Straßenausbau & Sanierung: Anlieger-Beiträge gefordert

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Mehr Schlagloch als Straße? – Hier droht bald die Generalsanierung! (Foto: Jürgen Müller)

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Sigi Müller

Wie gerecht ist die Nichtbelastung der anderen Nutzer?

In den Städten und Gemeinden erhitzen die zu zahlenden Straßenausbaubeiträge heftig die Gemüter. Nach dem bayerischen Kommunalabgabengesetz (KAG) sollen von Grundstückseigentümern für die Verbesserung oder Erneuerung der an den Grundstücken vorbeiführenden Straßen Gebühren erhoben werden, weil für diese angeblich „die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet“. Für viele betroffene Anlieger, sprich Grundstückseigentümer, ist jedoch dieser hier konstruierte Vorteil nicht nachvollziehbar. Sie empfinden die geforderten Beiträge, die durchaus zigtausend Euro betragen können, als ungerecht. Und sie finden Unterstützung.

Nach Auffassung von Dr. Ernst Niemeier, Finanz- und Wirtschaftswissenschaftler aus Wentorf bei Hamburg, ist die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, denn durch eine solche Abgabe werde die Gleichbehandlungsforderung des Art. 3 (1) GG verletzt. Dr. Niemeier erklärt, warum diese einseitige Belastung der Anlieger nicht rechtskonform sein kann: „Diese Abgabe gründet sich auf die Voraussetzung, dass Grundstückseigentümer besondere Vorteile vom Straßenausbau haben. Das stimmt aber nicht. Es gibt keinen besonderen Vorteil für Grundstückseigentümer. Den gleichen Vorteil haben auch die Fremdnutzer der Straße, die von einer Belastung aber diskriminierend verschont werden.“ Fakt ist: Straßen gelten als »öffentliche Güter«. Auch die innerörtlichen Verkehrsnetze gehören dazu. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Straßenausbau aus Steuern statt aus Beiträgen zu finanzieren.

So lautet auch das Credo von Dr. Niemeier, der im Juli 2011 eine Verfassungsbeschwer­de beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht hat. Aber das BVerfG hat eine Entscheidung zu den Straßenausbaubeiträgen verweigert! Dazu Dr. Niemeier: „Obwohl es eine der wichtigsten Aufgaben ist, die Bürger gegen Grundrechtsverletzungen zu schützen, hat das Gericht die Ausrede benutzt, dass es sich angeblich nicht um eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Frage hand­le und dass deshalb die Verfassungsbeschwerde unzulässig sei.“ Diese Ablehnung trotz offensichtlicher Grundrechtsverletzung, so führt Dr. Niemeier weiter aus, sei nicht nachvollziehbar. Millionen von Grund­stückseigentümern würden weiterhin mit erheblichen Kosten belastet. Dies könne nur mit Rücksicht auf die erheblichen finanziellen Konsequenzen für Kommunen und mit der notwendigen Neuaufteilung des gesamten Steueraufkommens erklärt, aber keinesfalls gerechtfertigt werden.

Da diese Abgabe auch aus Sicht anderer Finanzwissenschaftler gegen das höherrangige Grundgesetz verstößt, hat Dr. Niemeier eine Petition initiiert und in den betroffenen Bundesländern eingereicht. Nicht dabei sind Berlin und Baden-Württemberg, denn dort werden keine Straßenausbaubeiträge von Anliegern erhoben. (In Berlin wurden sie im Jahr 2012 vom Senat abgeschafft.)

In Bayern werden Stadt- und Gemeinderatsmitglieder inzwischen massiv zur Einführung dieser umstrittenen Ausbausatzung gedrängt. Handlungsbedarf besteht nach Auskunft des Landratsamtes auch im Landkreis Weilheim-Schongau. Denn: Nur die Hälfte der Landkreisgemeinden hat bisher eine solche Satzung beschlossen.

In Schongau wurden die Ratsmitglieder kürzlich erneut aufgeklärt, „dass der Nichterlass einer Straßenausbaubeitragssatzung trotz entsprechenden Finanzbedarfs der Stadt eine strafrechtliche Verfolgung der handelnden Amts- und Mandatsträger wegen Untreue auslösen kann“.

Die fünf Vertreter der Alternativen Liste (ALS) sehen diese Aufklärung des Landratsamtes als »Drohung« und erinnern daran, „dass Amts- und Mandatsträger in ihrer Entscheidung frei sind und wegen ihres Abstimmungsverhaltens nicht strafrechtlich verfolgt werden können“. Der Widerstand gegen eine solche Satzung kommt aber nicht nur von der ALS, sondern auch von der CSU. Somit wird eine Mehrheitsfindung erheblich erschwert. Das Landratsamt könnte aber als Rechtsaufsichtsbehörde jederzeit eine sogenannte »Ersatzvornahme« anordnen und die Satzung selbst erlassen. So hat z. B. das Landratsamt Dachau die Satzung gegen den Willen der Ratsmitglieder in der oberbayerischen Gemeinde Pfaffenhofen erzwungen. Für die wachsende Zahl »untreuer« Ratsmitglieder, denen dieser Zwang nicht passt, bleibt die zwangfreie Alternative: Mandat niederlegen oder nach Berlin bzw. Baden-Württemberg auswandern.

Siegfried Müller
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