Aus meinem Tagebuch 12/2023

In den letzten Monaten dieses Jahres war ich auch mit der Archivierung der OHA-Druck-Ausgabe beschäftigt, die 40 Jahre lang von Januar 1981 bis Dezember 2021 jeden Monat erschienen ist. Dabei ist mir nochmal so richtig klar geworden, wie viel ehrenamtliche Arbeit, Zuwendung und Energie in diesen Blättern steckt. Ich habe auch festgestellt, dass mein monatliches Tagebuch bereits seit Oktober 1998 im OHA zu finden ist.

Beim Durchblättern der 481 OHA-Exemplare werden natürlich viele Erinnerungen wach. Ich habe darüber nachgedacht, welche dieser Erinnerungen für die heutige Zeit am besten geeignet sein könnte und bin dabei auf die Stadtratswahl am 18. März 1990 gestoßen. Ich wurde damals erstmalig als einziger Kandidat der neuen Gruppierung »Alternativen Liste Schongau/Die Grünen« in den Stadtrat gewählt. Im Interview mit einem Redakteur der Schongauer Nachrichten zum Wahlergebnis gab der damalige 1. Bürgermeister Luitpold Braun bekannt, dass bei dieser Kommunalwahl „erstmals eine extremistische Gruppierung in das Stadtparlament gewählt wurde“. Niemals hätte ich damals gedacht, dass ich in diesem Gremium fünf Wahlperioden bis 2020 durchhalten würde. Das verdanke ich insbesondere natürlich all denen, die mich unterstützt haben sowie auch dem Umstand, dass meine Arbeit im Stadtrat zunehmend auch anerkannt wurde.

Solche und andere üble, bösartige Diffamierungen haben sich zur Ausübung von Macht inzwischen im politischen und gesellschaftlichen Gegeneinander massiv verstärkt. Dies bestätigt u. a. auch der emeritierte Psychologe und Buchautor Prof. Dr. Rainer Mausfeld, der sich schon lange mit der neoliberalen Ideologie, der Umwandlung der Demokratie durch die Eliten und deren psychologischen Techniken der Meinungslenkung beschäftigt. Diese Entwicklung ist in unserer Bundesrepublik immer öfter erkennbar. Insbesondere wenn sich neue politische Strömungen bzw. Parteien zur Wahl stellen und vom Volk auch gewählt werden, wird ihnen einfach – wie zum Beispiel der AfD – die demokratische Struktur von den etablierten Parteien abgesprochen.

Mit Blick auf die derzeit kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und im Gazastreifen ist immer wieder eine ziemlich einseitige Positionierung der regierenden »Ampel-Parteien« und der sogenannten »Leitmedien« festzustellen. Andersdenkende werden gnadenlos diffamiert. Wie das organisiert werden kann, haben die Corona-Zwangsmaßnahmen in einer bisher noch nie dagewesenen Form gezeigt.

Als ich neulich in einem Interview von Sahra Wagenknecht hörte, dass sie sich für soziale Gerechtigkeit, für Frieden, für eine Entspannungspolitik und für die Meinungsfreiheit einsetzen will, sind mir wieder ein paar Begriffe zur Diffamierung neuer Gruppierungen eingefallen: extremistisch, rechtsradikal, undemokratisch, rassistisch, antisemitisch, sexistisch, faschistisch, … Sich dagegen zu wehren, wird viel Kraft und Ausdauer verlangen.

Wie »kriegstüchtig« müssen wir noch werden? Dieses von unserem beliebtesten Politiker und Verteidigungsminister Boris Pistorius geschaffene Schlagwort »kriegstüchtig« wird uns ins neue Jahr begleiten. Wir brauchen ja unbedingt mehr Wehrhaftigkeit und einen Mentalitätswechsel. Wir müssen einfach lernen, dass »kriegstüchtig werden« der einzig richtige Weg aus unserer friedensbewegten Komfortzone sein kann. Darum weg mit der alten Floskel: »Frieden schaffen ohne Waffen!« Die Botschaft fürs neue Jahr lautet also: »Wir müssen kriegstüchtig werden und noch mehr Waffen zur Verteidigung in Kriegsgebiete liefern!«

Sigi Müller, Schongau

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1 Kommentar

    • Siegfried Klar, 82362 Weilheim auf 30. Dezember 2023 bei 17:35
    • Antworten

    Als die Grünen noch grün waren, voller Idealismus und pazifistisch …
    Harte Zeiten für »Selbstdenker«!

    Gemeinsam mit meiner Frau habe ich in den gestrigen späten Abendstunden das heurige Sommerkonzert des »Walzerkönigs« André Rieu auf mich wirken lassen. Das ging unter die Haut, Gefühlstimulanzien am Hirn vorbei. Zusammenfassend gesagt: Eine sehr gelungene Musik-Show-Inszenierung zum Wohl der Menschen. Man könnte es auch eine punktgenaue »Positiv-Manipulation« nennen, Tränen und Glücksgefühle generierend.

    Die Parallelen zur »Negativ-Manipulation« drängten sich mir auf. Wie leicht doch Inszenierungen auch zum Leid der Menschen missbraucht werden können. Wenn durch Hasserzeugung und Feindbildaufbau versucht wird, Menschen für Machtinteressen einzuspannen. Vor allem schreckliche Bilder, die dem auserwählten »Feind« einseitig unterstellt werden, sollen das nüchterne Nachdenken unterlaufen und ausschalten. Prof. Mausfeld* nennt diese Taktik »Empörungsmanagement«. Eine sehr effektive Methode für Kriegs-Architekten Fanatismus zu schaffen und Köpfe für ihre Kriege zu gewinnen.

    Vom Faschismus (s. facere) ist bekannt, dass von den Akteuren versucht wird, alle »Aufgebrachten« unter einer Ideologie zu bündeln, die den Eigeninteressen aber nicht den betroffenen Menschen dient. Wer denkt eigentlich heute darüber nach, was dieser Begriff bedeutet, wenn er ihn benutzt? Und ist der benannte Faschist tatsächlich einer oder soll er nur ablenken von anderen oder wahren Faschisten? Dann wird’s kompliziert und weniger eindeutig. – Ähnlich verhält es sich mit selbsternannten Demokratie-Rettern. Wer sind die, halten sie einer Überprüfung stand oder benutzen sie die Vokabel in ihrem Sinne für Machtinteressen und Ausgrenzung von Kritikern, bzw. »Konkurrenten«? (Prof. Mausfeld: »Demokratierhetorik wird für Herrschaftszwecke missbraucht.«)

    Und die politisch eingebetteten Medien machen sich die Meinungslenkung zu eigen anstatt die Politik zu hinterfragen. Stigmatisierungen und Diffarmierungen sind (wieder) probate Mittel der Ausgrenzung und Demokratie-Spaltung. (Wenn schließlich Viele den rechten Arm erheben, kann diese Geste ja wohl nicht so falsch sein. Der Vergleich mit Lemmingen scheint nicht zufällig.) – Die Bezeichnung »Systemmedien« (s. S. Müller) trifft wohl am ehesten den gegenwärtigen Zustand der vormals »Vierten Säule der Demokratie«. Im deutschen Journalismus haben sich von der Politik gestützte Influenzer etabliert. Selbstdenker werden von den eingebetteten Journalisten zunehmend als Störer empfunden und mit geschickter Wortwahl ausgegrenzt. Stattdessen wird ein Bild erzeugt, das nicht der Wahrheit entspricht und fremden Interessen dient. Dabei pendeln sie auf einem Grat zwischen PR* und Lüge. Auslassungen sind auch Lüge und Manipulation. Schwer durchschaubar für Laien, die von den Profis eigentlich eine objektive Berichterstattung erwarten.

    Am stabilsten sind wohl Systeme, welche die Mehrheit der Menschen demokratisch hinter sich versammeln können. Deshalb gehört zum obersten Gebot die entsprechende Aufklärung, oder aber eine PR* mit eingebettetem Journalismus, der mehrheitlich »manipulierte Demokraten« generiert. Man könnte dann von einer »manipulierten Demokratie« sprechen.

    »kriegstüchtig werden« …
    Das Adjektiv »kriegstüchtig« lässt sich nach meiner Auffassung auch auf den brutalen Propaganda-Krieg anwenden, mit dem die Menschheit derzeit überzogen wird. Nie war er so perfektioniert wie heute. Wer sich im Krieg befindet, will oder fühlt sich gezwungen Propagandamethoden anzuwenden, um sich einen Vorteil gegenüber dem Konkurrenten oder »Feind« zu verschaffen. Der Anwender nennt das dann gerne auch PR*, weil’s harmloser klingt. Eben wie in der harmlosen Produktwerbung. Wir können uns von ihr leiten lassen oder uns ihr entgegenstellen. Aber erst wenn wir die Propaganda durchschaut haben, sind wir m. E. »mental kriegstüchtig« und können freier wählen: Krieg oder Diplomatie.
    Wie wär’s mit: »Frieden schaffen mit mentalen (Verteidigungs-) Waffen!«?

    Ich wünsche mir, dass meine Mitmenschen in den zunehmenden Herausforderungen des Neuen Jahres besonnen handeln und wünsche allen OHA-Lesern einen guten Start ins Jahr 2024.
    mfg. S.K.

    *Biografie von Prof. Mausfeld:
    https://www.westendverlag.de/kommentare/zerstoererische-folgen-der-entgrenzung-von-macht-in-kapitalistischen-demokratien/

    **PR: public relations ~ “Öffentlichkeitsarbeit” (Propaganda)
    oder: “Management der öffentlichen Kommunikation”

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