Meine Zeit im Kreistag von 1990 bis 2020 (Teil 2)

Die Landräte von 1990 bis 2020

(Hier geht’s zu Teil 1)

Landrat Manfred Blaschke

In meiner ersten Periode von 1990-96 war Manfred Blaschke Landrat. Das alles beherrschende Thema in dieser Zeit war die Abfallwirtschaft. Heftig umstritten war die Art der Müllbehandlung: verbrennen oder sortieren und verwerten? Hier waren sich im Kreistag fast alle einig und auch wir setzten auf sortieren und verwerten. Politischen Streit gab es aber über die Größe einer solchen Anlage. Der Landkreis wollte mit seinem Partner, dem Philipp Holzmann Konzern, eine »Mammut-Anlage« für 5 Landkreise bauen. Kostenschätzung 250 Millionen DM. Mein Freund und Kollege Werner Sporer aus Schwabbruck und ich zerlegten die Planungen hartnäckig und ausdauernd, bis die CSU/SPD-Fraktion einlenkte. Die Planungen wurden radikal abgespeckt und auf den Bedarf für unseren eigenen Landkreis ausgelegt. Gebaut wurde dann für 50 statt für 250 Millionen DM. Allerdings waren derweil Planungskosten von 43 Millionen in den Sand gesetzt. Der damalige »Macher« und verantwortliche Beamte des Landkreises, Ulrich Drost, wurde ins Bayerische Umweltministerium »wegbefördert«.

Trotz der Auseinandersetzungen um Erbenschwang bewerte ich die »Streitkultur« unter Landrat Blaschke sehr positiv. Ein Beispiel: von der Verwaltung wurden die Fraktionen um Vorschläge zur Wahl von Beisitzern im Musterungsausschuss gebeten. Obwohl wir aufgrund der Mehrheitsverhältnisse keine Chance sahen, jemanden von uns durchzubringen, bestand unser Kollege Fritz Dopfer auf Einreichung eines eigenen Vorschlages. Als der TOP von LR Blaschke in der nächsten Sitzung aufgerufen wurde, meldete sich der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Rawe zu Wort und wollte seine CSU-Kandidaten noch mündlich nachmelden. Er habe den Abgabetermin übersehen. Manfred Blaschke konterte trocken: „Termin ist Termin, die Anzahl der ordnungs- und fristgerecht eingereichten Kandidaten reicht aus, um eine Wahl durchzuführen.“ Das imponiert mir noch heute. Korrekt, fair und ohne »Gemauschel« mit seinen Partei­freunden hat Blaschke Souveränität bewiesen. Und so fand ich mich als Unterstützer der Friedensbewegung völlig unerwartet als Beisitzer im Musterungsausschuss wieder, von der CSU war demzufolge niemand dabei.

Landrat Luitpold Braun

Von 1996 bis 2008 regierte Luitpold Braun. Er rief sofort nach seiner Wahl einen rigorosen Sparkurs aus. Durch ein 5-jähriges Moratorium wurden fast alle Investitionen zurückgestellt. Wenn heute die Landrätin von einem Investitionsstau aus der Vergangenheit spricht, den man bewältigen müsse, so ist das genau genommen eine Klage über die erste Amtsperiode von LR Braun. Gekennzeichnet war Brauns Regentschaft auch durch den massiven Verkauf von »Tafelsilber«. Das ehemalige Landjugendheim in Uffing, Grundstücke und landkreiseigene Wohnungen brachten Erlöse in Millionenhöhe. Das »Feuerwerk« zündete – wie zu erwarten – nur kurzfristig. Die Sachwerte sind verscherbelt und die Schuldenlage heute schlimmer als damals. LR Braun war fachlich immer gut vorbereitet, konnte aber seine herrischen Anwandlungen des Öfteren nicht im Zaum halten. Nach dem Verkauf des Landjugendheims in Uffing stellte ich den Antrag auf eine überschaubare, finanzielle Unterstützung des Jugendhauses Kienberg am Auerberg für das Jahr 1998 oder 1999! Der kirchliche Träger stellte dem Landkreis dafür ein Belegungsrecht in Aussicht. Die Mehrheitsfraktion der CSU (34 von 60 KR) mit Landrat Braun an der Spitze fand den »Deal« zwar gut, wollte uns aber keinen Abstimmungserfolg gewähren. Der Schachzug von LR Braun war dann ein Antrag der CSU auf Ausbezahlung des Zuschusses im Jahr 1999! Unser Antrag wurde von der CSU-Mehrheit abgelehnt und ihr eigener wurde durchgewinkt. Die »Schwarzen« freuten sich diebisch, dass sie uns mit dieser Haarspalterei demütigen konnten. Positiv erwähnen möchte ich einige Personen, die bei solchen Spielchen dagegenhielten: Bei den Grünen der Albrecht Josef, die Müller Renate und der Schütz Hans. Auch bei der SPD gab es mit Uschi Schneider eine Kreisrätin, die keine Auseinandersetzung scheute. So ging es einmal hoch her, weil sie Landrat Braun einen »Diktator« nannte. Auch die Debatte über die Sanierung des undichten Flachdaches auf dem Weilheimer Hallenbad ist mir in bester Erinnerung. Ich hatte mich anstatt eines weiteren Flachdaches auf dem Flachdach für ein Satteldach ausgesprochen. Dieses war, nach den Unterlagen der Verwaltung, kostengünstiger und aus meiner Sicht auch eine dauerhafte Lösung gewesen. Doch Kreisheimatpfleger Schmidbauer war gegen meinen Vorschlag: „Geisenberger, das Satteldach schaut aus wie ein Gamsbarthut auf einem Neger.“ Damit hatte Schmidbauer seine Kollegen von CSU/SPD überzeugt. Perfekt im Sinne der CSU war auch das Zusammenspiel von Landratsamt und der »Regierung von Oberbayern« (RvO). Im Jahr 2005 stellte ich einen Antrag an die RvO, da meines Erachtens der Kreishaushalt nicht genehmigungsfähig war: Der Kreis hatte seine gesetzlich vorgeschriebenen Min­destrücklagen angegriffen. Monatelang erhielt ich weder eine Antwort noch eine Bestätigung, dass mein Antrag den Adressaten überhaupt erreicht hat. Nach einem zweiten Brief kam eine Antwort, seltsamerweise aber nicht an mich, sondern an LR Braun. Der zitierte in einer Sitzung auszugsweise aus dem Brief. Eine inhaltliche Aussage zum umstrittenen Haushalt 2005 gab es anscheinend nicht, Braun hatte dazu jedenfalls nichts vorgelesen. Johannes Thoma, Redakteur des Weilheimer Tagblattes, fragte zu diesem Sachverhalt bei der Regierung nach und bekam laut Zeitungsbericht vom Pressesprecher der RvO folgende Auskunft: Seine Behörde habe den Brief aus Sachsenried eher als „Appell oder Aufforderung denn als Bitte um Antwort verstanden“. Der Artikel schließt mit den Worten: „Übrigens, die Genehmigung zum Kreishaushalt durch die RvO ist längst erteilt.“ Mein Resümee: Nicht von ungefähr gilt die RvO bei vielen als noch schwärzer als das CSU-Generalsekretariat …

Landrat Friedrich Zeller

Friedrich Zeller (SPD) kam 2008 überraschend ins Amt. Die CSU hatte ihre absolute Mehrheit verloren und stellte zum ersten Mal nicht mehr den Landrat. Zu den verschiedenen Themen und Beschlüssen fanden sich auf einmal auch unterschiedliche Mehrheiten. Man wusste nicht schon im Voraus, wie Abstimmungen ausgehen würden. Für Zeller war es allerdings fatal, dass ihm seine SPD-Fraktion – meist angeführt von Peitings Bürgermeister und Kreisrat Asam – des Öfteren in den Rücken fiel und ihn dann achselzuckend im Regen stehen ließ. So zum Beispiel als es um die Krankenhäuser in Peißenberg und Penzberg ging. Dies führte nach meiner Beobachtung dazu, dass Landrat Zeller versuchte, möglichst viele Themen auf dem Verwaltungsweg zu erledigen.
Die Spitzenbeamten waren ob des Machtzuwachses hocherfreut. Die übergroße Mehrheit der gewählten Kreisräte nahm es klaglos hin, war sogar froh: Repräsentieren ist allemal viel weniger anstrengend als zu regieren. Ins Bild passt da auch, dass Frieder Zeller den Kreisbaumeister degradierte und einen Juristen zum Chef des Bauamtes machte. Das Signal war klar: Was rechtlich möglich ist, wird genehmigt. Für frühere Kreisbaumeister wie Udo Abels oder Alfons Rohrmoser war es wichtig, welches Gesicht der Landkreis in baulicher Hinsicht in Zukunft haben sollte. Und das lässt sich eben nicht ausschließlich auf der juristischen Schiene bewerkstelligen. Negativbeispiele sind für mich u. a. die Supermärkte in Hohenpeißenberg und Hohenfurch.

2014: Die erste Frau auf dem Thron

Landrätin Jochner-Weiß

Frau Jochner-Weiß war zuvor sechs Jahre Vizelandrätin. Der Vize wird ja oft etwas spöttisch als der »Grüßgott-Onkel« eines Landkreises bezeichnet und hat hauptsächlich repräsentative Aufgaben. Grußworte beim Hundezuchtverein, Teilnahme an Trachten-, Schützen- und Veteranenvereinsfesten und Umzügen u. v. m. führen in der Regel zu großer Beliebtheit. Da sind keine inhaltlichen Positionen erforderlich, da gibt es keinen politischen Streit.
Frau Jochner-Weiß war da sehr fleißig und hat ihre Chance auf dieser Schiene genutzt. Dieses »Erfolgsmodell« wurde nach der Wahl fortgesetzt und optimiert. Die von der Kreistagsmehrheit beschlossene Geschäftsordnung ist dafür eine gute Basis. Der Kreiskämmerer und der Personalchef regieren nun im Landkreis, die Landrätin moderiert und repräsentiert.

Hans Geisenberger, Sachsenried

Und so haben sich im Laufe meiner 30 Jahre im Kreistag die Machtverhältnisse und Zuständigkeiten zwar schleichend, aber sehr deutlich verschoben. Die ehrenamtlich gewählten Kreisräte verlassen sich gerne auf die Vorlagen und Ausführungen der Verwaltung und wahren mit den Abstimmungen nicht selten nur den demokratischen Schein. Beispiel Kreishaushalt! Zuerst teilt der Kämmerer die wesentlichen Punkte des neuen Haushaltes der Presse mit: (Höhe der Kreisumlage, Neuverschuldung, wichtige Bauprojekte usw.) Danach diskutiert die kleine Runde der Fraktionssprecher. Dann kommt der Kreiskämmerer in jede Fraktion. Alles nichtöffentlich! Dann geht der Haushalt in den Kreis und Finanzausschuss, teils öffentlich, teils nichtöffentlich. Das Ergebnis ist eine Beschlussempfehlung an den Kreistag. In meiner Anfangszeit als Kreisrat wurde der Haushalt im Kreis- und Finanzausschuss öffentlich vorberaten und dann im Kreistag nochmals von allen diskutiert und verabschiedet. Man kann allerdings der Verwaltung keinen großen Vorwurf machen, dass sie heute de facto beides in einem ist: Legislative und Executive. Die Verwaltung hat lediglich die Chance genutzt, die ihr ein mehrheitlich untertäniger Kreistag geboten hat.

(Teil 3 folgt im nächsten OHA!)

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