Wie wär’s mit ein paar guten Vorsätzen für 2017?

Auf ein Wort … liebe genervte, erschöpfte und gestresste Mitmenschen:

Wie wär’s mit ein paar guten Vorsätzen für 2017?

Wenn ein alter Mann, wie ich, sich zu unschönen Begleiterscheinungen des digitalen Zeitalters äußert, ist Vorsicht geboten: „Schon wieder so ein Opa, der uns weismachen will, dass früher alles besser war!“ Keine Angst, ich bin eigentlich keiner von der Sorte, ich habe einen Laptop, Internet-Anschluss und ein Mobiltelefon. Ich kann Mails schreiben, bin (wenn ich es will) überall und jederzeit erreichbar, betreibe online-banking, buche Fahrkarten öfter via Internet, informiere mich über Kinoprogramme und schaue mir bisweilen in der Mediathek verpasste Sendungen an. Das finde ich recht praktisch und es macht mir das Leben leichter. Ich habe aber weder einen Twitter- noch einen Facebook-Account, auch kein WhatsApp, kein Smartphone mit einer App, die mich alle paar Minuten mit »Breaking-news« („Hat Dieter Bohlen eine Neue?“) aufschreckt. Ich komme auch ohne »Smart Home« und ohne eine Uhr aus, die meine Schritte oder die vereinnahmten Kalorien zählt.

Nun gibt es genügend Menschen, die offenbar glauben, ohne all diese Errungenschaften nicht überleben zu können. Ich sehe sie ja überall: An der Bushaltestelle, in der Tram, im Restaurant, auf der Straße, im Park – mit glasigen Augen auf ein winziges Display starrend, mit hastigen Fingerbewegungen eine Nachricht simsend und sich mit Kopfhörer im Ohr wie in einem Kokon über belebte Marktplätze schiebend, ohne jeden unmittelbaren Kontakt mit ihrer Umgebung.

Wahrscheinlich hätte ich mich mit solch kritischen Bemerkungen nicht an die Öffentlichkeit gewagt, wenn meine älteste Enkelin (Anfang 20) mir nicht kürzlich ihr Leid geklagt hätte: Sie sei genervt, sie hätte einfach zu viele FreundInnen, dauernd piepse ihr Smartphone, alle Augenblicke wolle jemand wissen, warum sie noch immer nicht auf die SMS geantwortet habe, die vor 5 Minuten an sie geschickt worden sei. Und pausenlos sei sie damit beschäftigt, lästige Pop-ups wegzudrücken, sie könne oft noch nicht einmal einen einzigen Satz in Ruhe lesen. Da fragte ich mich in der Tat, ob das Leben früher nicht doch einfacher gewesen ist …

Wenige Tage später fiel mir das Buch von Alexander Markowetz, »Digitaler Burnout« in die Hände (Droemer-Verlag, sehr spannend und lesenswert!). Der schreibt: „Wir begeben uns in einen Zustand der immer kürzeren Sinneinheiten, der pausenlosen Unterbrechungen und des ständigen Abgelenktseins. Diese antrainierte Aufmerksamkeitsstörung treibt uns kurzfristig an die Grenzen unserer Belastbarkeit. (…) Sie behindert damit nicht nur unsere Produktivität, sondern zerstört unser gesamtes Lebensglück.“ Laut Markowetz haben Langzeitstudien gezeigt, dass jede(r) durchschnittlich zweieinhalb Stunden täglich (!) mit dem Smartphone verbringt, in der Altersgruppe von 15 bis 35 ist der Anteil noch deutlich höher.

Macht euch das mal klar: 2,5 Stunden am Tag, etwa 18 Stunden in der Woche, fast 80 im Monat, knapp 1000 Stunden im Jahr!  Liebe Leute, weit mehr als einen Monat im Jahr (die Nächte eingerechnet) verbringt ihr mit eurem Smartphone, mit ihm sind viele von euch inniger, länger und öfter in Kontakt als mit einzelnen Menschen!

Was könnte man/frau stattdessen mit all der Zeit anfangen! Zum Beispiel: Die Welt mit allen Sinnen wahrnehmen, Freunde treffen, Bücher lesen, träumen, spazieren gehen, sich auf das Leben einlassen, nachdenken, zur Ruhe kommen …

Weniger Digitalisierung würde auch bedeuten, weniger Sendestationen und damit weniger Strahlenbelastung, willkommener Nebeneffekt einer Rückbesinnung auf die reale Welt. (Siehe hierzu auch das großartige Gedicht von Eva Weber, »Gedanken einer Elektrosensiblen« im OHA vom Dezember 2016!)

Wolfgang Fischer
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