Splitter aus Honduras (29)

Fußballwahn

Wie in Deutschland auch, wirft die Fußball-WM in Südafrika ihre Schatten weit voraus. Hier in Honduras, das ja ziemlich überraschend auch teilnehmen darf (durch zwei Duseltore der Gringos gegen Costa Rica), nimmt das zum Teil skurrile Züge an.

Bis ins mittlere Management hin­ein erscheinen manche Fußballverrückte Tag für Tag im Honduras-Shirt – wer was auf sich hält, im »offiziellen«, das ja immerhin so an die 35 Dollar wert ist. Verkäufer und Verkäuferinnen mancher Läden dann im Plastik-Nationalshirt für 5 Dollar: ich vermute mal, da sponsert der Ladenbesitzer mit, um von diesem Hype mitzuprofitieren.

Die Panini-Bildchen, also das Vollkleben eines Albums mit den WM-Teilnehmern (noch mit Ballack!) ist in: marschiere ich durch unsere Büroräume, sehe ich hier ein Päckchen mit Bildern (hier Vistas genannt), dort ein Album, in das vom Chef bis zur Putzfrau (ehrlich!) alle einkleben. Natürlich nur für Sohn, Neffe, Nachbarskind… . Heftige Tauschgeschäfte sind in den Pausen zugange – und ich mische in den letzten Wochen auch schon mit, weil meine Lieblingszeitungsverkäuferin jetzt nur noch Paninis verkauft – und sie doch zwei Kiddies zu versorgen hat… (Aber ich hab noch kein Heft!).

Alexander Núñez Ochoa

Alexander Núñez Ochoa

Menschenrechte ade

Der unter dem Putschisten Micheletti gewählte Präsident Pepe Lobo versucht derweil den Rest der Welt zu überzeugen, dass hier im Lande alles rechtmäßig läuft, also die demokratische Ordnung wieder eingekehrt ist. Sein Problem ist, dass ihm das nur wenige abnehmen – heulten doch seine Parteikollegen und -kolleginnen alle mit den Putschisten. Und innenpolitisch diskreditiert sich die Regierung täglich selber, indem sie die Journalistenmorde halbherzig bis gar nicht verfolgt – stattdessen aber Führer der Opposition ins Visier geraten. Allen voran der linke Präsidentenkandidat Reyes, der derzeit täglich Morddrohungen erhält.

Und es bleibt nicht bei Drohungen – Frontleute der Widerstandsbewegung werden verhaftet, entführt oder gleich ermordet wie Alexander Núñez Ochoa, ein siebenundzwanzigjähriger Aktivist, der die Aufgabe hatte, die in die Reihen der Protestierenden eingesickerten Scheindemonstranten zu identifizieren. Diese Provokateure aus Polizeikreisen und Paramilitaristen sind ja auch bei deutschen Demos bestens bekannt.

Zusammen mit einem Freund wurde er nach einer Versammlung vor seiner Wohnung in Tegucigalpa erschossen.

Es bleibt dann nur noch die Aufmerksamkeit ausländischer Men­schen­rechts­­organisationen wie amnesty international und diverser anderer watch-groups. Und deren Einfluss ist beschränkt – nicht genug jedenfalls, um die Todesschwadronen von ihrem blutigen Handwerk abzuhalten.

Regenzeit

Alle Jahre wieder – und doch faszinierend: Nach den ersten Tropenschauern, oft nur 20 bis 30 Minuten kurz – steht alles unter Wasser. Diesmal unsere »Bodega«, der Lagerraum neben meinem Büro.

Großes Lamentieren, anschließend wischen und ausmisten – am nächsten Tag das gleiche Spiel wieder: die Verantwortliche hatte vergessen, den Handwerkern Bescheid zu geben.

Vielleicht sollte ich bald meine Badehose mit einpacken.

Reinhard Böttger aus Tegucigalpa, Honduras
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