Aus meinem Tagebuch 04/2022

Eigentlich wollte ich mich wieder mal mit guten Nachrichten oder erfolgreichen Aktionen befassen. Aber in der Ukraine herrscht ein Krieg, der schon länger als zwei Monate dauert. Die russische Armee hat mit ihrem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar einen »Angriffskrieg« begonnen, um die Ukraine für Russland zu erobern, so ist tagein tagaus in den Medien des Westens zu hören und zu lesen. Dieser „aggressive Angriffskrieg“ sei „mörderisch, unmenschlich“ usw. oder auch „völlig sinnlos“. Der Kreml habe sich für „Massenmord, Gewalt, Hinrichtungen und Gräueltaten statt für Diplomatie entschieden“. Solche und ähnliche Einschätzungen sind derzeit immer wieder in den sogenannten Leit- bzw. Qualitätsmedien, aber auch in vielen Leserbriefen zu finden. In einem dieser Briefe wird die Verweigerung von Waffenlieferungen an die Ukraine sogar als „Mutlosigkeit“ bezeichnet.

Andererseits ist kaum zu übersehen, dass weltweit – auch derzeit – „Angriffskriege“ geführt werden, die medial allerdings kaum so bezeichnet, manchmal sogar als „Befreiungskriege” gefeiert werden, wenn sie nicht von „machtgeilen Despoten“ oder „Kriegsverbrechern“, sondern von „demokratisch geprägten, stets sich um Frieden bemühenden Staaten“ geführt werden. Die USA und ihr Verteidigungsbündnis NATO werden und wurden bei ihren Kriegseinsätzen medial fast immer mit ähnlich milder Rhetorik behandelt.

Dennoch ist auch ab und zu lesen, dass die viel beschworenen „Werte“ der „westlichen Wertegemeinschaft“ seit Jahrzehnten mit Füßen getreten werden. Wenn es sich um die Kriege in Jugoslawien, Irak, Libyen usw. handelt – also wenn es um „Angriffskriege“ und „Gräueltaten“ der USA und NATO geht – gilt offenbar ein anderer Maßstab. Da werden aus den „Gräueltaten“ in der Regel „legitime Einsätze zur Verteidigung von Menschenrechten“.

Durch Zufall habe ich vor einigen Wochen auf den »NachDenkSeiten« einen Hinweis vom Herausgeber Albrecht Müller auf die lange Rede von Wladimir Putin vor Beginn des Ukraine-Krieges gelesen, die Thomas Röper dankenswerterweise ins Deutsche übersetzt hat. Dass sich die »NATO-Ostflanke« seit 1999 so massiv erweitert hat, hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm und war ziemlich überrascht, dass es insgesamt sogar 14 Staaten sind, die in dieser Zeit – trotz Versprechen die NATO, sich nicht weiter nach Osten auszudehnen – in das Verteidigungsbündnis neu aufgenommen wurden.

Hier die dazu passende Passage aus Putins Rede vom 21. Februar:

„Heute genügt ein Blick auf die Landkarte, um zu sehen, wie die westlichen Staaten ihr Versprechen, die NATO nicht nach Osten auszudehnen, »eingehalten« haben. Sie haben uns einfach betrogen. Wir haben fünf Erweiterungswellen der NATO erlebt, eine nach der anderen. Im Jahr 1999 wurden Polen, die Tschechische Republik und Ungarn in das Bündnis aufgenommen. 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien. 2009 Albanien und Kroatien. 2017 Montenegro und 2020 Nordmazedonien.“

Ich gebe zum Abschluss dieses Eintrags gerne die Empfehlung von Albrecht Müller weiter, die er am 22. Februar 2022 auf den NachDenkSeiten so formuliert hat: 

Wetten …, dass wir von Scholz, Steinmeier und Co. nie eine so interessante Rede zu hören bekommen

Als ich heute früh im Beitrag Ratlos auf die Rede von Putin vom 21. Februar verlinkte, verzichtete ich darauf, die Lektüre zu empfehlen. Ich hatte sie noch nicht gelesen und war beeinflusst vom Verriss dieser Rede durch deutsche Kommentatoren, die ich in der Nacht zuvor gehört oder gelesen hatte. Nach Lektüre der Rede kann ich nun jedem politisch und zeitgeschichtlich interessierten Menschen nur dringend empfehlen, diesen Text zu lesen. Man lernt viel über Russland und die Ukraine, man lernt viel über Europa und vor allem über die westliche Welt und ihre Charakterlosigkeit. Und man erfährt viel darüber, dass sich der russische Präsident in vielfältiger Weise und immer wieder vom Westen betrogen fühlt und wie er dies belegt. Deshalb hier noch einmal der Link Präsident Putins komplette Rede an die Nation im Wortlaut | Anti-Spiegel verbunden mit einem Dankeschön an Thomas Röper vom Anti-Spiegel, der die Übersetzung besorgt hat. Albrecht Müller

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