Wandbilder-Rettungsaktion

Versteigerung

Versteigerung von Sachspenden & Inventar in der Schongauer Grundschule (Foto: Sigi Müller)

Kunstwerke aus den 1950er Jahren sollen nach dem Abriss im geplanten Neubau der Grundschule Platz finden

Sieben Drittklässler und eine Lehrerin engagieren sich seit Februar 2016 für die Rettung von zehn Wandbildern an der Staufer-Grundschule in Schongau. Sie möchten, dass das kulturelle Erbe aus dem Jahr 1953 nicht zerstört wird und auf den Schutthaufen wandert, sondern einen Platz im neuen Grundschulbau (voraussichtliche Fertigstellung im September 2018) findet.

Hier unser Tagebuch über die Rettungsaktion der Wandbilder

Februar: Da unsere Schule bald abgerissen wird, beschließen wir, mit offenen Augen durch den Nord- und Südpavillon zu gehen, um alles noch einmal bewusst wahrzunehmen. In verschiedenen Artikeln für eine Wandzeitung wollen wir festhalten, was wir beobachtet haben. Wir stoßen auf die acht Tierfamilien-Wandbilder, die von einem Künstler in der Art eines Mosaiks gemalt wurden. Dabei taucht die Frage auf: „Was passiert mit diesen Bildern?“ Die Auskunft, dass sie auch auf dem Schuttberg landen werden, löst bei den Schülern Empörung aus und lässt den Entschluss reifen, dass wir alles tun wollen, um die Bilder zu retten. Darauf folgt ein intensives Brainstorming.

Foto: Uhr Grundschule Schongau

Noch ungesichert! Ob dieses Wanduhrbild auch noch gerettet werden kann, wird sich möglicherweise erst kurz vor dem Abriss entscheiden. Dieses »Wahrzeichen« an der Außenfassade der Turnhalle über dem Eingang hat die Staufer-Grundschule von Beginn an geprägt. Die drei Figuren unten stellen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dar – Zukunft???

März: Wir führen eine Unterschriften-Aktion in den 17 Klassen an unserer Schule durch. Am 15. März übergeben wir im Rathaus und im Beisein der Presse 343 Unterschriften an Herrn Bürgermeister Sluyterman. Ziel dieser Aktion: die Kinderrechte in der Kommune wahrnehmen, einen Dialog zwischen den planenden Erwachsenen und den Schulkindern beim Schulhaus-Neubau führen, demokratische Prinzipien kennenlernen, sich mit dem kulturellen Erbe beschäftigen, ein Bewusstsein dafür bilden und ihm Wertschätzung entgegenbringen (Ziele des Grundschul-Lehrplans PLUS).

April: Wir führen zahlreiche Interviews mit Lehrkräften, die schon als Schüler die Grundschule in Schongau besuchten. Eine Lesepatin ist uns bei der Recherche nach dem Künstler behilflich: Wir bringen heraus, dass der Künstler »Cobi Reiser« heißt. Spätere Recherchen ergeben, dass er von 1902 bis 1992 lebte und in München-Obermenzing wohnte.

Mai: Wir laden Zeitzeugen in die Schule ein. Wir erfahren viele Dinge, z. B. über die Schulstrafen in den 1950er und 1960er Jahren, über die Pausen-Spiele, über die damaligen Lehrkräfte (es unterrichteten u. a. auch Nonnen in Schongau), über die reinen Mädchen- und Bubenklassen und wie das Schulhaus früher aussah. Wir erhalten vom Stadtbauamt Kopien von drei Rechnungen von Cobi Reiser aus dem Jahr 1953. Für ein Tierbild bezahlte die Stadt Schongau 220 Deutsche Mark, für den Märchengiebel stellte der Künstler eine Rechnung in Höhe von 1.200 DM aus. (Zum Vergleich: 1 Pfund Äpfel kosteten damals 10 Pfennige, für eine Tafel Schokolade bezahlte man 39 Pf, für 100 Gramm Leberkäse 25 Pf.)

10. Mai: Der Bauausschuss der Stadt Schongau befasst sich mit den Kunstwerken. Sebastian Dietrich vom Bauamt veranschlagt die Kosten zur Rettung der Tierfamilien-Bilder mit 36.000 bis 70.000 Euro. Die Bilder sollen nicht im Original erhalten bleiben, sondern fotografisch gut dokumentiert werden und in einer „noch zu bestimmenden Art“ in den Neubau integriert werden.

Juni: Pressekonferenz zur Vorstellung der Postkarten und des Plakates mit allen zehn Cobi-Reiser-Kunstwerken, Schulfest mit Besichtigung der Wandbilder, die Schüler formulieren einen Antrag an den Stadtrat zum Erhalt aller zehn Wandbilder, sie schreiben je eine Cobi-Reiser-Postkarte an alle Schongauer Stadträte und bitten um den Erhalt der Bilder, Unterstützung kommt durch die Petition des Historischen Vereins, des Kreisheimatpflegers, von 14 Ehrenringträgern und vom Kulturverein Schongauer Land, Einrichten von drei Verkaufsstellen für die Plakate/Postkarten in Schongau, Suche nach den Erben des Künstlers. Der Kabarettist Helmut Schleich – ein gebürtiger Schongauer – erklärt sich mit uns solidarisch (Besuch in Schongau, Pressekonferenz); Stadtratsbeschluss: auf 40.000 Euro begrenzte städtische Beteiligung plus Spenden aus der Bürgerschaft.

Juli: Artikel in der Kinderbeilage der Süddeutschen Zeitung über unser kulturelles Erbe, Start der Spenden-Aktion (von der Stadt begrenzt bis einschließlich 31. Juli), Benefiz-Konzert mit »The Burgles« (am 8. Juli, Reingewinn 322,40 €), großartige Benefiz-Veranstaltung mit Helmut Schleich, Michi Marchner und Oliver Pötzsch (am 18. Juli, Reingewinn 4.110,00 €), Radio-Bericht von BR 1, Fernseh-Bericht in der Abendschau des BR, Stadtratsbeschluss: Die CSU- und UWV-Mehrheit lehnt es ab, mit der vorhandenen Summe alle Bilder bergen zu lassen. Der Betrag soll sowohl für den Ausbau, eine eventuelle Restaurierung und den Wiedereinbau verwendet werden. Das Geld reicht damit nur für sechs Tierbilder. Die dem Beschluss zu Grunde gelegten Kosten beruhen nicht auf konkreten Angeboten, sondern sind reine Schätzungen des Stadtbauamtes. Der Spendenkonto-Stand am 29. Juli beträgt 12.357,40 €.

Foto: Irmgard Schreiber-Buhl

Irmgard Schreiber-Buhl

August: Große Benefiz-Versteigerung von Sachspenden und Schulhaus-Inventar mit Vize-Bürgermeister Kalbitzer am 13. August (Erlös 1.428,50 €). Das Stadtbauamt teilt uns mit, dass die Schongauer Firma Feiler nun alle acht Tierbilder aussägen wird, da sich eine Kosteneinsparung beim Wiedereinbau ergeben hat. Die Zukunft der Wanduhr und des Märchengiebels ist derzeit (bei Redaktionsschluss am 23. August) noch ungewiss.

Irmgard Schreiber-Buhl, Schongau

Mehr Informationen unter: www.staufer-grundschule.de/projekt-wandbilder/

 

 

 

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