Pogrom in Gaza?

Foto: Maryam Sigrid Benzadi

Maryam Sigrid Benzadi

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (Artikel 1)

Das Wort »Pogrom« kommt aus dem Russischen und heißt übersetzt Verwüstung, Zerstörung, Krawall. Gemeint sind damit Übergriffe gegen nationale, religiöse oder ethnische Minderheiten.

Noch 1947 waren lediglich 5,8 Prozent der Fläche Palästinas in jüdischer Hand und die Bevölkerung bestand mehrheitlich aus den dort seit Jahrhunderten ansässigen Palästinensern. Mit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 ging eine ethnische »Flurbereinigung« einher, bei der mehr als die Hälfte der palästinensischen Einwohner vertrieben, 531 Dörfer zerstört und 11 städtische Wohngebiete von ihren Bewohnern »gesäubert« wurden.

Bei diesem Auftakt wird der Status quo nicht verwundern, und man muss die Hamas auch nicht mögen, um festzuhalten, dass es sich bei Gaza, dem Westjordanland und Ostjerusalem um von Israel völkerrechtswidrig besetzte Gebiete handelt und der bewaffnete Kampf gegen eine Besatzungsmacht prinzipiell legal ist.

Wie der israelische Journalist Gideon Levy von der Haaretz in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau schrieb, seien denn die Raketen der Hamas auch „nicht aus heiterem Himmel auf uns niedergegangen, anders, als es uns die Regierungspropaganda glauben machen will“.

Der Nahostexperte und Politikberater Dr. Michael Lüders wies auf BR 2 kürzlich darauf hin, dass die palästinensischen Bewohner der von Israel besetzten Gebiete keinerlei bürgerlichen Rechte oder Freiheiten, wie sie in einer Demokratie üblich sind, besäßen.

Entrechtung, Demütigungen und Sterben stehen für die Palästinenser schon viel zu lange auf der Tagesordnung. Die 1989 gegründete israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem (www.btselem.org) hat bestätigt, dass seit dem Jahr 2000 bis heute (Stand 06.08.2014) im israelisch-palästinensischen Konflikt mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen sind, davon ungefähr 9000 Palästinenser und maximal 1200 Israelis.

„Kindermörder Israel“ wurde auf pro-palästinensischen Demonstrationen skandiert. Das ist kein Ausdruck von Antisemitismus, sondern Spiegel einer dunklen Wirklichkeit: Statistiken des palästinensischen Informationsministeriums belegen, dass von September 2000 bis zum April 2013 1518 palästinensische Kinder durch die Besatzungskräfte getötet und 6000 Kinder verletzt wurden. Jede Woche werden also im Durchschnitt 2 bis 3 palästinensische Kinder getötet.

In dem Buch »Breaking the Silence« brechen israelische Soldaten ihr Schweigen und berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten. Jehuda Schaul, Ex-Soldat der israelischen Armee sagt: „Wenn du als Soldat einen Schritt in die besetzten Gebiete machst, dann ist das, als ob du deine Moral in den Reißwolf wirfst – nach einer Minute ist nichts mehr davon übrig.“

Am 15. Mai 2014 wurden zwei unbewaffnete palästinensische Jugendliche (Nadeem Nawara, 17 und Mohammed Salameh, 16) von der israelischen Armee erschossen. Aber hiesigen Medienberichten zufolge setzte erst mit der Entführung und Ermordung der drei israelischen Jugendlichen Eyal Yifrach, Naftali Frenkel und Gilad Shaer am 12. Juni eine Welle der Gewalt ein, die in den Gaza-Krieg mündete. Inzwischen ist bekannt, dass Nachrichten von israelischer Seite manipuliert worden sind. Als man bereits wusste, dass die Jugendlichen tot waren, wurde mit der Suchaktion »Bring Back Our Boys« die anti-arabische Stimmung im Land noch mehr angeheizt.

Am 1. Juli 2014, einen Tag bevor der palästinensische Jugendliche Mohammed Abu Khdeir von jüdischen Israelis entführt und lebendig verbrannt wurde, hat die Knesset-Abgeordnete Ayelet Shaked von der ultranationalen Partei »haBajit haJehudi« (Jüdisches Heim) – Koalitionspartnerin des LIKUD von Premier Netanjahu (also in der Regierung) –  auf Facebook geschrieben: „Sie (die Palästinenser) müssen sterben und ihre Häuser zerstört werden, so dass sie keine Terroristen mehr produzieren. (…) Das schließt auch die Mütter (…) ein. Sie sollten verschwinden, auch ihre Häuser müssen verschwinden, in denen sie ihre Schlangen aufziehen. Andernfalls werden mehr kleine Schlangen dort aufgezogen.“

247 jüdische Überlebende und Nachkommen von Überlebenden des Nazi-Genozids haben das Massaker an den Palästinensern in Gaza verurteilt: (…) „Wir sind alarmiert von der außerordentlichen, rassistischen Entmenschlichung der Palästinenser in der israelischen Gesellschaft (…)“.

Miko Peled, Sohn des israelischen General Mattiyahu Peled und Autor des Buches »The General’s Son – The Journey of an Israeli in Palestine«, stellte fest, „dass es Israel und seiner Armee seit der Staatsgründung um drei zentrale Dinge gegangen ist: Die Menschen vertreiben, das Land erobern, de-arabisieren und Palästina auszuradieren.“ Und der israelische Historiker und Autor des Buches »The Ethnic Cleansing of Palestine« Ilan Pappe bekennt offen: „Es ist nicht so, dass die zionistische Bewegung bei der Gründung ihres Nationalstaates einen Krieg führte, der »in tragischer, aber unvermeidlicher Weise« zur Vertreibung von »Teilen der indigenen Bevölkerung« führte. Vielmehr ist es genau umgekehrt: Das Ziel war die ethnische Säuberung des Landes und der Krieg das Mittel, um diese durchzuführen.“

Deshalb muss »Nie wieder« heute heißen, auch für die berechtigten Interessen der palästinensischen Kinder, Frauen und Männer einzutreten. Da stimme ich Hans Hahn (im September-OHA, S. 10) zu: Wegschauen und Schweigen machen die Welt nicht besser.

Maryam Sigrid Benzadi

Quelle 1: SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina–Israel e.V., München www.salamshalom-ev.de

Quelle 2: de-de.facebook.com/JuergenTodenhoefer/posts/10152373276475838

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