»Euro-Rettung« – Berlins dreiste Zockerei

Conrad Schuhler vom Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e. V. (isw) über die Eurokrise

Die Existenzkrise des Euro hat drei Gründe.

Erstens die „volkswirtschaftlichen Ungleichgewichte“ zwischen den Euro-Ländern. Deutschland, Luxemburg, Niederlande und Finnland haben beträchtliche Exportberschüsse und die Problemländer Griechenland, Portugal, Italien, Spanien und Frankreich haben zum Teil gewaltige Handelsdefizite. Die vier Überschussländer haben den Defizitländern Kredite ber 630 Milliarden Euro Kredite gewährt, damit diese die Waren aus den „wettbewerbsstärkeren“ Ländern bezahlen konnten. (…)

Zweitens erleben wir beileibe keine Krise des Sozialstaats, dessen angeblich zu hohe Kosten nun ihren Tribut fordern würden. Die Staatsquoten – der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt – sind in allen Euro-Staaten von 1980 bis 2008 gesunken, und erst im Jahr der Lehman-Pleite in die Höhe geschnellt, aber nicht, weil die Sozialausgaben gestiegen wären, sondern weil man die Banken „retten musste“. Nicht „wir“ haben über unsere Verhältnisse gelebt, sondern der Masse der Bevölkerung wurden die Verhältnisse ständig verschlechtert, während die Reichen immer reicher wurden, ihre Steuerlast immer geringer, ebenso wie ihre Lust, in die Realwirtschaft zu investieren, weil die Profite dort begrenzter waren. Die Massennachfrage blieb zurück, weil die Masseneinkommen im Verhältnis zur Produktivität ständig zurückblieben. In den einzelnen Euro-Ländern sank die Lohnquote von 1990 bis 2010 um durchschnittlich 10 Prozentpunkte. (…) Während die Bruttolohn- und -gehaltssumme sich in Deutschland seit 2000 kaum verändert hat, sind die Gewinne und Vermögenseinkommen real um über 40 Prozent gestiegen. (…)

Drittens stehen wir vor einer anhaltenden und sich beschleunigenden Euro-Existenzkrise, weil die Politik in ihren führenden Gestalten nichts weiter ist als ein willfähriger Ausschuss zur Bedienung der Interessen der Finanzmärkte. Im Zusammenspiel von Ratingagenturen, globalen „Investoren“ – deren größte übrigens die Haupt-Eigentümer der Ratingagenturen sind – und Großbanken wurde die Treibjagd auf immer mehr angeblich marode Staaten eröffnet, deren Zinsen in die Höhe getrieben und die Wetten auf den Absturz dieser Staaten eröffnet. Die deutsche Regierung wie die übrigen aus EU und Eurogruppe wiederholen immer wieder, man müsse das „Vertrauen der Märkte“ wiedergewinnen. Das heißt nichts anderes, als dass man die Staaten zwingt, ihre Völker zu massakrieren, um Kredite und Höchstzinsen bezahlen zu können. Und es heißt, dass die Bahn zum endgültigen Crash des Euro und damit des Europa, wie wir es kennen, noch abschüssiger wird. 1 Billion Euro müssen die Euro-Staaten an Schulden bezahlen, zusätzlich müssen die Euro-Banken allein 2012 mehrere hundert Milliarden Euro an Refinanzierungsmittel aufbringen. (…) Die Völker verarmen, die Staaten brechen zusammen, nichts blüht mehr außer den Zinsen. (…)

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