Die kommunale Bürgerstiftungseuphorie

»Privatisierungsdruck erreicht auch Schongau«

Weil wir die Gründung einer kommunalen Bürgerstiftung mit Steuergeldern der Stadt abgelehnt haben, ist neulich im Stadtrat eine heiße Debatte darüber entstanden, ob mit Steuergeld eine private Bürgerstiftung unter Federführung der Kreissparkasse gegründet werden soll.

Die Kommunen befinden sich in einer schier ausweglosen Zwickmühle. Sie sollen nicht nur ihre Pflichtaufgaben erfüllen, sondern auch vielfältige freiwillige Leistungen für das Gemeinwesen erbringen. Andererseits ist in den kommunalen Kassen bei ständig steigenden Ausgaben immer weniger Geld, um (so wie früher einmal!) die Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge bewältigen zu können.

Als Lösung werden in letzter Zeit vermehrt Privatisierungsmodelle propagiert. Das geht über Private Public Partnership (PPP) bis zu der jetzt auch in Schongau be­schlossenen »Öffentlich-Gemeinnützigen-Projektpartnerschaft«, dem sogenannten ÖGP-Modell. Wer Gutes tun will, kann sein übrig gebliebenes Geld in diese Art »Kommunale Bürgerstiftung« einzahlen und damit auch seine Steuerlast reduzieren. Dieses private »Steuersparmodell« für Bürger mit Vermögen wird ergänzt durch Steuergelder der Kommune, die ja bekanntlich von allen Steuerpflichtigen stammen und dann in einer Stiftung privat angelegt werden.

Der Aspekt, dass mit dem Steuersparmodell für Bürger mit Vermögen und der Einlage städtischer Steuergelder in einen »Privatfonds« Gutes für Schongau getan werden kann, hat die Fraktionen von CSU, SPD und UWV mit Begeisterung erfüllt und mit Überzeugung zur Zustimmung gebracht.

Uns von der Alternativen Liste hat diese euphorische Stimmungslage allerdings nicht erreicht. Wir geben ja gerne zu, dass diese neue Struktur vordergründig verlo­ckend für Kommunen klingt. Aber hinter der attraktiven Fassade steckt die erkennbare Absicht, die kommunalen Strukturen weiter zu schwächen. Zwar kann der Stadtrat mitbestimmen, wer in der Kommunalen Stiftung das Sagen haben soll. Aber die Mehrheit der Vertreter in der kommunalen »Bürger«-Stiftung ist nicht von den Bürgern gewählt, bestimmt aber unter Umständen über sehr viel Geld. Stifter mit großem Vermögen, nicht der gewählte Stadtrat, bestimmen über die zu fördernden Einrichtungen.

Die kommunale Unterstützung zur Unterbringung privater Finanzmittel führt nach Auffassung kritischer Journalisten wie Harald Schumann schnurstracks in die demokratische Sackgasse, die er wohl zu Recht mit Blick auf die reichste Stiftung Deutschlands, die Bertelsmann Stiftung, als „Macht ohne Mandat“ bezeichnet. Was auf den ersten Blick wie Förderung des Gemeinwohls aussieht, entpuppt sich beim näheren Hinschauen als Förderung der ohnehin schon prekären kommunalen Finanzschwäche.

Dass Kommunen mit ihrer Beteiligung an der »Vermögensoptimierung« privater Anleger genau an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen, hat sich leider noch nicht herumgesprochen.

Noch zwei Denkanstöße:

  • Wiedereinführung der Vermögensteuer: NEIN DANKE!
    Einer Gruppe von Millionären, die sich für die Wiedereinführung der Vermögensteuer zur Finanzierung staatlicher Aufgaben einsetzt, wird von den Privatisierer-Lobbyisten empfohlen, ihr Geld lieber steuermindernd in Stiftungen anzulegen.
  • Mehr Erbschaftssteuer zur Finanzierung staatlicher Aufgaben: NEIN DANKE!
    In Deutschland werden pro Jahr etwa 200 Milliarden Euro vererbt, in den letzten zehn Jahren waren das etwa 2 Billionen Euro (Quelle: Deutsches Institut für Altersvorsorge). Aber anstatt damit die Finanzierung staatlicher Aufgaben zu sichern, wird auch hier zur »Vermögensoptimierung« seitens der Banken vorgeschlagen, die leistungslos zugeteilten Milliarden doch lieber in Stiftungen unterzubringen.

Und zu guter Letzt:

„Der Staat hat Geld wie Heu. Er verplempert es nur in Bereichen, aus denen er sich besser raushalten sollte.“

Guido Westerwelle, FDP-Politiker, in vielen Medien, u. a. in BILD-ONLINE
Sigi Müller
Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar

Bitte bleiben Sie sachlich. Beiträge mit beleidigenden oder herabwürdigenden Inhalten oder Aufrufen zu Straftaten werden ebenso gelöscht wie solche, die keinen Bezug zum Thema haben. Ein Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht!

Es wird Ihr Vorname, Nachname und Wohnort veröffentlicht. Straße, E-Mail-Adresse und Website bleiben unveröffentlicht.