Schongau: Geschäftsordnung mehrheitlich abgehakt

ALS fordert Akteneinsichtsrecht für jedes Stadtratsmitglied

„Jedem Mitglied des Stadtrats wird durch die Stadtverwaltung Auskunft erteilt und Einsicht in die Akten gewährt. Um eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen, sind der Tagesordnung die in der Verwaltung vorliegenden entscheidungserheblichen bzw. sitzungsrelevanten Unterlagen beizufügen.“

Begründung: Stadtratsmitglieder, die keinen individuellen Anspruch auf Information besitzen, geraten in eine unauflösbare Pflichten-Kollision. Einerseits sind sie zur gewissenhaften Amtsführung, zur Teilnahme an den Sitzungen und zur Abstimmung verpflichtet, wobei die Stimmenthaltung unzulässig ist. Andererseits wird ihnen verwehrt, Einsicht in die Akten der Verwaltung zu nehmen, was jedoch für eine gewissenhafte Vorbereitung erforderlich wäre. Der Hinweis auf Geheimhaltung bestimmter Sachverhalte steht dem hier beantragten Recht auf Akteneinsicht in keiner Weise entgegen und ist entbehrlich, da die Ratsmitglieder ohnehin zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (Art. 20 – Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflicht – Abs. 2 GO). Eine Beschränkung der Akteneinsicht auf die Aufgabenbereiche von Referenten schafft im Stadtrat nach unserer Auffassung Bevorzugte und Benachteiligte, wirkt also diskriminierend und ist somit eine Regelung mit zweierlei Maß.

So lautete der Antrag der Alternativen Liste, der in der September-Sitzung behandelt wurde. Nicht zuletzt aufgrund einer geänderten Rechtsauffassung des Innenministeriums sollte endlich erreicht werden, allen Mitgliedern – und nicht nur denen mit Sonderstatus – das Recht auf Einsicht in die Akten der Stadtverwaltung zu gewähren. Aber es kam anders. Nur die 5 Ratsmitglieder der Alternativen Liste stimmten für das generelle Einsichtsrecht. Alle anwesenden Mitglieder der anderen drei Fraktionen stimmten dagegen.

Was sich künftig ändern muss

Diese Sitzung hat gezeigt, dass wir wieder in die alten Muster von anno dazumal zurückfallen. Als einzige Fraktion haben wir unseren Antrag zur Geschäftsordnung schriftlich formuliert und termingerecht vorgelegt. SPD und CSU haben nichts vorgelegt. Die Stadträte Dr. Zeller (SPD) und Eberle (CSU) durften dennoch ihre Vorschläge mündlich vorbringen und brauchten sich offensichtlich um Schriftform und Abgabetermin nicht zu kümmern. Unser Antrag wurde zwar in der Tagesordnung erwähnt, aber inhaltlich nicht konkretisiert. Das heißt: Man konnte aus der Tagesordnung nicht entnehmen, dass es um »Akteneinsicht« ging. Die Anträge der Werbegemeinschaft zum »Adventskalender« und der Arbeitsgruppe »Schongau belebt« (WLAN Hotspot) waren inhaltlich konkretisiert und als Anlage dabei. Unser Antrag zur Akteneinsicht und das an den Bürgermeister übermittelte Schreiben des Innenministeriums wurden jedoch der Tagesordnung – so wie sonst immer üblich  – nicht beigelegt.
Rückblick: Wie vor 20 Jahren …

Wie vor 20 Jahren müssen wir wieder die Praxis der Antragsbehandlung beanstanden. Damals habe ich trotz CSU-Herrschaft von der Rechtsaufsichtsbehörde Recht bekommen. Da heißt es schwarz auf weiß: „Auch wenn eine vollinhaltliche Wiedergabe des Antragstextes in der Tagesordnung nicht erforderlich ist, muss sich zumindest stichwortartig aus der gewählten Formulierung die Thematik erschließen lassen.“ – Wie vor 20 Jahren gibt es sie wieder, die ungleiche Behandlung der Ratsmitglieder. Dass Dr. Zeller (SPD) jederzeit ausschweifend reden und ohne Ermahnung mit unsäglichen Kommentaren („Kollege Müller will ja die ganzen Akten der Stadtverwaltung durchlesen.“) versuchen darf, einen Antrag lächerlich zu machen, ist alles andere als ein Fortschritt. Über die »Diskussionskultur« im Stadtrat schreibt auch Christoph Peters in seinem Kommentar »Nachtarbeit« (Kreisbote vom 27.09.2014) in Bezug auf die umfangreiche Tagesordnung: „Kein Wunder, dass Bürgermeister Sluyterman zuvor bei jedem längeren Statement unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht war und den Rednern teils in die Parade gefahren war.“ Das Wort »teils« ist hier das wichtigste, weil der Bürgermeister nicht bei jedem Redner unruhig wird und in die Parade fährt. Bis demnächst!

Sigi Müller, Stadtrat
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