Schongau: Fast drei Jahrzehnte Stadtpolitik – »Endzeitstimmung« (3)


Dauerkampf fürs Gemeinwohl mit gerechter Steuerpolitik

Über Jahrzehnte habe ich zusammen mit der Alternativen Liste dafür gekämpft, den von der Bundespolitik völlig aus dem Ruder gelaufenen Steuersenkungswahn für große Unternehmen, sprich Kapitalgesellschaften, durch Maßnahmen, die einer Kommune zur Verfügung stehen, etwas abzumildern.

Im Jahr 2004 hat der damalige Landshuter Oberbürgermeister und Vorsitzende des Bayerischen Städtetags Josef Deimer (CSU) in seinem Beitrag »Was ist sozial gerecht?« die Entwicklung der Gewinnsteuern mit der Steuerbelastung für Arbeitnehmer und Verbraucher verglichen:

„1960 waren Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Verbrauchssteuern und Mineralölsteuer, also die Steuern der Arbeitnehmer und Verbraucher, mit 37,5 Prozent am Steueraufkommen beteiligt. Im Jahr 2002 machten die Steuern auf Arbeit und Verbrauch 79,2 Prozent des deutschen Steuerkuchens aus. Im Gegensatz dazu war 1960 der Anteil aus der veranlagten Einkommensteuer, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer und Zinsabschlag noch mit 34,7 Prozent am Steueraufkommen beteiligt. Im Jahr 2002 ist der Anteil dieser Gewinnsteuern auf 12,2 Prozent zurückgegangen.“

Josef Deimer kam bereits damals zu dem Schluss: „Den Unternehmen wurden zu Lasten der Arbeitnehmer hohe steuerliche Vorteile eingeräumt.“ Aber Deimers Mahnung aus dem Jahr 2004 an die Wirtschaftsverbände, auf diesem niedrigem Niveau nicht immer noch weitere Steuersenkungen zu fordern, blieb, wie wir heute wissen, leider unerhört.

Im Jahr 2008 wurde erneut die Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften, also für große Unternehmen, Holdings etc., erheblich gesenkt. Die Körperschaftsteuer fiel von 25 auf 15 Prozent. Allein diese Maßnahme sorgte für eine Entlastungswirkung von etwa 12,5 Milliarden Euro. Zu mehr Steuergerechtigkeit gehört, dass die Kommunen diese Steuerentlastungen bei der Festlegung der Hebesätze entsprechend berücksichtigen, um die eigene Finanzkraft zu stärken, und dabei auch die Kapitalgesellschaften mit einbeziehen. Ein Gewerbesteuer-Hebesatz von 380 % wäre für Personenunternehmen wie Einzelhändler (Bäcker, Metzger usw.) sogar von Vorteil. Aus der Darstellung des Bayerischen Gemeindetags aus dem Jahr 2009 sollten sich daher die Schongauer Stadträte wenigstens diesen Satz merken: „Die Entlastungswirkung für Personenunternehmen ist bei einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 380 % am größten.“

Einen Hebesatz von 380 % haben inzwischen Landkreisgemeinden wie z. B. Peißenberg, Peiting, Hohenfurch, Burggen, Steingaden, Bernbeuren, Wessobrunn, Wielenbach (…) sowie die Stadt Weilheim. Im Schongauer Stadtrat bekamen Befürworter von 380 % u. a. zu hören, sie seien „gierig“, wollten Unternehmen nur „schröpfen“ und die Stadt habe ohnehin „genug Einnahmen“.

Übrigens: Gab es da nicht mal eine städtische Musikschule, ein Stadtmuseum und eine Stadtbücherei, die wir uns in Schongau nicht mehr leisten können?

Sigi Müller, Schongau

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