Wir leben in einer Demokratie – aber vieles läuft nicht so, wie es sich die Mehrheit wünscht

Christian Weber, Weilheim

Beitrag zum Kommentar »Demokratie verteidigen« von Hans Schütz in der Märzausgabe des OHA, Seite 4 und zum „Weckruf an Hans Schütz“ von Gerd Pfister in der Aprilausgabe, Seite 4

Ich stimme mit Hans Schütz darin überein, dass wir in einer Demokratie leben. Ich sehe aber auch, wie Herr Pfister, dass in unserem Staat vieles nicht so läuft, wie es die Mehrheit der Bevölkerung sich wünscht.

Gerd Pfister unterstellt, dass Eliten unsere Politik bestimmen und dass sie Parolen verbreiten, denen wir – oder zumindest Hans Schütz – auf den Leim gehen. Unter ihrer Anleitung muss das »Merkel-Regime« Gesetze erlassen, die für die Großindustrie gut, für den Normalbürger aber schlecht sind (CETA, Netzwerkdurchsuchungsgesetz …). Ich frage mich, welche Politik Frau Merkel ohne den Einfluss dieser Eliten – falls es ihn denn gibt – machen würde. Frau Merkel will, wie alle Abgeordneten, wiedergewählt werden. Die beste Voraussetzung dafür ist ein steigendes oder zumindest stabiles Bruttosozialprodukt. Sie weiß, dass die Wähler unpopuläre Entscheidungen vergessen. Ich glaube nicht, dass der CETA-Vertrag oder die Entscheidung über Glyphosat bei der nächsten Bundestagswahl eine entscheidende Rolle spielen werden.

Frau Merkel wird also wie bisher auch weiterhin eine Politik betreiben, die der Wirtschaft entgegenkommt. So wurden Banken mit Milliarden aus Steuermitteln unterstützt, um das Risiko einer Bankenkrise zu vermeiden, die eine Wirtschaftskrise hätte nach sich ziehen können. Genauso werden jetzt die Automobilfirmen nicht in Haftung für den Diesel-Skandal genommen, damit die Automobilbranche weiterhin auch international wettbewerbsfähig bleibt. Denn ein Produktionsrückgang in dieser Branche um – sagen wir – 20 Prozent würde m. E. die Deutsche Wirtschaft in die Knie zwingen. Es gäbe viele Arbeitslose, denn es wären ja auch die Zulieferer betroffen, die Sozialbeiträge müssten steigen, die Steuerausfälle würden die »schwarze Null« im Staatshaushalt löschen. Dies würde die gesamte Wirtschaft in eine Abwärtsspirale ziehen. Eine Wirtschaft, die nur auf Wachstum angelegt ist, steht eben auf tönernen Füßen.

Was also würde Frau Merkel unter dem Einfluss der Eliten anders machen? Es fällt mir nichts ein. Ich glaube nicht, dass Frau Merkel zu der Politik, die sie macht, von außen gezwungen werden muss. Ich halte es da lieber mit Kurt Tucholsky, der gesagt hat: „Politik wird wirklich so gemacht, wie der kleine Max sich das vorstellt.“

Gerd Pfister behauptet, dass das Pentagon „die oberste Befehlsebene für die ARD“ sei. Die auch in meinen Augen einseitige Berichterstattung lässt sich doch ebenso aus der Zusammensetzung des Rundfunkbeirats erklären, der von den politischen Parteien dominiert wird.

Apropos Pentagon: Es ist sehr einfach, auf die USA zu schimpfen. Was sie unter dem Deckmantel der Freiheit in der Welt anrichten, ist katastrophal. Wir übersehen dabei aber nur zu leicht, dass wir unseren Wohlstand zu einem guten Teil dieser Politik verdanken, sehr schön nachzulesen im Buch »Neben uns die Sintflut« von Stephan Lessenich. Ich finde daher die Forderung von Donald Trump, die Deutschen (die Europäer) sollten sich stärker an der Verteidigung dieser »Freiheit« beteiligen, durchaus nachvollziehbar. Allerdings bin ich angesichts dessen, was diese Politik auf der Welt anrichtet (Hunger, Armut, Flüchtlingsströme …), strikt dagegen, dieser Forderung nachzugeben.

Wer den Zusammenhang zwischen dieser Politik und den Migrantenströmen nicht sieht oder sehen will, aber die „grundgesetzwidrige(?) Grenzöffnung für Millionen Migranten“ für das Ende der Demokratie hält, der ist für mich entweder politisch verblendet oder zynisch. Bei jemandem, der Udo Ulfkotte als politische Referenz angibt, tippe ich auf Verblendung.

Auch ich sehe düstere Wolken auf uns zukommen, allerdings aus einer ganz anderen Richtung als Gerd Pfister. Die Wirtschafts- und Lebensweise der Industrieländer führt in die Katastrophe. Wir beuten die Erde aus und zerstören unsere Lebensgrundlagen, und ebenso die Lebensgrundlagen der Länder der Dritten Welt. Wir müssen sowohl unseren Lebensstil als auch die Politik ändern. Eine Politik, die Wirtschaftswachstum als oberstes Ziel sieht, wird diese Probleme nicht lösen können. Wie können wir hier mit demokratischen Mitteln gegensteuern?

Die erste Möglichkeit der Bürger, auf die Politik Einfluss zu nehmen, sind Wahlen. Nun muss man zugeben, dass die Bundestagswahlen der letzten 20 Jahre keine große Änderung der Politik zur Folge hatten. Dies ist aber kein Naturgesetz. Professor Paech hat in der an seinen Vortrag in Weilheim anschließenden Diskussion gesagt: „Solange 80 Prozent der Wähler die Parteien wählen, die nichts ändern wollen, wird sich auch nichts ändern.“ Er hat damals wahrscheinlich selbst nicht damit gerechnet, dass schon ein Absinken auf etwa 75 Prozent solche Probleme bei der Regierungsbildung mit sich bringen würde. Das macht doch Hoffnung, dass Wahlen etwas bewirken können. Traurig nur, dass ausgerechnet die AfD zu dieser Situation beigetragen hat.

Das Kreuz auf dem Stimmzettel allein wird aber nicht genügen. Hans Schütz hat formuliert: „Demokratie lebt vom Mitmachen.“ Dieser Gedanke war in Deutschland nie wirklich populär, schon eher der Satz „Politik ist ein schmutziges Geschäft, das man am besten den Politikern überlässt“. Nach der Hitlerzeit hat es keine echte Auseinandersetzung mit dieser undemokratischen Periode gegeben. Henning Venske hat in seinem Programm »Summa summarum« (Stadttheater Weilheim am 23. März 2018) dargelegt, dass alle Kanzler und Präsidenten der BRD, die schon im Dritten Reich politisch aktiv waren, damals entweder Parteimitglieder waren oder den Nationalsozialisten sehr nahe standen, mit Ausnahme von Willy Brandt und Gustav Heinemann. Willy Brandt ist als Kanzler unter dem Motto »Mehr Demokratie wagen« gestartet und ist damit an den Widerständen in Politik und Verwaltung gescheitert.

Nationalsozialistisches und damit antidemokratisches Gedankengut ist hierzulande immer noch verbreitet. Was unseren Schülern laut Lehrplan an politischer Bildung vermittelt wird, ist – vorsichtig ausgedrückt – ungenügend. Und so muss es nicht verwundern, wenn die Deutschen ihre demokratischen Rechte nur zögerlich wahrnehmen. Die zunehmende Beteiligung der Bürger an Veranstaltungen gegen TTIP, CETA, Glyphosat und Strabs stimmt mich jedoch zuversichtlich, dass sich hier etwas ändern wird.

Christian Weber, Weilheim

 

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