Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien in krisenbelastenden Zeiten

Peter Maier Kreisrat für DIE LINKE

Am 25. Juni 2021 hat Kreisrat Peter Maier (LINKE) folgende Anfrage an die Landrätin des Landkreises Weilheim-Schongau gerichtet:

In den letzten Wochen haben einschlägige Medien von einer Zunahme physischer, sexueller und psychischer Gewalt gegen Kinder und Jugendliche berichtet.[1] Aufgrund der aktuellen Pandemiesituation und den Regeln des social distancing des letzten Jahres konnten von Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche nur begrenzt den notwendigen Schutz durch Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen und auch Erzieher*innen erhalten. Wir müssen deshalb nicht nur mit weitreichenden negativen Folgen für das Leben dieser Kinder rechnen,[2] alle Kinder und Jugendlichen insgesamt waren massiven Einschränkungen ihres täglichen Lebens ausgesetzt. Soziales Leben war teilweise nur noch über moderne Medien möglich. Schulschließungen haben dazu beigetragen und ein zusätzliches Problem für viele Kinder und Jugendliche geschaffen, die Schulstoff zu Hause nicht adäquat aufarbeiten konnten.

Der Bund möchte Kinder und Jugendliche mit einem Aktionsprogramm von 2 Milliarden Euro unterstützen, um Lernrückstände abzubauen, die Frühkindliche Bildung zu unterstützen und Freizeitmöglichkeiten zu schaffen.[3] Damit ist ein Anfang gemacht, die Summe wird aber laut Experten sicher nicht reichen, um Kinder und Jugendliche aufzufangen.

  • Wie kann der Landkreis Weilheim-Schongau seiner Verantwortung für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gerecht werden um entstandene soziale und psychische Defizite aufzuarbeiten.
  • Lassen sich Angebote für soziale Kontakte und Gemeinschaftserlebnisse vor allem für finanziell nicht so gut gestellte Familien ermöglichen?

Schulischer Bereich

Für Kinder und Jugendliche ist im letzten Jahr viel Präsenzunterricht weggefallen. Anhand von Statistiken zum im selben Zeitraum gestiegenen Medienkonsum und Bewegungsmangel von Kindern und Jugendlichen und Äußerungen von Eltern- und Lehrervertretern lässt sich bereits jetzt vermuten, dass dies deutlich spürbare Konsequenzen für die Bildungslaufbahn und die freie Entfaltung der Begabungen und Persönlichkeiten von Kindern und Jugendlichen haben wird. Vollends werden sich die Probleme erst in den nächsten Schuljahren offenbaren. Klar ist, dass eine intensive und über den Unterricht hinausgehende Unterstützung zahlreicher Kinder und Jugendlichen im schulischen Bereich nötig sein wird.

  1. Welche Möglichkeiten gibt es für Kinder und Jugendliche, (individuelle) Unterstützung dabei zu erhalten, Stoff vergangener Schuljahre aufzuarbeiten, und welche Möglichkeiten möchte der Landkreis Weilheim-Schongau schaffen?
  2. Gibt es Planungen, im kommenden Schuljahr mehr Schulsozialarbeiter einzustellen bzw. das Angebot an Schulsozialarbeit an den Schulen anzupassen?
  3. Vor der Einschulung ist eine Schuleingangsuntersuchung notwendig. Üblicherweise wird diese durch den behandelnden Kinderarzt durchgeführt. Wenn jedoch die U9 (60. bis 64. Lebensmonat) versäumt wurde, übernimmt das Gesundheitsamt die Untersuchung. Die Gesundheitsämter sind derzeit stark ausgelastet. Inwieweit ist sichergestellt, dass die Untersuchungen für diese Kinder rechtzeitig und gewissenhaft vor dem Schuleintritt durchgeführt werden können?

Sozialer Bereich

Kinder und Jugendliche haben in den letzten Monaten stark sozial isoliert gelebt. Angebote für Zusammenkünfte mit Gleichaltrigen waren ihnen so gut wie ganz verwehrt. Zwar haben Kinder und Jugendliche eine natürliche Resilienz, trotzdem brauchen viele von ihnen Unterstützung dabei, wieder im sozialen Leben anzukommen.

  1. Welche Maßnahmen plant der Landkreis in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Organisationen, damit Kinder und Jugendliche wieder und leichter soziale Kontakte knüpfen können?
  2. Welche finanziellen Unterstützungen und welche personellen Unterstützungen (zum Beispiel Fachberatungen durch Mitarbeiter des Jugendamtes) sind für Vereine, Schulen und dem Kreisjugendring geplant?
  3. Wo sieht der Landkreis Weilheim-Schongau Möglichkeiten, das Freizeitprogramm für Kinder und Jugendliche aufzustocken und an die veränderte Situation anzupassen?
  4. Welche Anregungen oder Ideen gibt es, Kinder in den diesjährigen Sommerferien umfangreich in soziale Gruppen einzubinden? Inwieweit wird das Ferienprogramm verändert?
  5. Wie möchte der Landkreis Weilheim-Schongau Vereine für Kinder und Jugendarbeit in den nächsten Monaten unterstützen, sodass ein vielfältiges Angebot besteht und die Vereine dem erhöhten Bedürfnis nach Unterstützung nachkommen können?

Qualitativer Bereich

  1. Wie unterstützt der Landkreis Weilheim-Schongau die Mitarbeitenden im sozialen Bereich in ihrer fachlichen Weiterbildung?
  2. Bietet der Landkreis Weilheim-Schongau ihren sozialen Mitarbeitern regelmäßige Supervision durch Fachpersonal?
  3. Welche Möglichkeiten haben Mitarbeitende des Landkreises Weilheim-Schongau Belastendes in einer geleiteten Intervision auszutauschen?

Bereich häusliche Gewalt und psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

Wie aus diversen Quellen hervorgeht, hat die häusliche Gewalt in der Zeit der Pandemie zugenommen. Dies dürfte auch bei Familien des Landkreises Weilheim- Schongau nicht spurlos vorübergegangen sein. Allein die Steigerung von 82,6 % bei der kriminalpolizeilichen Statistik spricht Bände.

Daraus ergeben sich folgende Anfragen:

  1. Inwieweit haben psychische Erkrankungen (zum Beispiel Depressionen, Angststörungen) Kindern und Jugendlichen im Landkreis zugenommen?
  2. Wie ist die derzeitige Personalsituation für Mitarbeiterinnen des Jugendamtes? Für wie viele Fälle ist im Schnitt ein Jugendamtsmitarbeiter zuständig? Hat die Belastung der einzelnen Mitarbeiterinnen zugenommen? Welche Maßnahmen der (psychischen) Entlastung erhalten die Mitarbeiterinnen? Ist kurz und mittelfristig geplant, die Zahl der Mitarbeiterinnen zu erhöhen und diese zu entlasten?
  3. Welche Kooperation erfolgt zwischen dem Jugendamt, Kinderärzten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, Schulen, dem Kreisjugendring und weiterenJugendverbänden, sowie weiteren entsprechenden Stellen?
  4. Welche Maßnahmen plant der Landkreis, um die oben beschriebenen Problembereiche gerade jetzt beim Abklingen der Pandemiewelle für Kinder und Jugendliche zu normalisieren und wieder zu verbessern?

Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) Welche Bereiche der Eingliederungshilfe werden durch die SGB VIII-Reform vom Bezirk auf den Landkreis Weilheim-Schongau übertragen?

Welche Bereiche der Eingliederungshilfe werden durch die SGB VIII-Reform vom Bezirk auf den Landkreis Weilheim-Schongau übertragen?
Wie werden die Eltern in diese Prozesse mit einbezogen?
Werden beim Bezirk Arbeitsplätze wegfallen und werden diese auf den Landkreise übertragen?
Wie wird das abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren umgesetzt und wer wird in das Umsetzungsverfahren mit einbezogen?

Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft, sie leiden besonders unter den Einschränkungen, die die Pandemie mit sich gebracht hat. Daher muss ihnen und ihren Bedürfnissen jetzt auch besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es liegt im Interesse des Landkreises Weilheim-Schongau, Kinder und Jugendliche zu unterstützen und ihnen zu helfen, zu starken und gefestigten Bürger*innen zu werden.


Am 10. August 2021 kam die »Nicht-Antwort« des Landratsamts 

Nach einer Entschuldigung für die späte Antwort, wird um Verständnis dafür gebeten, dass eine Beantwortung weder schriftlich noch im Kreistag möglich sei, da es sich um eine Anfrage handle, die weit über das normale Maß einer Anfrage hinausgehe.

Dazu dann noch der
„Hinweis

Gemäß Art. 23 Abs. 2 Satz 2 Landkreisordnung (LKrO) besitzt jeder Kreisrat ein Auskunftsrecht gegenüber dem Landratsamt. Die Auskunftspflicht bezieht sich dabei auf Informationen des Landratsamts als Kreisbehörde (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LKrO), nicht jedoch des Landratsamts als Staatsbehörde (Art. 37 abs. 1 Satz 2 LKrO). Das Auskunftsrecht richtet sich zudem nur gegen das Landratsamt als solches, nicht aber gegen einzelne Mitarbeiter der Verwaltung. Da der Landrat Behördenchef des Landratsamtes ist, kann das Auskunftsrecht nur ihm gegenüber geltend gemacht werden. Die Behördenleitung kann jedoch intern verbindliche Vorgaben treffen, auf welcher Ebene Anfragen von Kreisräten behandelt und letztlich beantwortet werden.Seine Grenze findet der Auskunftsanspruch nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 LKrO, wenn die Auskunft nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erfüllt werden kann bzw. kein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen dem Informations- oder Kontrollwunsch und der aus einer im gebotenen Umfang gegebenen Auskunft resultierenden politischen Reaktionsmöglichkeit besteht. So werden vom Fragerecht nicht rein theoretische oder hypothetische Behauptungen umfasst. Auch darf das Recht nicht missbräuchlich ausgenutzt werden, indem der Fragende z. B. eine allgemeine Ausforschung hinsichtlich eines Problemkreises zum Ziel hat und zu diesem Zweck eine lückenlose Darstellung oder erschöpfende Statistik über die Erledigung verschiedener Aufgaben des Landkreises begehrt. (so BayVGH vom 14.08.2008, BayVBI 2009, 214).“


Am 19. August 2021 schreibt Peter Maier nochmals an Landrätin Jochner-Weiß:

Sehr geehrte Frau Landrätin,
recht vielen Dank für Ihre Antwort (Poststempel 12.08.21) zur Anfrage vom 25.6.2021 „Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien in krisenbelastenden Zeiten“.

Sie schreiben, dass diese Anfrage weit über das normale Maß einer Anfrage hinausgeht und Sie die Anfrage nicht beantworten können. Um beiden Seiten den Arbeitsaufwand künftig zu erleichtern würde ich Sie bitten mir mitzuteilen wie viele Fragen angemessen sind bzw. wie komplex die Fragestellung sein darf.

Ihre Einschätzung, dass dieser Fragenkomplex weder die aktuellen Tagesordnungspunkte betrifft und auch keine aktuellen Tagesordnungspunkte, kann ich nicht teilen. Die Corona Pandemie ist ein fester Bestandteil jeder Tagesordnung. Ich habe zwar einen anderen Eindruck, aber sollte sich der Kreistag mit diesen Fragestellungen nicht beschäftigen, dann wäre es meines Erachtens dringend geboten diese Themen aufzunehmen.

Wie aus diversen Quellen hervorgeht, hat die häusliche Gewalt in Zeiten der Pandemie zugenommen. Allein die Steigerung von 82,6% der kriminalpolizeilichen Statistik spricht Bände. Aufgrund solcher Alarmsignale ist es geboten zu analysiere und ggf. entsprechend zu handeln.

Ich könnte verstehen, wenn Sie auf diese oder jene Frage keine Daten und/oder keine Antwort haben. Nicht verstehen kann ich die Aussage dass der Fragenkomplex weder aktuelle Tagesordnungspunkte, noch Themen die im Kreistag behandelt
werden, betrifft.

Es geht hier auch nicht um rein theoretische oder hypothetische Behauptungen, sondern um ein sehr aktuelles und wichtiges Thema.

Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft, sie leiden besonders unter den Einschränkungen, die die Pandemie mit sich gebracht hat. Daher muss ihnen und ihren Bedürfnissen jetzt auch besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es liegt
im Interesse des Landkreises Weilheim-Schongau, Kinder und Jugendliche zu unterstützen und ihnen zu helfen, zu starken und gefestigten Bürgerinnen und Bürgern zu werden.

Besten Dank & möglichst viel Gesundheit

Mit freundlichen Grüßen
Peter Maier


Quellenangaben / Hinweise
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  1. Tagesschau (2021). Vielmehr Gewalttaten gegen Kinder. Zugriff am 29.05.2021 unter
    https://www.tagesschau.de/inland/kriminalstatistik-kinder-101.html
    Süddeutsche Zeitung (2021). Sehr besorgniserregend. Zugriff am 29.05.2021 unter
    https://www.sueddeutsche.de/politik/kinder-gewalt-statistik-deutschland-1.5304494
  2. Nordbayern.de (2021). Erlangen: Immer mehr Kinder leiden unter Schlafmangel. Zugriff am
    29.05.2021 unter https://www.nordbayern.de/region/erlangen/erlangen-immer-mehr-kinderleiden-
    unter-schlafmangel-1.4704637
  3. Bundesregierung (2021). Milliarden-Hilfe für Kinder und Jugendliche in der Pandemie. Zugriff am
    29.05.2021 https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/programm-aufholen-nach-corona-
    1897750
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