In Zeiten des Corona-Virus

Das System unserer Werte, Wirtschaft und Politik droht zu zerbrechen

Quarantäne-Welt im Hamster-Modus – breit gefächertes Allerei im Angebot … (Montage: Sigi Müller)

Untergraben war es ja schon längst – unser so »erfolgreiches« kapitalistisches Wirtschaftssystem. Unsere »westliche Lebensart«. Man wusste es, hat aber »oben« wie »unten« einfach weitergemacht: mit immer mehr halsbrecherischen Konstruktionen neue Wirtschaftsrekorde »erarbeitet«, privatisiert was nur geht, das BSP auf Teufel komm raus gesteigert.

Immer neue Wirtschaftsrekorde wurden verkündet, über die Verhältnisse gelebt, Marktanteile, unter (bzw. jenseits) aller Vernunft und Erkenntnisse gerafft. Gewinne, Dividenden, Boni Jahr um Jahr … Wachstum um jeden Preis ist nötig, damit der Motor dieser Wirtschaft, sprich Weltwirtschaft (weil wir ja globalisiert verbandelt sind) – nicht stottert oder gar zeitweise ausfällt. Die »Oberen« – also Fondmanager, Banker, Vermögenstrusts, Firmenkonsortien, Wirtschaftsmagnaten – sind eine Interessengemeinschaft, die über das Wohlergehen der »Heiligen Kuh« Wachstum und deren Abkömmlingen Profit, Dividende, Rentabilität mit Argusaugen wacht. Der Seismograph für jede Unbill, Unpässlichkeiten für Gewinnaussichten oder Ausfällen von sicheren Einnahmequellen ist die Börse und die Spekulation.

Nun ist dieses »Erfolgssystem«, welches einen egozentrischen, betont individualistischen, ja oft auch narzistischen Menschentyp geschaffen hat, plötzlich mit einer weltweiten Pandemie konfrontiert, auf die niemand vorbereitet war bzw. ist. Natürlich wurde zunächst versucht, die Bedrohung herunterzuspielen (siehe Trump in USA), die Gefahren zu verharmlosen. Und China, wo diese Seuche ihren Ursprung hatte, schien ja weit weg. Aber spätestens als die Börsenkurse in den Keller rauschten, war der Ernst der Lage nicht mehr zu leugnen. Es zeigt sich nun sehr deutlich, dass nicht nur die Gesundheit, ja etliches Leben bei den 7,8 Milliarden Menschen dieser Erde gefährdet ist, sondern eine weltweite Rezession ansteht und so manche finanzielle wirtschaftliche Konstruktion folgenreich zerbrechen wird. Nichts wird mehr wie vorher sein – das ist bereits absehbar! So erleben wir Mitte März 2020 überall Schutzmaßnahmen bis zur Quarantäne, die die persönliche Freiheit wie die Reise- und Versammlungsfreiheit, ja die Bewegungsfreiheit massiv einschränken. Die Schließung der Bildungseinrichtungen, des Kultur- und Vergnügungsgewerbes, von Geschäften ist eingetreten und ein Verbot von Reisen, Messen, Sportveranstaltungen und Versammlungen aller Art ist geboten. Kurzum: das gesamte Wirtschaftsleben ist eingeschränkt, reduziert. Die materiellen Folgen: Stillstand weiter Bereiche des Geschäftslebens, der Produktion, Einstellung des Flugverkehrs (Lufthansa bis auf restliche 5 %), Stornierungen, Liquiditätsengpässe, Miet- und Pachtrückstände, Stundungen bzw. Aussetzungen von Steuerzahlungen, Kreditraten, Versicherungsbeiträgen usw. Diese Ausfälle sind nicht einfach »nachzuarbeiten« bzw. einzuholen – man kann nichts holen, wo nichts ist, das geht oft an die Existenzbasis. Und so wächst im Hintergrund der Pandemie ein gigantischer Schuldenberg, breitet sich – vorerst noch unsichtbar – ein chaotisches Feld aus von Insolvenzen, Liquidationen, überzogenen Konten, Geschäftsaufgaben, zerbrochenen Existenzen. Unvermeidbare Folgen: Schulden über Schulden, Menschen in Existenznot, Perspektivlosigkeit, Verzweiflung. Bezogen auf die Finanzwelt droht ein gigantischer Schuldenberg in einer weltweiten Eruption zu explodieren. Also sind Politik und Fachleute wie noch nie gefordert, das irgendwie nur Machbare zu leisten, in Bewegung zu setzen und konsequent durchzuziehen, um den lebensgefährlichen Druck so gut es geht zu minimieren, zu kanalisieren, abzuleiten. Aber eines ist klar: Verhindert werden kann die fällige Eruption nicht mehr. Sie kann bestenfalls in aller Einvernehmen gedämpft werden.

Inzwischen spricht man laut SZ vom »schwarzen März«. Seit Montag 9. März brechen weltweit die Aktienkurse massiv ein. Stolze 13 000 Punkte hatte der DAX am 19. Februar weit überschritten, näherte sich der 14 000er Marke – am Donnerstag den 13. März lag er nur noch knapp über 9 000 und sinkt immer weiter. Ganz ähnlich der Verlauf an der Börse in New York beim Dow Jones: 19.2.:11 900 / 13.3.: 8 708 Punkte.

Als wir am 11. März von unserem Urlaub in Kreta auf dem Münchener Flughafen landeten, überraschte uns ein ungewohntes Bild: Leere! – So leer haben wir diesen riesigen zentralen »Luftbahnhof« noch nie gesehen. Wir waren deutlich mit unserer Gegenwart direkt konfrontiert: Die Corona-Krise ist ganz klar zu einer weltweiten Pandemie gewachsen und wächst weiter. Sie ist mit Sicherheit eine akute Gefahr für die Weltwirtschaft und besonders für die von ihr stark befallenen Staaten. Mit einem Impfserum ist nicht vor 2021 zu rechnen. Ein speziell auf dieses Virus wirkendes Medikament gibt es bisher nicht. Es wird experimentiert. Darum ist es besonders wichtig, mittels Vorsorge die Bevölkerung zu schützen, um eine rasche, uns alle überfordernde Ausbreitung wirksam zu bremsen.

Das stellt allerdings ein großes Problem dar, denn kein Staat ist mit seinen Vorsorgemöglichkeiten auf eine derartige Pandemie vorbereitet. Der Katastrophenschutz aus Zeiten des Kalten Krieges, mit seinen Vorsorgemaßnahmen und Schutzmaterialien, ist bei uns z. B seit den 90er Jahren als akut entbehrliche, zu teure Einrichtung drastisch minimiert worden. So fehlt es nun an allen Ecken und Enden an Atemschutzmasken, Schutzkleidung, Desinfektionsmitteln, ausreichend medizinischen Isolationsräumen, abrufbarem medizinischem Hilfs- und Pflegepersonal etc. Vorhandene öffentliche Krankenhäuser müssen Behandlungskapazitäten auf Kosten ihrer vorgesehenen, sie finanzierenden Aktivitäten (z. B. Op’s) schaffen, während es privaten Krankenhäuser freisteht, so etwas zu tun. Die ansehnlichen Reserven, die der Sanitätsdienst der Bundeswehr für die damalige 450.000 Mann Armee bereit hielt, sind ja mit den rigorosen Einsparungen in der Bundeswehr und dem Verschleiß in 13 Jahren Afghanistan-Krieg abgebaut worden. Nun fehlt es an vielen Ecken und Enden, auch an ausgebildeten Reservisten. Es sind aus den rigorosen Sparmaßnahmen und Tricksereien im Gesundheitswesen lebensgefährliche Situationen für die Bevölkerung erwachsen. Das darf sich nicht wiederholen! Die erste Konsequenz aus der Corona-Krise: Schluss mit den generellen Einsparungen im Gesundheitswesen!

Der Bevölkerung werden jetzt Verhaltensmaßnahmen auferlegt, die unumgänglich sind, um die Infektionswelle zu strecken. Das geht bis an die Einschränkung der Grundrechte! Man kann nur hoffen, dass Einsicht und Verständnis mit der Bedrohung wachsen, keine Trotz- bzw. Verharmlosungsaktivitäten dagegen anlaufen, auflaufen – oder gar andererseits Hysterie oder Panik entstehen. Transparenz, kompetente Führung und Weitsicht ist nötig.

Folgen und Wirkungen der politischen Maßnahmen sind schwer einzuschätzen

Noch nicht absehbar – und meiner Meinung nach absolut desaströs – sind und werden die Folgen der Pandemie weltweit. Eine weltweite Rezession ist sicher. Die Frage ist nur, wie stark sie ausfällt und wie lange es dauert, bis sich die Wirtschaft wieder erholen kann. Mit bleibenden Verlusten ist zu rechnen. Zwar ist Deutschland nach guter Konjunktur und Sparpolitik relativ gut gewappnet, aber reichen wird das alles auch bei Weitem nicht. Massive Schulden müssen wohl weit jenseits von 100 Milliarden € aufgenommen werden. Es könnte in die Größenordnung eines Jahreshaushalts – oder auch zwei? – gehen! Deswegen ist mit Kürzungen, Einschränkungen, Steuererhöhungen – ja ganz neuen Abgaben zu rechnen, denn nichts kann mehr wie vorher sein. Es ist sogar zu hören, dass es wie nach dem 2. Weltkrieg sein würde – nur ohne die sichtbaren Ruinen und Verwüstungen. Ja, viele Existenzen, Firmen werden vernichtet sein, Menschen ohne Job, unfähig die hohen Mieten, eingegangenen Verbindlichkeiten (z. B. Tilgungen,Versicherungen) bezahlen zu können. Selbstverständlich kommen auch die Banken wieder in Schwierigkeiten, wenn man nur an die auf Grund der niedrigen Zinsen ausgegebenen Kredite denkt, die wohl massenweise nicht mehr bedient werden können und platzen werden. Auch jene Baulichkeiten, die in Erwartung hoher Mieten bei intensiver Nachfrage »auf Kante« finanziert wurden, kommen in Bedrängnis bis zur Pleite. Es ist illusorisch, dass der Staat bei allem guten Willen den ganzen Finanzierungsirrsinn, der vor der Pandemie geradezu selbstverständlich abgelaufen ist, refinanzieren kann und darf. Die Summen, die er aufnehmen muss, um Wirtschaft, Verwaltung und öffentliches Leben wieder in Schwung zu bringen, den 83 Millionen Bürger*innen ein auskömmliches Leben zu ermöglichen, werden gigantisch sein. Und diese Schulden werden abbezahlt werden müssen. Also werden wir alle entsprechend dazu herangezogen werden – hoffentlich in gerechter Art und Weise, ohne dass bestimmte Gruppen und Parteien querschießen, um ihr Klientel zu bedienen.

Fazit mit etwas Hoffnung


Ich wage die Hoffnung, dass aus der Erfahrung der Corona-Krise ein verständnisvolleres Miteinander wachsen wird und ein anderes Verständnis von der Aufgabe des Staates sich wieder durchsetzt.

Wolf Grabo, Weilheim

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