r wie … reconquest

Irmgard Deml, Weilheim

1992 komponiert von Vangelis ist »Conquest of Paradise« für mich nach wie vor ein Ohrwurm. Vom Boxer Henry Maske als Einmarschlied verwendet und Titellied des Films »1492 – Die Eroberung des Paradieses«. Die »Eroberung« des heutigen Amerika.

Jeder von uns weiß, was damals dort geschah. Dass es Menschen, vor allem aus Europa, dorthin zog, um eine Existenz zu gründen, was ihnen in ihrer Heimat nicht gelang. Abenteurer, bestimmte religiöse Gruppen und ganz »normale« Menschen waren es, die sich auf die gefahrvolle Fahrt über den Atlantik in die »Neue Welt« wagten. Was dann ablief, weist leider sehr häufig nicht auf friedliche Übersiedler hin.

Natürlich brauchten diese Menschen Mut und Durchsetzungsvermögen, um sich dort etwas aufzubauen, doch wie und mit welchen Mitteln dies geschah, war meist nur Unrecht. Es gab kein Land, das jemandem »gehörte«, denn die dortigen Ureinwohner betrachteten Mutter Erde, Flüsse, Bäume, Tiere, ja die ganze Schöpfung nicht als ihr Eigentum. Sie trugen »nur« ganz bewusst die Verantwortung für deren Schutz und Erhaltung. Auch dass der heutige materielle Reichtum dieses Kontinents auf den damals unzähligen Ermordeten und versklavten Ureinwohnern und Verschleppten – vor allem aus Afrika – gründet, ist nur logisch. So bitter das auch ist, lässt es sich nicht leugnen.

Dabei haben heute noch viele dortige Bürger aufgrund Herkunft und Hautfarbe real nicht die gleichen Rechte wie andere. Wie wäre es zudem, wenn die Ureinwohner, die einst Indianer genannt wurden, ihr Land und enorme Entschädigungen für erlittenes und teils auch heute in Reservaten noch stattfindendes Unrecht (zurück-)bekommen müssten? Ebenso wie viele Nachfahren von Schwarzen und weiteren Versklavten ein Recht auf Wiedergutmachung haben. So wie Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges völlig zu Recht Entschädigungen leistet. Auch wenn damit erlittenes Leid und Unrecht nicht ungeschehen gemacht wird, ist es doch eine Anerkennung der Opfer.

Eroberung ist das eine – Rückeroberung das andere. Wenn ich in Weilheim in einem Schaufenster im früher »Sommerschlussverkauf« genannten Zeitraum lese »Up to 70%« und jetzt vor Schulbeginn nach den Ferien im Kaufland-Prospekt steht »Back to school«, bestärkt das mein Gefühl, dass die Folgegenerationen der »Eroberer des Paradieses« schon länger dabei sind, sich das »alte Paradies Europa« zurückzuerobern – vor allem Deutschland! Oder täusche ich mich da?

Hierzulande wird immer mehr amerikanisiert, ob es sich um Sprache – Ich kaufe eine Eintritts- oder Fahrkarte und kein »Ticket«! – um Berufsbezeichnungen oder Anderes handelt. Vor allem im Computersektor ist das enorm. Wer von uns versteht denn die Litaneien mitsamt Fachausdrücken, wenn es um Geschäftsbedingungen geht, die »natürlich« nur in englischer Sprache zu lesen sind? Ich nicht.

Jeder, der in Deutschland irgendetwas anbietet und verkaufen möchte, soll doch bitte alles, was dazu gehört, auch in deutsch verfassen, so dass alle hiesigen Einwohner das auch begreifen. Genauso wie die großen Weltkonzerne meiner Meinung nach bei uns Steuern zu zahlen haben, da sie hier auch Milliardenumsätze machen.

Bei uns sind in sehr vielen Bereichen Entscheidungen nötig, die das bewirken, was alle Politiker bei Amtsantritt geschworen haben: Sich für das Wohl des deutschen Volkes einzusetzen. Und dazu gehört sicher nicht, die kleinen Leute, die die Basis darstellen, weil sie schlicht die Mehrheit sind, soweit wie nur irgend möglich zitronenmäßig auszupressen. 

Gerade in der aktuellen Phase mit Preissteigerungen, die häufig mit 7 bis 8% angegeben werden, könnte ich darüber nur noch lachen, wenn es denn zum Lachen wäre. Tatsächlich erlebe ich hier bis zu 40%, ja sogar bis zu 200%! Diese Erhöhung hätte ich auch gerne bei meinem Gehalt. Doch dreimal wurde eine Gehaltserhöhung in diesem Jahr bereits abgelehnt, nachdem es zweimal geheißen hatte, ich solle das – aus verschiedenen Gründen – in ein paar Wochen nochmal ansprechen. Respekt vor der oft sehr schweren und fordernden Arbeit, die ich seit vielen Jahren leiste, und Wertschätzung sehen anders aus. 

Arg beschämend finde ich, dass sich »unsere« Politiker vor einiger Zeit nicht nur eine Diätenerhöhung genehmigten, sondern dazu auch gleich noch einen Inflationsausgleich! »Diäten« – ein absolut unpassender Begriff. Unter Diät verstehe ich etwas anderes als ein Gehalt.

Wie kann es sein, dass die Regierungsverantwortlichen ihre Bezahlung selbst bestimmen? Und: Wer schafft selbst etwas ab, von dem er selbst profitiert? Wer wandelt denn dieses für jeden Steuerzahler unwürdige System in ein gerechtes Verfahren? Und wie? Ein für uns alle sozial verträgliches Grundgehalt und für gute Leistungen eine Gratifikation am Jahresende ist doch eine Möglichkeit.

Mit derlei Vorgehen erobern wir uns das friedlich zurück, was unsere Altvorderen nach dem Dritten Reich aufbauten, als so gut wie kein Mensch etwas besaß und tatsächlich die meisten »gleich« waren. Damit sind wir auch wieder beim damaligen Zusammenhalt, der uns alle gemeinsam eine neue Gesellschaftsform aufbauen lässt, in der es gerecht und fair zugeht, in der einer den anderen unterstützt. Denn wir brauchen einander als Menschen und Menschheit, um alle möglichst gesund in Liebe, Freude, Freiheit, Frieden und Wohlstand leben zu können. Das ist sehr wohl machbar. Fangen wir an – und bleiben wir dran!

Irmgard Deml, Weilheim

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