ zu überziehen, deren Grundstücke nicht in einem neu erschlosse­nen Baugebiet liegen. Häufig wird behauptet, die Anlage war noch nicht fertiggestellt, obwohl die Anlage nebst Teileinrichtungen nach der Verkehrsauffassung seit Jahrzehnten in bestimmungsgemäßem Gebrauch ist. Solche fiktiven Erschließungsmaßnahmen werden meist für Grundstücke erhoben, die an langjährig bestehenden und gut ausgebauten (teilweise hunderte von Jahren alten) Straßen liegen. Der einzige Grund für die Erhebung dieser Abgaben ist der, dass die Grundstückseigentümer seit Bestehen des BauGB im Jahre 1960 noch nicht zu Erschließungsbeiträgen herangezogen wurden. Der eigentliche Sinn der Erschließungskostenbeiträge nach BauGB – nämlich die Erschließungskosten für neue Baugebiete zu 90 % auf die Anlieger umzulegen – wird dabei konterkariert, weil nämlich nichts neu erschlossen wird.

Da derzeit im Landtag über die Modalitäten zur Abschaffung der Strabs sowie auch über die höchst umstrittenen fiktiven Erschließungsbeiträge heftig diskutiert wird, stellte Nina Konstantin, Fraktionssprecherin der Alternativen Liste Schongau (ALS), in der letzten Stadtratssitzung einen Geschäftsordnungsantrag. Sie sprach von  „einer möglichen Verunsicherung der Bevölkerung“ und bat um Vertagung dieses Tagesordnungspunktes, bis der Landtag in dieser Sache eine Entscheidung getroffen hat. Der Antrag wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt.

Im Gremium gab dann vor allem der § 16 der Mustersatzung (siehe Kasten im Anhang!) Anlass zu Diskussionen. ALS-Stadtrat Gregor Schuppe bat um eine Erklärung, was damit genau gemeint sei. Die Antworten dazu waren jedoch wenig konkret. Stadtrat Dr. Zeller sprach beschwichtigend von einer „redaktionellen Überarbeitung“, der städtische Sachbearbeiter Liebermann erklärte gar, dass „niemand Befürchtungen haben muss, dass ihm in die Tasche gegriffen wird“. Andererseits wies er auf die Verantwortung der Stadträte hin, die bei irgendwelchen Widersprüchen oder Klagen auf die Nase fallen würden. Als ein „Unding“ bezeichnete Paul Huber (CSU) diese Anpassung und Stadtrat Michael Eberle (CSU) sagte abschließend: „Die letzten eineinhalb Jahre haben wir das nicht gemacht. Wenn ich gewusst hätte, dass sich diese Mustersatzung auf die Novelle des Kommunalen Abgabengesetzes von 2016 bezieht, hätte ich gleich beim Geschäftsordnungsantrag mit der ALS gestimmt.“
Der Antrag auf Anpassung der Erschließungsbeitragssatzung wurde nach einer längeren Diskussion mehrheitlich abgelehnt. Nur 9 von 23 anwesenden Stadträten stimmten dafür.

Die »Allianz gegen Straßenausbaubeitrag« (ihr gehören inzwischen 160 Bürgerinitiativen an) und der »Allgemeine Verein für gerechte Kommunalabgaben in Deutschland (AVgKD)« machen die CSU sowie den neuen Ministerpräsidenten Söder, die Staatsregierung und den ganzen Bayerischen Landtag schon heute darauf aufmerksam, dass sich die fiktive Erschließung zu einem Problem von ähnlicher Wucht in ganz Bayern entwickeln werde, wie das beim Strabs-Thema derzeit der Fall sei.

Irmgard Schreiber-Buhl

 

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