Wo Schweine wieder Schwein sein dürfen

2015_10_Kreut-Schwein-0310. Ausstellung Kunst und Landwirtschaft auf dem Arche-Noah-Hof in Kreut

Kreut/Peiting – Mit einer unkonventionellen Ausstellungseröffnung und Werken zum Thema »Schweine verstehen« wurde die 10. Ausstellung Kunst und Landwirtschaft auf dem Arche-Noah-Hof in Kreut eröffnet.

»Wir lassen die Sau raus! Ein schweinisches Ereignis« war das provozierende Thema der diesjährigen Ausstellung, die sich mehr als Lobby-Veranstaltung für artgerechte Schweinehaltung verstand denn als reine Kunstausstellung. Die Idee zur Veranstaltung lieferte ein wissenschaftliches Projekt zur Resozialisierung von Hybridschweinen. Was geschieht, wenn man vier Ferkel aus der Massentierhaltung wieder zurück in die Natur entlässt und sie mit vier artgerecht gehaltenen Schwäbisch-Hällischen Schweinen zusammen hält? Wie würden sich die arteigenen Verhaltensweisen wie Suhlen, Wühlen, ausgeprägte Umgebungserkundung, differenziertes Sozialverhalten, Nahrungssuche usw. entwickeln? Betreut wurde das auf ein halbes Jahr angelegte Projekt von dem Verhaltensforscher Professor Dr. Dr. Hans Hinrich Sambraus, der noch bei Konrad Lorenz promovierte. Sambraus selbst rettete im Januar 1986 zusammen mit 25 Förderern in Schwäbisch-Hall Hessental die letzten sieben noch existierenden Muttersauen und leitete so deren Renaissance ein. Diese Rasse, die auch seit Jahren auf dem Hof von Prof. Zahn in Kreut gehalten wird, ist inzwischen der Superstar unter den Landschweinrassen. Es verfügt über eine hohe Robustheit, ausgeprägte Gutmütigkeit und Fruchtbarkeit und ist für eine genügsame Weidehaltung geeignet. Kenner schätzen den einmaligen Geschmack und die ausgezeichnete Fleischqualität.

Die ausgestellten, zum Teil provozierenden künstlerischen Arbeiten zum Thema Schwein, unter ihnen die Fotoserie »Schwein gehabt« von Yvonne Salzmann oder die Arbeit der diesjährigen Förderpreisträgerin der Allgäuer Festwoche, Margit Nowak, bildeten den passenden Rahmen für den hochkarätigen Einführungsvortrag von Prof. Sambraus. Er führte aus, dass alle etwa 100 bekannten Verhaltensweisen und Instinkte von Schweinen auch bei Schweinen aus der Massentierhaltung noch vollständig vorhanden sind. Dennoch zwinge man die Tiere auf naturfremden Spaltenböden zu vegetieren, was bei 80 Prozent aller so gehaltenen Tiere bereits nach 6 Monaten zu massiven Schleimbeutelentzündungen durch nicht artgerechtes Liegen führt.

Yvonne Salzmann: »Schwein gehabt« Kontakt: www.salzmann-photographie.de

Yvonne Salzmann: »Schwein gehabt« Kontakt: www.salzmann-photographie.de

Doch schreibt das Tierschutzgesetz die artgerechte Haltung zwingend vor. Der §1 des Gesetzes sagt wörtlich, dass Schweine Mitgeschöpfe sind und nach §2 muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht sein. Zur artgerechten Haltung bei Schweinen gehören etwa auch Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die u. a. verhindern sollen, dass sich die Schweine gegenseitig den Schwanz abbeißen. Nicht nur die Kontrollbehörden müssen stärker auf die Einhaltung der Tierschutzgesetze achten. Eine Änderung des Konsumverhaltens weg vom immer billigeren Schweinefleisch ist ein wichtiger Schritt aus der Misere. Prof. Sambraus lobte in diesem Zusammenhang vor allem die vorbildliche Schweinehaltung auf dem Hof von Prof. Zahn.

Dieser gab dann als Schweineversteher persönlich eine eindrucksvolle Vorstellung vom Wesen der Tiere. Die bunt zusammengewürfelte Schweinefamilie aus Hybridschweinen, Schwäbisch-Hällischen und einem englischen Large Black kam sofort zutraulich auf Prof. Zahn zu, als dieser sich zu ihnen auf die Weide gesellte und sie rief. Es war nicht klar, ob die zahlreichen Ausstellungsbesucher oder die Schweine neugieriger waren. Die Vierbeiner jedenfalls ließen sich genüsslich füttern, striegeln und mit Wasser abspritzen und waren sogar für kleine Kunststücke zu haben. Prof. Zahn und die Schweine genossen sichtlich den Applaus.

Welche Fleischqualität und welchen Geschmack so ein artgerecht gehaltenes, glückliches Schwein hat, davon konnten sich die Besucher anschließend bei zahlreichen Schweinespezialitäten überzeugen. Bäuerliche Harfenmusik von Barbara Attenkofer, aus deren Spiel sich sogar ein kleiner spontaner Hoagascht entwickelte, bildete den perfekten musikalischen Rahmen.

Mit seinen unkonventionellen Veranstaltungen und Ausstellungen verfolgt Prof. Zahn seit Jahren sein Ziel, der bäuerlichen Landwirtschaft entfremdete Menschen diese Kultur wieder nahezubringen und das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln und Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen zu sensibilisieren. Die Ausstellung ist noch bis Sommer 2016 zu sehen.

HansPeter Bergmann
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