Wählen gehen – ein Glaubensbekenntnis

Aus den dramatischen Erfahrungen des 2. Weltkrieges, wo die Hölle die Macht über einen Führer ergriffen hatte, haben wir uns in unserer Verfassung deutlich für Gleichberechtigung und gegen die tierische Herdenordnung mit einem Leithammel und ständigen Rangordnungskämpfen entschieden.

Das festgelegte Zusammenwirken von Bundes- und Landesregierungen, Gesetzgebenden und Ausführenden Organen und die Verfassungshüter verhindern einen Machtmissbrauch Einzelner. Unsere Verfassung unterstützt die individuelle »menschliche Vielfalt«, die ein vielfältiges Parteien-Angebot ermöglicht. Seit Anbeginn haben Parteien versucht, bestimmte Missstände den Herrschenden bewusst zu machen.

Fürsten kannten noch die Sorgen ihrer Untertanen, Zentralregierungen schon weniger. Die globalen »Player« heute kennen nur noch ihre Umsatzzahlen, ihre Konzerngewinne, menschliche Bedürfnisse werden nur in der Werbung berücksichtigt. An den Börsen der Welt, bei den EU-Händlern, ist Geld zur Ware geworden. Dort wird der Weizen nicht gehandelt, um die Weltbevölkerung besser zu ernähren, sondern nur für irre Gewinne. So werden auch Milliarden als Hilfen angekündigt, die Umsetzung in Taten bleibt unbeachtet.

Ein unvorstellbares Verstandeswissen hat die Menschheit angesammelt. Von gentechnischen Inhalten, dem »Wort«, auf der atomaren Magnetfeldebene des Lebens bis zu Kräften des Kosmos vom Urknall an wissen Fachleute zu berichten. Was der Einzelne nicht selbst ausprobiert hat, was ihm nicht in »Fleisch und Blut« übergegangen ist, dafür hat er keinen Maßstab zur Gewichtung in sich. Das trifft für jeden von uns zu, ob einfaches Menschenkind, Politiker, Journalist, Lehrer oder Arzt. Allen sind nur Teile des Lebens bewusst, nach einem »Vorfall« immer etwas mehr.

Die familiäre Situation, in der wir aufgewachsen sind, prägt unsere Stimmungen. So suchen manche noch den Vater, der Entscheidungen fällt und »auf den Tisch haut«. Die Hälfte der Türken findet den strengen »Vater« Erdogan gut. Aus einer starken Familiengemeinschaft heraus kann man leichter auf Andere zugehen, sie in Nöten unterstützen. Bei eigener, unsicherer Stellung in der Familie – auch nach Bert Hellinger, Psychoanalytiker & »Familientherapeut« –, wenn man sich selbst nicht mag, kann das zur Ablehnung von allem Fremden kommen. Für den Hass sorgen dann die finsteren Geister.

»Veränderung ist die Quelle allen Leides«, heißt es im Ayurveda, selbst wenn es zum Guten wäre. Widerstand ist also immer die erste Reaktion des erdgebundenen Menschen. Dabei sind wir die größten Veränderer auf der Welt, sind uns aber darüber als einzelner »kleiner Wurm« nicht bewusst. Wie der Zauberlehrling bei Goethe lassen wir die Maschinen sausen. Auf allen Gebieten sind sie zigfach schneller als wir und wir merken nicht, wie wir mit ihnen untergehen.

Wem ist bewusst, dass wir in Weilheim täglich mit allen Fahrzeugen 150 000 – in Worten: einhundertfünfzigtausend Fahrten machen? Jedes Aussteigen schließt eine gezählte Fahrt ab. Das nur innerhalb der Ortsgrenzen, nicht nach draußen! Die 1500 Ortsbus-Gäste machen nicht die Verkehrswende. Der von außen geforderte Naturschutz berührt den Einzelnen nur so weit, wie er mit seiner eigenen Körpernatur umgeht, ausbeuterisch antreibend oder liebevoll aufbauend. Wie eine alte Bauernweisheit erkannte: »Dünger macht reiche Väter und arme Söhne.« Durch kalkreiche Mergelgaben wurde der Boden »ausgemergelt«. Die Nachkommen hatten schlechte Ernten.

Die politischen Parteien zeigen in Programmen und Wahlreden die Ziele auf, die sie anstreben wollen. Mit welcher Intensität sie das dann wo tun, bleibt offen. Es lässt sich aber aus den bisherigen Ergebnissen nach dem Jesuswort überprüfen: »An den Früchten werdet ihr sie erkennen!« Bei Alleinherrschaft einer Partei ist es klar, bei mehreren demokratisch gemeinsam entscheidenden Parteien ist Fingerspitzengefühl für die jeweilige Situation nötig.

Je mehr sich alle für Nächstenliebe entscheiden, desto mehr Nächstenliebe fällt auf alle zurück. Dann haben wir das höchste Glaubensbekenntnis gewählt.

Roland Brendel, Weilheim

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