Wem gehört die Krim?

Foto: Hans Hahn

Hans Hahn

Bei genauerer Betrachtung steht die im Westen eingeforderte territoriale Integrität der Ukraine meiner Meinung nach auf ziemlich tönernen Füßen. Die Ukraine ist als Nachfolgestaat der Sowjetunion in den Grenzen von 1991 entstanden. Dieses Territorium hat eine sehr bewegte Geschichte hinter sich. Seltsam unerwähnt bleibt beispielsweise in der Diskussion der westliche Teil des Landes. Dieser Teil war bis 1939 polnisches Staatsgebiet.[1]) Im berüchtigten Vertrag zwischen Hitler-Deutschland und der Sowjetunion Stalins wurde die Aufteilung Polens vereinbart. Während der westliche Teil Polens mit Kriegsende »frei« wurde, durfte Stalin mit Einverständnis der Alliierten seine Beute behalten, die bis heute Teil der Ukraine ist. Polen wurde ungefragt mit einem Teil Deutschlands (Schlesien) »entschädigt«. Dieses Beispiel zeigt, das Völkerrecht nicht etwa das Recht der Völker ist, sondern Ausdruck der jeweiligen Machtverhältnisse.

Die Krim wurde nach dem Russisch-Türkischen Krieg 1774(!) russisch. Katharina die Große hatte die Osmanen besiegt und sich neben der Krim auch Teile der heutigen Ukraine einverleibt. 180 Jahre lang war die Krim russisch. 1954 wurde die Halbinsel in einem offensichtlichen Willkürakt durch Nikita Chruschtschow – einem Ukrainer! – innerhalb der Sowjetunion der Ukraine angegliedert. Auch wenn ansonsten die Sowjetunion als Unrechtsstaat gilt, soll dieser Akt heute völkerrechtlich in Ordnung sein.

Ganz ohne Zweifel ist die Geschichte der Ukraine aufs engste mit der Russlands verwoben. Niemand wird ernsthaft bezweifeln, dass auf der Krim mehrheitlich ethnische Russen leben. Bestritten wird allerdings, dass diese Mehrheit das Recht auf Selbstbestimmung hat. Dieses Recht gilt nur dann, wenn es zu den geopolitischen Zielen des Westens passt. Da entsteht dann ganz schnell ein Kleinststaat wie der Kosovo, obwohl dieser Jahrhunderte zu Serbien gehörte. Aber wie erwähnt, Völkerrecht ist das Recht der Stärkeren.

Die bei uns gerne als Befreiungsbewegung bezeichnete Entwicklung auf dem Kiewer Maidan ist alles andere, als eine einheitliche Bewegung. Natürlich waren es ursprünglich viele Menschen, welche mehr bürgerliche Freiheiten und weniger Korruption anstrebten und sich einen Anschluss an den Westen wünschten. Aber die Besetzung amtlicher Gebäude ruft nun einmal die Sicherheitskräfte auf den Plan. Wer Molotow-Cocktails auf Polizisten wirft, darf sich nicht beklagen, dass Schusswaffen eingesetzt werden. Das wäre im »goldenen Westen« nicht anders. Schon bald wurde selbst in unseren Medien erkennbar, dass radikale Kräfte die Führung übernommen hatten. Es gab sogar vereinzelt Bilder von mit Schusswaffen ausgerüsteten »Demonstranten«. Lange wurde die bekannte faschistische Swoboda-Bewegung in unseren Medien quasi totgeschwiegen oder nur am Rande erwähnt. Diese Bewegung beruft sich auf die Kollaborateure mit den Nazis im 2. Weltkrieg. Deren Anführer Bandera gilt ihnen als Held. Kontakte zur NPD sind bewiesen. Heute stellen die Faschisten mehrere Minister in der sog. Übergangsregierung. Die Legalität dieser Regierung ist ohnehin mehr als zweifelhaft. So bitter das auch ist, völkerrechtlich – um bei diesem Begriff zu bleiben – ist Janukowitsch der legale Präsident, denn er wurde – wie auch immer – gewählt. Das Parlament war nicht befugt, ihn abzusetzen. Aber auch in diesem Fall nehmen wir das Völkerrecht nicht so genau. Damit soll nicht gesagt werden, dass Janukowitsch ein demokratischer Präsident einer rechtsstaatlichen Regierung war. Aber Leute wie Janukowitsch gibt es weltweit nicht wenige, ohne dass Herr Obama und Frau Merkel sich darüber besonders aufregen.

Kein normaler Mensch hält Wladimir Putin für einen „lupenreinen Demokraten“. Aber seine Reaktion auf den drohenden Anschluss der Ukraine an EU und NATO waren vorhersehbar. Russland „fühlt“ sich nicht von der NATO umzingelt, Russland ist von der Nato umzingelt. Da war die Ukraine der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Putin will die NATO nicht vor seiner Haustüre haben und er möchte keinen »Maidan« in Moskau. Faschisten gibt es übrigens auch in Russland genug.

Die sog. »Krim-Krise« hat ihren Ursprung im Bestreben des Westens, Russland zu schwächen.

Einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik ist, dass sich deutsche Politiker, darunter ein sozialdemokratischer Außenminister, dazu hergeben, mit antisemitischen Faschisten zu verhandeln.

Russland gehört zu Europa, wie aus der gemeinsamen Geschichte mehr als deutlich hervorgeht. Die vorstehend erwähnte Katharina die Große war eine gebürtige Deutsche und die Württemberger sind ganz eng mit dem russischen Adel verbunden gewesen. Noch heute gibt es in Stuttgart eine russisch-orthodoxe Kirche und z. B. ein Krankenhaus, welches an eine russische Gönnerin (Olga) erinnert.

Hans Hahn

 

Quellenangaben / Hinweise


   (↵ zurück zum Text)

  1. Bis zum 1. Weltkrieg Österreich-Ungarn; Polnisch-Ukrainischer und Polnisch-Sowjetischer Krieg 1918-1921 (siehe Wikipedia)
Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar

Bitte bleiben Sie sachlich. Beiträge mit beleidigenden oder herabwürdigenden Inhalten oder Aufrufen zu Straftaten werden ebenso gelöscht wie solche, die keinen Bezug zum Thema haben. Ein Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht!

Es wird Ihr Vorname, Nachname und Wohnort veröffentlicht. Straße, E-Mail-Adresse und Website bleiben unveröffentlicht.