„Einen Terrorismus, den wir selbst gezüchtet haben“

Roland Rottenfußer

Roland Rottenfußer

Ein verstörender Vortrag von Erich Schmidt-Eenboom über »Deutsche Geheimpolitik im arabischen Raum« im Café Plexx, Weilheim.

Wozu sind Kriege da? Z. B. um in Afghanistan Frauen zu schützen und Grundschulen zu bauen, behaupten Politiker oft. Wer den Vortrag von Erich Schmidt-Eenboom (24.01. im Café Plexx, Weilheim) gehört hat, wird solchen Verlautbarungen künftig Misstrauen entgegen bringen. Ob Panzer für Saudi-Arabien, Patriot-Raketen in der Türkei oder Schützenhilfe für das französische Militär in Mali – immer stecken Wirtschaftsinteressen dahinter. Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Ethisch und friedenspolitisch ist dies ein Skandal, der öffentlich zu wenig diskutiert wird. Die »Merkel-Doktrin« (Spiegel) stabilisiert autokratische Regime durch Waffenlieferungen. Dahinter stecken knallharte geostrategische Interessen, wie Referent Erich Schmidt-Eenboom u. a. am Beispiel von Libyen und Syrien zeigt.

Der Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik e. V. in Weilheim bot seinen rund 35 Zuhörern keine leichte Kost. Schon Kaiser Wilhelm und Hitler, so der Referent hätten sich mit dem Orient verbündet, um die Konkurrenzmächte, vor allem England und Frankreich, aus dem Feld zu schlagen. Nach dem Krieg setzten sich Operationen im arabischen Raum fort, gelenkt durch den »Schattenmann« Richard Christmann, der den Nazis ebenso treu diente wie dem BND unter Kanzler Adenauer. Mitten im Honeymoon der deutsch-französischen Freundschaft unterstützte der Geheimdienst unter Christmann die algerische Befreiungsfront gegen die Kolonialherren. Der Grund für die riskante Operation: bessere Absatzchancen für die deutsche Wirtschaft in der islamischen Welt.

Kurz vor der »Wende« zog sich die langjährige Schutzmacht UdSSR aus dem arabischen Raum zurück. In diesen »Lücke« versuchte nun der deutsche Geheimdienst zu stoßen. Vor allem in Syrien operierten die Dunkelmänner. Die Bundesregierung erlaubte es dem »befreundeten« Land sogar, die syrische Opposition in Deutschland zu unterdrücken. Heute stehen Deutsche eben dieser Opposition beratend zur Seite. Die Bundesregierung will sich bei künftigen Machthabern vorsorglich beliebt machen. CIA und BND treiben den Sturz Assads auch deshalb voran, um den Hauptverbündeten Syriens, den Iran, zu treffen. Wie die Protestbewegungen anderer arabischer Länder, wird aber auch die »freie syrische Armee« zunehmend von Islamisten dominiert. Auch der Machtwechsel in Libyen war eine Inszenierung aus ökonomischem Interesse (vor allem Frankreichs). Wieder war das Ergebnis ein Erstarken des Islamismus, der sich seither in Nordafrika ausbreitet. Menschenrechte, so machte der Redner deutlich, sind immer nur Vorwand für militärische Intervention.

Naturgemäß führten die verstörenden Ausführungen von Erich Schmidt-Eenboom im Publikum des Café Plexx zu kritischen Nachfragen und einer lebhaften Diskussion. Attac Weilheim als Veranstalter wich mit diesem Vortrag bewusst von der »üblichen« Themenpalette (Finanzkrise, Banken u. ä.) ab. Die Zusammenhänge zwischen Rüstung, Politik und Geld aufzudecken, war die erklärte Absicht von Attac-Sprecher Manfred Unger. Dies sei wichtig auch im Hinblick auf die Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz am 2. Februar in München. In den nächsten Jahren, prophezeite Erich Schmidt-Eenboom, werden Rüstungsgüter im Wert von 4 bis 5 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien fließen – ein Land, das knallharte islamistische Machtpolitik betreibt. Deutschland und der Westen züchten sich selbst einen Terrorismus, den sie anschließend wieder mit aller Härte bekämpfen werden.

Schmidt-Eenbooms Vortrag war im guten Sinn »enttäuschend«, weil er viele Täuschungen über die Motive der deutschen Politik zerstört hat. Er beantwortete viele Fragen zum Nahen Osten, nur um noch mehr Fragen aufzuwerfen und die Zuhörer in einer Stimmung kreativen Misstrauens nach Hause zu schicken. Das ist nicht das schlechteste Ergebnis für einen Vortragsabend.

Weitere Infos:
www.geheimdienste.info
www.attac-netzwerk.de/weilheim/

 

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