Die Verschwörung, die ich sehe, oder »Du sollst nicht merken«

Maurice de Coulon

Maurice de Coulon

Nicht im Gedenken an die erst kürzlich verstorbene Psychologin Alice Miller, deren erstes Buch mit dem obigen Titel die immer noch nicht beendete Trauerarbeit über die verheerenden und noch lange nicht verschwundenen Auswirkungen der „Schwarzen Pädagogik“ einleitete und damit Pionierarbeit leistete, sondern vielmehr, um meinem Unmut über die in der Weltwirtschaft und ihre politischen Rahmenbedingungen einerseits, aber auch und vor allem um meine Zuversicht über die immer wieder an einzelnen Orten und durch einzelne Menschen und Gruppen beschrittenen Wege zu mehr Achtsamkeit mit der »Schöpfung« andererseits zum Ausdruck zu bringen, greife ich heute, an einem Sonntag (wegen des sicher etwas predigthaften Charakters meiner Ausführungen passend), unter dieser Überschrift zur Tastatur meines PCs.

Es war in letzter Zeit wieder einmal viel von der Verschwörungstheorie die Rede, auch hier, und auch von mir. Diese Theorie, der zufolge vor allem die US-amerikanische Regierung unter George Bush den verheerenden Anschlag auf die WTC-Türme am 11. September 2001 zu verantworten hätte und wonach möglicherweise das Pentagon und die CIA immer noch die diversen Feuer schüren, die sie zu löschen vorgeben, damit ja die ganze Welt, durch die Pflege ihrer Angst vor einem weltumgreifenden Terror, die Aufrechterhaltung und Verstärkung einer geradezu flächendeckenden willkürlichen Gewaltherrschaft weiterhin billigend in Kauf nimmt. Dies obwohl es im Grunde um noch ganz andere Interessen geht. Aber das sollen wir erst recht nicht merken dürfen. Ob diese Theorie, vor allem was die Methoden und die Wege der westlichen »Terrorismusangst Beförderer« angeht, stimmt oder nicht, ist wahrscheinlich auch nur ein gut gepflegter Nebenschauplatz, der von einem meines Erachtens viel umfassenderen und grundlegenderen Skandal ablenken soll.

Wir sollen einfach nicht merken, nicht erkennen, nicht erfassen, dass die durch eine schamlose Korruption weltweit gut geschmierte umgreifende Herrschaft der auf dem Weltmarkt dominanten Konzerne, deren Ziel ist, den Wohlstand der wenigen Großbesitzer und der sie kräftig (weil auch möchtegern groß) unterstützenden Kleinbesitzer in den wirtschaftsmächtigen Ländern der Welt, um jeden Preis nicht nur zu sichern, sondern auch noch zu vermehren, aufrechterhalten werden soll. Wir sollen nicht merken, dass die Wirtschaftsgesetze durchaus keinen „natürlichen“, sondern lediglich den von selbsternannten Wirtschaftstheoretikern und von diesen hörige Politiker durch geschichtlich tradierte Vereinbarungsprozesse eingeführten Regeln gehorchen, die sehr wohl zum Wohle der Menschheit und ihrer Umwelt geändert werden könnten. Wir sollen erst recht nicht merken, dass die Marktwirtschaft an sich kein Übel ist, beruht sie eigentlich auf den reinen Tauschgedanken, dass sie aber immer noch durch ein Relikt aus der der Raubritterzeit entsprungenen Feudalwirtschaft pervertiert wird, nämlich durch den Selbstwert (Gold- oder Metallwert seit der Münzprägezeit, also zirka 600 Jahre v. Chr.) der Währung, der seinen Niederschlag in dem Kapitalzins gefunden hat. Wir dürfen also mehr denn je auch nicht merken, dass der weitaus größte Anteil des Wirtschaftswachstums, der den vollkommen unsinnigen, und trotz aller Bemühungen so vieler guten Initiativen zum Schutz der Weltschätze, nicht enden wollenden Raubbau an allen Erdressourcen nach sich zieht, nur der Erfüllung der Forderungen des Kapitals, des Zinses also, letztlich dient. Ich rede hier bewusst nicht von den bösen Kapitalisten. Das Böse hier ist selbst unter uns. Unterstützen wir doch das Ganze dadurch, dass wir immerzu, mit unserer unendlichen Suche (Sucht) nach dem Glück als Wohlstand im Haben-Sinne (Gier), meinen, dass es uns nur um die Sicherung unserer Lebensgrundlage und deren Grundvoraussetzungen ginge.

Wir sollen eben nicht merken, dass wir in einem Grundtrauma befangen sind. In dem von mir in Quäkerkreisen gehaltenen Referat »Wahrheit des Lebens – Wahrheit der Welt« habe ich das so beschrieben:

„Trotz einiger Fortschritte unserer Zivilisation in der Kunst, ein befriedigendes Leben zu führen – was auch immer darunter verstanden wird –, müssen wir immer noch unter den bisweilen verheerenden Folgen der noch nicht überwundenen Unfähigkeit des Menschen, den Grundkonflikt seiner Lebensbewältigungs­bedingtheit und dessen unzähligen Folgekonflikte wirklich zu lösen, leiden.

Dieser Grundkonflikt, offensichtlich unser Triebschicksal schlechthin, liegt in der absoluten Unvereinbarkeit zwischen unserem Grundbedürfnis nach unmittelbarer und sofortiger Aneignung der für unser Überleben notwendigen Güter einerseits, und dem Grundbedürfnis, zwecks Lernen der notwendigen Fähigkeiten zu dieser Aneignung, demjenigen nachzuahmen, der gleichzeitig unser Konkurrent im Begehren des Lebensnotwendigen ist, andererseits.

Alle vergangenen und gegenwärtigen Konflikte und Kriege zwischen Menschen, Völker und Nationen, ja erst recht der alle Lebensbereiche umfassende (legale) Weltwirtschaftskrieg mit der rasant wachsenden organisierten Beschaffungskriminalität, sind Ausbrüche einer zugespitzten Spannung, die auf der geradezu eingefleischten und offenbar schier unüberwindbaren Angst beruhen:

  1. die aus unserem vielfältigen Begehren und aus unserem exponentiell gesteigerten Vorstellungs- und Produktionsvermögen gewachsenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können, und
  2. dass der Andere, der ewige Rivale, uns immerzu die Mittel, das gleichzeitig Begehrte erwirtschaften zu können, notfalls bis zur Inkaufnahme unserer Vernichtung, streitig machen muss.

Alle Bemühungen der Zivilisation seit dem Aufkommen der Religionen und im Laufe der Entwicklung der Kulturen und der Geisteswissenschaften, friedvolle, lebenserhaltende Lösungen dieses grundsätzlichen Problems zu finden, vermochten es bisher nicht, selbst die am weitesten entwickelten Kulturen dazu zu bringen, ihre schärfsten Konflikte ohne Gewalt zu lösen.“

Das ist die »Verschwörung«, die ich sehe. Wir merken sie nicht. Alle so genannten und selbst ernannten Besserwisser, die es vielleicht merken, erzählen es nicht. Und alle, die es merken und davon erzählen, wie z. B. … da müssten so viele Namen genannt werden, dass einer für alle stellvertretend ausreicht, der prominenteste Zeuge des Lebens, nämlich Jesus Christus, der immer neu von den angstgesteuerten Weltmenschen »gekreuzigt« wird, alle, die was merken, werden bestenfalls wie naive Idealisten oder Spinner, falsche Propheten oder im schlechtesten Fall als ewig neidische Nörgler oder nostalgische Kommunisten behandelt und, wenn nicht mundtot gemacht, einfach ignoriert. Wir schauen uns Filme, wie damals »Septemberweizen« und demnächst das preisgekrönte »Bananas« an, und merken noch nichts. Wir lesen tausende Artikel über die Finanzkrise durch die »Kapitalbeweger«, die sich der oben beschriebenen Umstände als Spielwiese bedienen, und merken immer noch nicht, dass das herrschende Weltwirtschaftssystem nie zum Ziel eines anständigen und angemessenen Wohlbefindens – von lebensgefälligem (gottgefälligem) Wohlgefallen ganz zu schweigen – für die ganze Menschheit führen wird. Wir merken nicht, dass unsere Heilige Kuh (unser »Goldenes Kalb«) immer noch auf dem Sockel steht und dass wir sie immerzu füttern und anbeten.

Das ist es, was mich manchmal rasend vor Wut macht. Das ist, wo ich dreinschlagen könnte, um die Statue vom Sockel zu holen und sie unwiederbringlich(?) zu zerstören. Aber was Menschen ganz im Inneren tragen, in ihrem »versteinerten« Herzen, das nichts spüren kann, also auch im Gehirn nichts merken lässt, kann gar nicht zerstört werden. Denn mein Zerstören würde nur der Versuchung entspringen, es gäbe das Gute, nur wenn das Böse verschwände oder zerstört werden würde, und meine Gewalt wäre keine andere Gewalt als die des Bösen selbst. Aber das Gute des wirklichen Lebens kann ja nur ein neues, anderes Gutes sein, nämlich das der Auflösung des Konfliktes zwischen Gut und Böse, ohne Gewalt, durch die einfache, mutige Liebe zum Leben, ohne jegliche Angst vor dem möglichen Verlust des eigenen »Weltegos«.

Und das allein ist es, und alle heutigen Zeichen und Zeugnisse dieser Kraft allein sind es, die mich ermuntern, die mich zuversichtlich machen. Das will ich spüren, merken. Das will ich merken lassen und dafür zeugen. Für diese Zeugnisse, für diese noch so kleinen und einzelnen Dienste der Liebe gilt es zu werben, ohne Unterlass, und ohne Angst vor Anfeindungen, oder davor, mich lächerlich zu machen.

Es gibt, zum Glück, so unzählige Beispiele für solche Ansätze, dass ich sie auch nicht aufzählen kann. Viele kennen wir, in der Welt und in der unmittelbaren Umgebung, aber hier, wo es um die Zuversicht geht, um das, was es zu stützen gilt, möchte ich zwei ganz konkrete Beispiele nennen, die Mut machen, die entstanden sind, weil einer und dann mehrere, etwas gemerkt haben. Eins ganz in der Nähe, wo die Welt anscheinend immer noch heil erscheint, und ein anderes Beispiel etwas ferner, wo es brennt und das Heile fast hoffnungslos zu ersticken droht, wo die Gewalt, im Äußersten ihrer sinnlos perversen Anmaßung, den Alltag der Menschen nahezu total bestimmt.

Hier gibt es den REGIO, diese Währungsinitiative, die auf die Einsicht aufbaut, dass eine den Menschen als Werkzeug des Lebens dienende Währung nicht auf den Eigenwert des Währungsträgermediums aufbaut, ja einen solchen gar nicht braucht, denn das ist, was wir merken sollten, nämlich, dass genau dieser »Trägerwert«, also der Eigenwert des Geldes, heute das ist, was wir fälschlicherweise immer noch verehren, statt dass wir den Dienst am Warentausch und Markthandel also den Dienst am wahren Wohlstand, weil am gerechten Umgang mit den Produkten der Natur und der Kultur interessiert, fördern und hochhalten. Der REGIO ist eine Zukunftswährung, eine Währung für den Frieden in den Wirtschaftsbeziehungen. Nur Experten, die die Wirtschaft in einem solchen Sinne umwandeln wollen, sollten wir Glauben schenken. Nur Politiker, die von dieser Idee selbst überzeugt sind und es wagen, hierfür zu werben und sich für deren Einführung einzusetzen, sollten wir unterstützen, und nur solche möchte ich wählen können. Deshalb habe ich bei der letzten Bundestagswahl – als mittlerweile auch deutscher Staatsbürger! – »für Herz« gewählt.

Dort, in Palästina, in Ramallah, gibt es ein vor fünf Jahren von zwei amerikanischen Quäker-Jahresversammlungen gegründetes Friedenszentrum, das Friends International Center in Ramallah (FICR), das ein von einheimischen vor gerade 100 Jahren entstandenes Quäker-Meeting unterstützt. An diesem geschichtsträchtigen, von jahrelanger Gewalt geprägten Ort lebt eine kleine aber mutige, freudig zuversichtliche Gemeinschaft von einheimischen und internationalen Quäkern (die auch dieses Jahr das 350-jährige Bestehen ihres Friedenszeugnisses weltweit feiern), die in ihren stillen Andachten, wo jeder Mensch, ob Israeli, Palästinenser oder anderer Staatsbürgerschaft, jeder Jude, Moslem, Christ oder Andersreligiöse willkommen ist, einfach in Besinnung auf die wirkliche Wahrheit zusammenkommen, um innezuhalten und für den Frieden ohne Anwendung von jeglicher Gewalt zu beten. Von dieser geistig-religiösen Mitte ausgehend, betreiben sie unterschiedlichste Initiativen, um die dort lebenden Menschen, ungeachtet ihres ethnischen und religiösen Hintergrundes, zusammenzuführen, zu unterstützen und ihnen Zuversicht einzuflößen. Sie betreiben eine offene Quäkerschule, die von mittellosen Kindern besucht werden kann, weil sie durch Patenschaften aus Übersee oder Spenden finanziert werden. Mitten im alltäglichen Kugel- und Bombenhagel, mitten im Chaos der wütenden Egos (ob von rechtlosen Siedlern oder von Selbstmordattentätern), die immer noch nicht merken, welchem Un-Gott sie eigentlich mit dieser Gewalt dienen, leben und arbeiten Menschen, die von einer einzigen Überzeugung beseelt sind, nämlich, dass die Gewalt auf der Welt erst dann aufhören wird zu herrschen, wenn ich selber nicht nur mich von ihr lossage, sondern wenn ich sie in aktive, tätige, kreative Liebe übersteigere.

Das müssen wir merken; das ist es, worauf es ankommt, in allem, auf allen Gebieten unserer Lebenswelt. Wir müssen endlich merken, dass nur einem »Herrn« gedient werden kann, werden muss, damit es Friede werde, in unserem Wirtschaften, in unseren Beziehungen, in unseren Gemeinschaften, dass also nur dem Leben, das sich selbst in der Welt als Leben in allen Lebendigen und in allem Lebenden will, gedient werden kann. Das merken und davon zeugen, das ist, mehr denn je, auch nach so vielen Jahren Evolutionsgeschichte und nach über 2000 Jahren immer noch nur vermeintlich christlicher Zivilisation, das einzige Gebot der Stunde. Denn wie Erich Fried so schön sagte: „Es ist was es ist, sagt die Liebe“.

Wer mehr über REGIO und über FICR wissen und es nicht selber »er-googeln« will, kann sich gerne an mich persönlich wenden!

Maurice de Coulon, Schwabsoien
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