Schongau: Fast drei Jahrzehnte Stadtpolitik – mein Ende naht (2)


Mehr oder weniger Erfreuliches & fehlende Transparenz Fazit von Sigi Müller

Rückschau auf die Strabs

Die heftigen Angriffe wegen meiner ablehnenden Haltung gegenüber der Straßenausbaubeitragssatzung vor allem in nichtöffentlichen Sitzungen – ich erinnere mich da an eine Haupt- und Finanzausschusssitzung im September 2017 – habe ich ja noch einigermaßen heil überstanden. Da hieß es doch glatt, dass wir diese Satzung – diesen „Pipifax“! – endlich einführen sollen: Ein solche Satzung mag zwar „ungerecht“ sein – so die Haltung der Befürworter – sie müsse aber beschlossen werden, damit dieses Thema endlich vom Tisch kommt. Wir, die Satzungsgegner, darunter vor allem CSU- und ALS-Ratsmitglieder, haben dem massiven Druck von Verwaltungsspitze und Landratsamt viele Jahre lang standgehalten und waren letztlich sogar durch Demos und Aufklärung »mitschuldig«, dass es diese „ungerechte“ Satzung in Bayern und darüber hinaus nicht mehr gibt.

Archivierte Transparenz?

Im August 2019 beschließt der Stadtrat mit deutlicher Mehrheit die Veröffentlichung der Bereinigung eines über viele Jahre bestehenden »Missstandes«. Die Spitze der Verwaltung entwirft dazu sogar einen Text für die Presse, aber der oberste Verwalter, also der Bürgermeister, macht dann vorher doch lieber von seinem Recht Gebrauch, den Mehrheitsbeschluss zur Veröffentlichung als rechtswidrig einzustufen.

Die Rechtsaufsichtsbehörde im Landratsamt genehmigt jedoch in etwas abgeänderter Form die Veröffentlichung und lässt ihre Entscheidung auch noch von der Regierung von Oberbayern überprüfen. Kurzum: Der Grundsatz der Öffentlichkeit nach Art. 52 GO trifft zu. Die Veröffentlichung des Sachverhalts in der vorgeschlagenen, modifizierten Form ist rechtlich nicht zu beanstanden und somit zulässig.

Offenbar »ermutigt« durch die Erläuterungen der Aufsichtsbehörde lässt der Bürgermeister in dieser Angelegenheit erneut abstimmen. Vorher wird der Stadtrat mit Schuldzuweisungen anhand einer Niederschrift aus dem Jahr 2009 konfrontiert. Wie ich durch Einsichtnahme im Rathaus später feststelle, wurden bei dieser »Einstimmung« die für mich wichtigsten Teile daraus (z. B. die Ursachen für die ehemals »falsche?« Entscheidung) weggelassen. Das erwünschte Ergebnis: Der Stadtrat spaltet sich bei der erneuten Abstimmung in »Verwaltungsspitzenversteher« und »Transparenz-Befürworter« und kippt seinen rechtskonformen Mehrheitsbeschluss vom August. Der von der Rechtsaufsicht als zulässig erklärte Anspruch auf Öffentlichkeit ist nun also nach hartnäckigem Einsatz endlich – oder doch nur vorerst? – vom Tisch.

Dass rechtmäßige Beschlüsse des Stadtrats wieder gekippt werden, damit die Öffentlichkeit nichts erfährt, hat es in meiner fast 30-jährigen Amtszeit bisher noch nicht gegeben. Angesichts dieser trotz Zulässigkeit verhinderten Transparenz bin ich jetzt kurz »vor meinem Ende« total fassungslos.

Ein weiteres Novum, das ich bei der Beschäftigung mit diesem Sachverhalt kennenlernte, war die erschwerte Einsichtnahme von nichtöffentlichen Niederschriften und Briefen. Ich musste die Einsichtnahme beantragen, sie durfte nur unter Aufsicht im Rathaus stattfinden. In der Geschäftsordnung heißt es allerdings: „Die Sitzungsniederschriften der nichtöffentlichen Sitzungen werden den Stadtratsmitgliedern auf einer gesicherten Internet-Seite zur Verfügung gestellt.“ –

Manche Räte bedauern übrigens inzwischen ihre Ablehnung der von der ALS mehrfach beantragten Informationsfreiheitssatzung. Dem neuen Stadtrat wünsche ich, dass er in der nächsten Amtsperiode ab Mai den Durchbruch schafft und die Satzung endlich einführt. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich wie immer zuletzt.

Umstrittener Gewerbesteuer-Hebesatz

Im Jahr 2016 hatte der Stadtrat das einmalige Erfolgserlebnis, den Gewerbesteuer-Hebesatz von 340 auf 380 v. H. anheben zu dürfen. Ein ganzes Jahr lang hatten wir somit einen Hebesatz wie Weilheim, Peißenberg, Peiting und mindestens weitere acht Gemeinden im Landkreis. Durch diese Entscheidung konnten wir etwa eine Million Euro mehr fürs Gemeinwohl einsetzen.

Eine Mehrheit im Stadtrat senkte aber 2017 den Hebesatz gleich wieder auf 350 v. H. und verzichtete lieber auf die Mehreinnahmen. Peter Huber (SPD) hat das Thema in der SPD-Chronik so abgehakt: Frage: „Was war dein schlimmstes Erlebnis mit der SPD?“ Antwort: „Fraktionskollegen, die bei der Gewerbesteuer-Erhöhung einknicken.“

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